Interview

Interview mit Jochen Terstiege


Selten wurde ein Shareware-Spiel so mit Lob bedacht wie "BattleDuel". Die "Amiga Plus" attestierte: "Ein fesselndes Programm". Das "Amiga-Magazin" nannte es die "technisch beste Artillery-Umsetzung". Und das englische Magazin "Amiga Computing" sprach von einem der "besten Multiplayer-Spiele der letzten Jahre". Neben dem Grafiker Michael David und Marco Seine, der für die Soundeffekte und die Hintergrundmusik verantwortlich zeichnet, steckt hinter "BattleDuel" der Programmierer Jochen Terstiege, der für einige ungewöhnliche und für Amiga-Verhältnisse beinahe revolutionäre Programmfunktionen, wie der Möglichkeit, "BattleDuel" über das Internet zu spielen, sorgte. Wohl weniger kreatives Potential enthielt die von ihm vorgenommene Amiga-Konvertierung des äußerst komplexen Rollenspiels "ADOM" (siehe Rezension in "AmigaGadget"#31). Daß Jochen aber auch dafür unzählige Amiga-Spielefreaks sehr dankbar sind, läßt sich unschwer anhand zahlreicher Postings in der "ADOM"-Newsgroup "rec.games.roguelike.adom" ersehen.


AG: In "BattleDuel" bekriegen sich feindliche Geschütze. Und in "ADOM" mußman sich seinen Weg durch die Dungeons über die Leichen aberhunderter grausam niedergemetzelter Lebewesen bahnen. Brauchen Computerspiele eine gewisse Komponente der Gewalt ?
JT: Nein, brauchen sie nicht. Es ist purer Zufall, daß in beiden Spielen "Gewalt" vorkommt. Außerdem wird diese "Gewalt" in einer ganz anderen Form präsentiert als z.B. in "Quake".
AG: Hättest Du gedacht, daß sich aus der Umsetzung des uralten "Artillery Duel"-Konzeptes ein Megahit der Sharewareszene, wie es "BattleDuel" geworden ist, machen ließe ? Oder ist gerade die Einfachheit der Spielidee das Erfolgsrezept für andauernden Spielspaß ?
JT: Als wir mit "BattleDuel" anfingen, hätten wir nie gedacht, daß wir so einen Erfolg damit haben würden. Die ersten Versionen waren, zugegeben, noch etwas primitiv, jedoch haben wir im Laufe der Zeit einige Erweiterungen eingebaut, die das Spiel interessanter gemacht haben.
Trotz all dieser Erweiterungen ist das Spielprinzip immer noch sehr einfach, d.h. man muß nicht stundenlang irgendwelche Anleitungen lesen (obwohl es nett wäre, wenn man sich die Anleitung mal anschaut).

Da unser Programm nicht die x-te Umsetzung der "Artillery"-Idee sein sollte, sind wir von Anfang an einen anderen Weg gegangen. Wir haben uns alle Konkurrenz-Spiele angesehen und deren Nachteile analysiert, so daß wir diese in unserem Spiel vermeiden konnten.

Bei vielen Spielen dieser Art wird die Landschaft gescrollt, so daß man den Gegner gar nicht direkt sehen kann. Bei "BattleDuel" haben wir uns deshalb für eine hohe Auflösung (640x512 Pixel) entschieden. Ein weiteres, für mich sehr wichtiges, Kriterium war, das gesamte Spiel möglichst systemkonform zu halten. Ich wollte anderen Programmierern zeigen, daß es auch möglich ist, Spiele so zu programmieren, daß sie im Multitasking laufen.

AG: An "BattleDuel" arbeitet Ihr nun schon seit mehreren Jahren. Wird Euch das nicht langsam langweilig ? Hängt Dir der Source und vor allem sein Debuggen nicht schon zum Halse heraus ?
JT: Nun, wir werden auf jeden Fall die nächste Version 1.7 fertigstellen. Was danach kommt, können wir noch nicht sagen. Wenn uns genug Leute drängen, werden wir natürlich über weitere Versionen nachdenken.

Langweilig war das Programmieren an "BattleDuel" nie, da es immer neue Herausforderungen gegeben hat. Der Sourcecode ist im Laufe der Zeit immer umfangreicher geworden; inzwischen liegt die Summe aller Dateien bei ungefähr einem Megabyte bzw. bei über 40000 Zeilen.

AG: Die "BattleDuel"-Konkurrenz "Scorched Tanks" wartet mit Dutzenden verschiedener Waffensysteme und zahlreichen Schutzschilden auf. Nun ist für die neue "BattleDuel"-Version ja auch die Erhöhung der Waffenzahl angekündigt. Ist nun insoweit das Lernen von "Scorched Tanks" angesagt oder bleibt Ihr prinzipiell bei Euerm anders gelagerten Konzept ?
JT: Wir haben uns lange gegen den Einbau anderer Waffen gewehrt. Aber da wir nicht an den Wünschen der Spieler vorbeiprogrammieren wollen, haben wir uns entschlossen, auch andere Waffen einzubauen.

Auch in der nächsten Version werden wir bei unserem Konzept der wenigen, aber dafür originellen, Waffen bleiben. In einer Umfrage unter den registrierten Benutzern wurden verschiedene Waffentypen bewertet. Wir werden einige davon einbauen.

AG: Wann darf man denn ungefähr mit der neuen "BattleDuel"-Version rechnen ? Und was für spektakuläre Neuerungen wird es noch zu vermelden geben ?
JT: Ein genauer Termin steht nicht fest. Wir haben schon einige Erweiterungen eingebaut, jedoch stehen immer noch etliche Punkte auf der "To do"-Liste.

Bisher haben wir schon einen Team-Modus integriert, so daß jetzt vier Spieler (jeder mit einer eigenen Kanone) gleichzeitig spielen können. Zusammen mit der Erhöhung der maximalen Spieleranzahl auf acht ergibt das etliche neue Spielmöglichkeiten. Außerdem wird es eine spezielle Version für Grafikkarten geben, wo die fehlenden Copperlisten durch Farbverläufe ersetzt wurden. Zusätzlich ist das gesamte Spiel jetzt lokalisiert, so daß man z.B. eine deutsche Oberfläche einstellen kann.

AG: Hat sich die Veröffentlichung von "BattleDuel" als Shareware nicht nur ideell sondern auch finanziell gelohnt ? Oder habt Ihr schon über eine kommerzielle Vermarktung, z.B.. einer noch etwas weiter aufgemotzten Version, nachgedacht ?
JT: Wir freuen uns natürlich über jede Registrierung, jedoch wird man durch Shareware nicht reich. Das war aber auch nicht unsere Absicht. Wir haben uns für das Shareware-Konzept entschieden, um ein gewisses Feedback von den Benutzern des Programms zu bekommen. Bei EMail-, Card- oder Giftware ist das Feedback nicht so groß.

Über eine kommerzielle Vermarktung haben wir nie nachgedacht.

AG: Ihr seid Opfer von Keyfile-Fälschern geworden. Habt Ihr damals auch über rechtliche Schritte gegen "Digital Corruption" und ihre "Kunden" nachgedacht oder war es Euch das nicht wert ?
JT: Ich habe die gecrackte Version per Zufall auf einem ftp-Server gefunden. Das Keyfile ist mühsam (ich hoffe zumindest, daß es *sehr* mühsam war) per Hand erstellt worden, d.h. das Programm wurde disassembliert und der Code untersucht. Da man sich gegen solche Angriffe nicht so leicht schützen kann, haben wir unser Keyfile-Format auch nicht verändert.

Rechtliche Schritte gegen "Digital Corruption" haben wir nicht eingeleitet. Und an die "Kunden" heranzukommen dürfte ziemlich unmöglich sein.

AG: Plattformübergreifend wohl noch erfolgreicher als "BattleDuel" ist das zweite Spieleprojekt, an dem Du beteiligt bist: "ADOM". Ist das nicht ein kleiner Widerspruch: auf der einen Seite das grafisch und musikalisch ausgefeilte "BattleDuel", das auch über Netzwerk gespielt werden kann und zahlreiche visuelle Gimmicks bereit hält und auf der anderen Seite "ADOM", das mit dem Standardzeichensatz auskommt ? Würde ein Psychiater hier zu recht den Versuch einer Kompensierung der "BattleDuel"-Entwicklung feststellen können ?
JT: Thomas Biskup, der Programmierer von "ADOM", ist ein guter Freund von mir. Als er damals jemanden für die Portierung auf den Amiga gesucht hat, war es fast selbstverständlich, daß ich den Job bekam. Schließlich brauchte er jemanden, dem er die Sourcen anvertrauen konnte, ohne daß derjenige sie irgendwo verbreitet. :)

"ADOM" und "BattleDuel" kann man nicht direkt vergleichen: "ADOM" ist so ausgelegt, daß es auf möglichst jeden Computer portierbar ist, während BattleDuel komplett auf den Amiga spezialisiert ist.

Wir wurden auch schon häufiger daraufhin angesprochen, BattleDuel für den PC umzusetzen. Dafür müßte man jedoch das gesamte Programm neu schreiben. Eine Portierung von "ADOM" auf einen anderen Computer ist auf jeden Fall mit sehr viel weniger Arbeit verbunden.

AG: Wieviel Arbeit war erforderlich, um die "ADOM"-Sourcen auf den Amiga zu portieren ? Und wie läuft das bei neuen Versionen - mußt Du da den gesamten Quellcode durchgehen oder hält Thomas Biskup, der "ADOM"-Programmierer, fest, was er wo geändert hat ?
JT: "ADOM" benutzt für die Ausgabe eine I/O-Bibliothek namens "Curses". Im Prinzip mußte ich also für die Portierung nur eine eigene Curses-Bibliothek schreiben. Diese ist im Laufe der Zeit jedoch stark optimiert worden, um eine möglichst hohe Geschwindigkeit bei der Ausgabe zu erreichen.
Da beim PC der Textmodus benutzt wird, ist dort die Ausgabe schneller als auf dem Amiga.

Neue Versionen lassen sich meist direkt compilieren, manchmal sind jedoch noch kleine Änderungen notwendig. An dieser Stelle möchte ich anmerken, daß der SAS/C-Compiler sehr viel mehr Warnungen ausgibt, als z.B. der GCC-Compiler. Erst durch die Compilierung auf dem Amiga wurden einige Fehler im Programm gefunden, die sonst wahrscheinlich sehr viel schwieriger zu finden gewesen wären.

AG: Du hast ja mit der Gamma 4-Version damit begonnen, "ADOM" um amigaspezifische Funktionen zu erweitern. Wirst Du das in Zukunft weiterhin so halten ? Hast Du vielleicht sogar schon konkrete Einfälle ?
JT: Ich stimme mit Thomas überein, daß "ADOM" auf allen System möglichst gleich aussehen soll. D.h. weitere amigaspezifische Funktionen wird es sehr wahrscheinlich nicht geben.

Der Screenmode-Requester ist im Hinblick auf unterschiedlich ausgerüstete Amigas sinnvoll, da man z.B. einen Grafikkarten-Modus einstellen kann. Die Möglichkeit, die Ausgabe auf einen Publicscreen umzulenken, wurde auch speziell für Grafikkarten eingebaut.

AG: Thomas hat für die Zukunft eine "ADOM"-Version in Aussicht gestellt, die in gewissem Masse grafische Elemente enthalten soll. Wird diese dann auch für den Amiga portiert werden ?
JT: Soweit ich weiß, hat Thomas diese Version zurückgestellt. Für die Entwicklung wollte er eine Bibliothek namens "Allegro" benutzen, welche es auf dem Amiga nicht gibt. Eine Portierung dieser Version wäre also sehr viel umfangreicher.
AG: Spielst Du eigentlich selbst noch in Deiner Freizeit (außerhalb von Testspielen) "BattleDuel" und "ADOM" ? Und wenn ja - wie kommst Du dann überhaupt noch zum Programmieren ?
JT: Bei "ADOM" bin ich immer noch nicht über den Anfänger-Status hinausgekommen. Es fehlt leider die Zeit, um tiefer in die Geheimnisse dieses Spiels einzutauchen. Auch bei "BattleDuel" spielen die Computerspieler öfter, aber nicht unbedingt besser, als ich. :)
AG: Hast Du außer diesen beiden Spielen noch andere Programme, insbesondere Anwendungen, veröffentlicht ? Wenn ja, welche ? Und wo kann man diese finden ?
JT: Es finden sich auf meiner Festplatte noch einige Projekte, die jedoch nie veröffentlicht wurden: "Hounded", eine Windhundrennen-Simulation; "Animaker", das zu der Zeit schnellste Programm, um Animationen zu generieren; "ManualManager", der erste Versuch zur MUI-Programmierung; sowie einige kleinere Tools.
AG: Was für Programme sind für Dich persönlich unverzichtbar ? Und was für Spiele(-Klassiker) sollte jeder unbedingt auf seiner Festplatte haben ?
JT: Zum Programmieren unverzichtbar sind: SAS/C, CygnusEd, Enforcer und Mungwall. Spiele habe ich im Moment nicht auf der Platte, da diese nicht sonderlich groß und immer voll ist.
AG: Zur Zeit werden ja zwei Richtungen diskutiert, in die sich der Amiga-Markt entwickeln könnte: einmal die Hinwendung zu Standard-PC-Komponenten, was eine billige Hardwareplattform garantieren und in letzter Konsequenz eine Konzentration auf das AmigaOS bedeuten würde, und zum anderen die Entwicklung neuer leistungsfähiger Customchips. Welchem der beiden Wege gibst Du die größere Chance ?
JT: Fest eingebaute Customchips sind nach einiger Zeit garantiert wieder der Flaschenhals im gesamten System. Das war schon früher so (siehe ECS und AGA) und wird auch in Zukunft so sein.

Mein Wunsch-Amiga wäre möglichst modular aufgebaut, so daß man ohne größere Probleme die Grafikkarte, CPU, usw. austauschen kann. Das Betriebssystem sollte natürlich genau so modular sein.

Im PC-Bereich hat gerade das 3D-Zeitalter so richtig begonnen, da leistungsfähige und relativ billige 3D-Karten zusammen mit funktionierenden Treibern verfügbar sind. Genau solche Karten wünsche ich mir für meinen Amiga.

AG: Hat der Amiga überhaupt (als OS oder als Rechner) noch nennenswerte Zukunftsaussichten oder ist die Existenz in der Nische ein für allemal besiegelt ? Sind kleine, enge Kooperationen wie das "BattleDuel"-Team, das sich aus drei Amiga-Freaks aus dem bundesweit doch eher unbekannten Haltern-Sythen zusammensetzt, das Modell der Zukunft für den Amiga ? Und wirst Du persönlich dem Amiga treu bleiben oder hast Du Dir gar bereits einen Zweit- (oder Erst-)Rechner zugelegt, wie es das Manual zu "ADOM" andeutet ?
JT: Ich hoffe, daß in näherer Zukunft ein neuer Amiga mit vernünftiger Ausstattung zu einem fairen Preis erhältlich ist. Ansonsten wird der Amiga wohl noch weiter in den Nischenbereich abgedrängt.

Kleine Kooperationen aus mehreren Amiga-Freaks sind seit jeher das Rückgrat der Amiga-Gemeinde. Der Amiga ist halt ein Computer, der nicht nur benutzt, sondern geliebt wird! ;)

Zugegeben, seit ungefähr drei Jahren besitze ich auch einen PC. Mich persönlich stört es nicht, mehrere Computersysteme mit unterschiedlichen Betriebssystemen zu benutzen. Nach einiger Zeit kennt man so ziemlich alle Vor- und Nachteile der einzelnen Systeme.

Da das Programmieren auf dem Amiga immer noch sehr viel Spaß macht, werde ich auch weiterhin Programme dafür entwickeln.

AG: Um den "privaten" Teil des Interviews einzuleiten: erzähle doch unseren Lesern bitte ein bißchen über Dich. Wie alt bist Du ? Was machst Du derzeit beruflich, respektive, was studierst Du ? Hast Du irgendwelche unveränderlichen Kennzeichen ? Wirst Du steckbrieflich gesucht ? Bist Du schon von Außerirdischen entfühert worden ? Oder was gibt es sonst noch spektakuläres in Deiner Biographie ?
JT: Ich bin 27 Jahre alt und studiere Informatik in Dortmund. Unveränderliche Kennzeichen: angeborener Bleifuß, (noch) keine Brille, Sternzeichen Löwe, computersüchtig (ja, muß ich wirklich zugeben ;). Auf die Entführung durch Außerirdische warte ich immer noch...
AG: Hast Du irgendwelche Hobbies außerhalb der Computerwelt ? Irgendwelche Musik- und/oder Literaturtips, die Du jedem ans Herz legen würdest ?
JT: Hm, ich würde lieber einen Film empfehlen: "Men In Black"! :)
AG: Wirst Du in diesem Jahr die Kölner Messe besuchen ?
JT: Das steht noch nicht fest, aber wahrscheinlich ja...
AG: Und ganz zum Schluß die wie immer alles entscheidenden zwei Fragen:

1. Kennst Du das "Amiga Gadget" ? Wenn ja - wie findest Du es ? Was könnte oder sollte man verändern ?

JT: Ich gebe zu, daß ich das "Amiga Gadget" noch nicht so lange kenne. Aber es gefällt mir sehr gut, da für jeden was dabei ist.
AG: 2. Wer wird Deutscher Fußballmeister in der Saison 1997/98 ?
JT: Ähm, Dortmund... ;)
AG: Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen und alles Gute für Deine Zukunft !
JT: Danke!

[Das Interview führte (an) für das "AmigaGadget".]

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