Interview

Interview mit Chris Hodges

Programmierer beherrschen nur die Kunst der Algorithmusoptimierung, zählen aber ansonsten eher zu den unkreativeren Menschen. Dieses Vorurteil wird durch Chris Hodges (20) in beeindruckender Weise widerlegt. Neben der Komposition von Computermusik-Modulen lebt er seine künstlerische Ader vor allem bei der Erstellung aufwendiger Raytracing-Grafiken aus. AMOS-Usern ist der Puchheimer aber wohl besser durch seine zahlreichen Spiele wie "Tubes", "F.T.C.", "Crack Out!" oder "Amotrix", sowie die mächtige AMOS Professional Extension "AMCAF" bekannt. Da seine Programme zu den wenigen AMOS-Produkten zählen, die volle Systemkonformität aufweisen, hat er aber auch darüber hinaus Anerkennung gefunden. Seit Anfang 1997 betreut Chris zudem eine aufwendig gestaltete WWW-Homepage (zu finden unter der URL http://platon.home.pages.de/), über die u.a. alle seine wichtigen Programme zum Download zur Verfügung stehen.


AG: Du hast viele Spiele, aber auch zahlreiche Anwendungen programmiert, Du hast einige mehr und einige nach eigenem Bekunden weniger gute Computersongs komponiert, Du hast einige gelungene Raytracing-Grafiken entworfen und Du beherrscht auch noch HTML und pflegst Deine von Dir selbst aufwendig und liebevoll gestalteten WWW-Seiten. Ist Dir diese enorme Kreativität nicht selbst ab und an ein bißchen unheimlich ?
CH: Man darf niemals Kreativität mit Produktivität verwechseln. Der Begriff Kreativität impliziert für mich Genialität, also das Schaffen von neuen, innovativen Dingen. Und so gesehen kann man bei mir nicht von "unheimlich kreativ" sprechen :) Aber ich habe versucht herauszufinden, auf welchem Gebiet ich Talent besitze und auf welchem eben nicht.
AG: Die meisten Deiner Spiele basieren auf altbewährten Spielprinzipien, wie z.B. "CrackOut!" (Breakout), "Amotrix" (Tetris), "MegaTron" (Tron) oder "Strike Commander" (Dogfight). Gibt es nicht schon genügend Vertreter ihrer Art ? Oder worin lag und liegt für Dich die Motivation, Deinen Werken alte Spielideen zugrundezulegen ?
CH: Natürlich gibt es bereits hunderte dieser Clones, aber für einen (damals noch) jungen Programmierer war/ist es reizvoll zu versuchen, ob man "nicht auch sowas hinkriegt" oder ob man es gar besser kann. Auf jeden Fall sammelt man viel Erfahrung, wie man es beim nächsten Mal nicht machen sollte :)

Dennoch versuche ich, in jedes Spiel meine eigenen Ideen einfließen zu lassen. So habe ich z.B. bei Amotrix anstatt des (ruckeligen) blockweisen Scrollings Softscrolling und auch einen 8ten Spielstein -einen Wassertropfen- eingebaut. Bei MegaTron gibt es so viele verschiedene Waffen und Features, wie ich bis dato nicht in einem anderen Tron-Clone gefunden habe. Und Strike Commander funktioniert auch auf meinem A4000 im Gegensatz zu der Version von Dogfight, die ich damals hatte. Tubes dagegen habe ich anfänglich nur geschrieben, damit ich selbst es spielen konnte (ich war süchtig nach diesem AMBOS Online-Spiel, aber es gab nur 4 Level in der Demoversion). Die erste Version entstand komplett mit Musik und Grafiken an einem Nachmittag. Dann hat sich Tubes zum Glück doch noch kreativ weiterentwickelt, wobei ich besonders auf die Bonus-Games stolz bin.

AG: "Free Trading Company" ist ja ein naher Verwandter solcher Simulationsklassiker wie "Hanse" oder "Vermeer". Bist Du bekennender Ralf Glau-Fan oder wolltest Du Dich nur mal probeweise an einer Wirtschaftssimulation versuchen ?
CH: Meiner Meinung nach sollte man alles mal ausprobiert haben (siehe oben). F.T.C. ist bisher von der Source-Länge das größte Spiel geworden. Abgesehen davon mangelte es mir an einer Amiga-Version des bekannten C64-Spiels O.H.G., das mir/uns immer viel Spaß bereitet hat.
AG: Einige Deiner Spiele wurden ja früher von "The Software Society" vertrieben, bis es dann 1994 zum Bruch kam. Hast Du überhaupt kein Geld gesehen oder ging der Streit nur über einen Teil des Honorars, so daß sich die Sache für Dich letztlich doch gelohnt hat ? Und warum befindet sich in der Dokumentation zur Shareware-Version von "F.T.C." noch immer der Copyright-Hinweis zu Gunsten der "Society" ?
CH: Gelohnt im materiellen Sinn hat sich der Verkauf meiner Software nie. Der Quotient zwischen reingesteckter Arbeit und dem Erlös ist zu klein, um ihn mit einem Integer darstellt werden zu können :) Die "Software Society" war schon vorher durch ihre fast schon betrügerischen Geschäftspraktiken bekannt - aber wer nicht hören will, muß fühlen: als ich nach mehr als einem Jahr meinen Gewinnanteil nicht mehr erhalten habe, entschloß ich mich kurzerhand, den Vertrag zu kündigen (was sich jedoch als nicht so leicht herausstellte, da schriftliche und telefonische Anfragen ignoriert wurden) und selbst meine Software zu verkaufen. CrackOut! und F.T.C. wurden damals von der Software Society kommerziell vertrieben und als ich das Spiel für das AmiNet neu compiliert habe, war ich zu faul, um nochmal etwas an der Dokumentation zu ändern. Überhaupt empfinde ich beim Entwickeln der Software das Schreiben von Anleitungen als das lästigste Übel überhaupt :)
AG: Welches der von Dir programmierten Spiele hat am meisten Arbeit erfordert ? Und auf welches bist Du heute am stolzesten ? Spielst Du auch ab und zu noch Deine eigenen Spiele ?
CH: Von der Entwicklung das längste Programm war F.T.C., das aufwendigste jedoch MegaTron, vor allem wegen der vielen Features und Bugs, die dann und wann in den früheren Versionen aufgetreten sind. Am stolzesten bin ich wohl auf Tubes (Gruß an Merlin!). Soweit man das jetzt sagen kann. Ja, dann und wann spiele ich auch selbst noch meine Spiele, denn ich habe noch Spaß daran - vor allem, wenn ich einen oder mehrere Spielepartner habe.
AG: Neben der Unterhaltungssoftware hast Du auch "seriösere" Programme geschrieben. Wie kam Dir die Idee zu der inzwischen äußerst mächtigen AMCAF-Extension, die AMOS-Programmierern viel Arbeit abnimmt ?
CH: Wie immer ist der Mangel die Triebkraft gewesen (vgl. Freud :) ). AMCAF enthält genau die Befehle, die ich für meine Spiele und andere Software gebraucht habe (oder die ich einfach tierisch nützlich fand). Ein großer Dank geht hierbei an die Betatester, die immer wieder mit neuen Ideen auf mich zugekommen sind.
AG: Wer ist der geheimnisvolle "Peter Hodges", der an manchen Deiner Programme mitgearbeitet hat - Bruder oder Vater ?
CH: "Ich bin Dein BRUDER!" - "Neeeeeiiiin!". Ja genau, Peter Hodges ist in diesem Sinne mein älterer böser Bruder Chucky und Lieferant für diverse gepixelte und gerenderte Grafiken (man muß ihn nur fest genug treten :) ). Er ist (ähnlich wie meine Schwester) Amiga-Fan, ganz im Gegensatz zu meinem Vater, den ich bisher noch nicht von der PC-Krankheit heilen konnte...
AG: Woran arbeitest Du zur Zeit ? Wirst Du Dich in Zukunft mehr auf die Entwicklung von Anwendungen konzentrieren oder bleibt es bei einer gesunden Mischung mit einem leichten Übergewicht zu Gunsten der Spiele ?
CH: Momentan arbeite ich wieder an einem Update der AMCAF-Extension und bin Co-Programmierer bei einem PC-Spiel (ja, natürlich wieder ein Clone :) ). Aber keine Angst, ich bleibe weiterhin ein Amiga-Fan! Eine Dose kommt mir nicht ins Haus. Je mehr man am PC versucht zu programmieren/arbeiten, um so froher wird man, daß man zur Entspannung noch einen Amiga zu Hause hat, der genau das tut, was man will - und nicht umgekehrt!

Am Amiga versuche ich mich jetzt vorwiegend an Applikationen, sollte mir jedoch eine Idee für ein gutes Spiel kommen, so werde ich sicher nicht Nein sagen. Mein Bruder bastelt gerade an den Grafiken für eine Weltraum-Handelssimulation, eine Mischung aus "Master of Orion", "Sterne wie Staub" (na, wer kennt dieses Spiel noch?) und ein paar anderen Spielen. Aber bis auf ein fragmentarisches Konzept und ein paar tolle Grafiken gibt's noch nix zu sehen.

AG: Du gehörst ja zu den wenigen AMOS-Programmierern, deren Programme man starten kann, ohne daß man damit zu rechnen braucht, daß der Rechner abstürzt. Wieso konntest Du den Verlockungen dieser Programmiersprache zu systeminkonformer Programmierung - im Gegensatz zu vielen anderen AMOS-Anhängern - widerstehen ? Die Konfiguration kann es ja kaum sein, da Du Deinen 4000er erst seit zwei Jahren hast.
CH: Ich weiß, daß viele der User dort draußen glauben, daß AMOS nur ein systeminkonformer Hack ist. Sie haben recht :) Verzichtet man jedoch auf gewisse "Features" und schreibt seine übrigen Routinen selbst (AMCAF), erzeugt ein AMOS Programm keine Enforcer-Hits und stürzt auch nicht ab. Außerdem gibt es immer wieder AMOS Programmierer, die meinen, ein "Break Off" (Abschalten des Ctrl-C Breaks) wäre besonders clever - und genau diese Spiele haben dann nicht einmal eine Exit-Option. Solche Spiele bringen AMOS in Verruf - so schlecht ist es eigentlich gar nicht.

Es liegt im Interesse des Programmierers, daß seine Programme auf möglichst vielen Konfigurationen laufen - warum also hacken, wenn es auch systemkonform geht?

AG: Auch der beste Programmierer kann die Begrenzungen der verwendeten Sprache nicht außer Kraft setzen - gibt es auf einem Multitasking-System wie den Amiga überhaupt eine Existenzberechtigung für eine Programmiersprache, die eine Vielzahl bestehender System-Standards so konsequent mißachtet, wie es bei AMOS der Fall ist (erinnert sei beispielsweise an das eigenwillige Screen-Handling) ?
CH: AMOS ist sehr einfach zu erlernen - in der heutigen Zeit der relativ schwer zu handzuhabenden Hochsprachen ist das sicherlich ein großer Pluspunkt für AMOS, besonders wenn ich daran denke, wie man am Amiga heute sonst noch den Einstieg zum Programmieren bekommen soll. Mit AMOS stellt sich sehr schnell ein Erfolgserlebnis ein. Allerdings wäre es besser, rechtzeitig nach diesem Einstieg auf eine "richtige" Programmiersprache umzusatteln (ich empfehle hierfür ANSI-C, C++ ist mir zu Overhead-lastig).

Ich spreche AMOS vor allem deswegen die Existenzberechtigung ab, weil es kein Problem gewesen wäre, eine systemkonforme Version zu schreiben, wenn man es nur zugelassen hätte (z.B durch Veröffentlichen des Sourcecodes). Was mich am meisten ärgert, ist, daß François Lionet trotz des Wissens über die Existenz von AGA nur Platz für sechs (!) Bitplanezeiger in seiner Screen-Struktur reserviert hat. Das verzeih ich ihm nie!

AG: Du hast neben AMOS-Programmen aber auch einige Tools in Assembler geschrieben. Ist das nicht ein etwas eigentümlicher Schritt - von der Sprache, die für jeden Handschlag einen eigenen Befehl anbietet, hin zur maschinennächsten Sprache, die dem Programmierer viel Arbeit abverlangt und die Realisierung umfangreicherer Projekte nahezu unmöglich macht, dafür mit hoher Geschwindigkeit aufwartet ?
CH: Umfangreiche Projekte in Assembler sind nicht unmöglich, man benötigt nur ungeheuer viel Disziplin. An Assembler fasziniert mich so, daß man immer ganz genau weiß, was der Prozessor mit der nächsten Anweisung anfängt (man spricht quasi direkt mit dem Herz des Computers). Man kann ungeheuer erfinderisch sein, wenn es um das Schreiben von schnellen, optimierten Routinen geht. Nebenbei bemerkt ist AMOS die beste Plattform, um schnell mal Assembler-Routinen auszutesten.
AG: Welche der beiden Sprachen gefällt Dir vom Konzept her besser ? Beherrscht Du auch noch andere Programmiersprachen ? Wie sähe es mit einer Portierung Deiner AMOS-Programme in eine Hochsprache aus ?
CH: Assembler hat so gesehen kein Konzept - es liegt völlig am Programmierer, wie er/sie bei der Projektentwicklung vorgehen will und ob er/sie lieber unleserlichen Spaghetti-Code produziert oder Makros und Includes verwendet, seine/ihre Routinen strukturiert und autonom gestaltet oder nicht. AMOS dagegen war eine gute Idee, aber eine miserable Durchführung.

Mal abgesehen davon, daß man Sprachen nicht "beherrscht", kann/konnte ich noch Z80 Asm, C64 Basic, wenig 6502-Asm, Amiga Basic, AMOS, MC680xx Asm, Pascal, Arexx, Installer-Scripts (hehe), Shell-Scripts und bin gerade dabei, C mal praktisch anzuwenden.

Eine Portierung meiner Spiele in eine Hochsprachen wäre eine zeitaufreibende Arbeit, besonders weil ich mir erst einmal eine Bibliothek an neuen Grafikroutinen zusammenschreiben müßte... Wo würde der Sinn liegen?

AG: Abgesehen von der Zusammenarbeit mit "The Software Society" setzt Du ja sehr stark auf das Konzept der Shareware - glaubt man den Dokumentationen zu Deinen Programmen: ohne großen Erfolg. Ist es nicht von den Amiga-Usern ein bißchen viel verlangt, für alte, dutzendfach umgesetzte Spielideen, auch wenn sie mit neuen Einfällen und technischen Tricks aufpoliert wurden, noch Shareware-Gebühren zu zahlen ?
CH: Darum geht es nicht - wenn man den Mails, die ich bekomme, Glauben schenken darf, dann haben zumindest manche Gefallen an meinen Programmen. Das ändert aber nichts daran, daß sie nicht bereit sind, mich für die Arbeit, die ich zwangsläufig in das Produkt gesteckt habe, zu entlöhnen.

Ein nettes Beispiel vom 28.12.1995: "Sehr geehrter Herr Hodges, hiermit fordere ich das Amiga Spiel 'Pipeline Game' an. Es würde mich freuen, wenn Sie mir etwas zuschicken würden! Die freiwillige Share von mir beträgt 2,- DM." Beiliegend ein Scheck über 2,- DM. Kein Rückumschlag, keine Diskette. Ja, Weihnachten macht großzügig :) Ich hab' ihm daraufhin Tubes-light geschickt: die Brettspielversion zum Selbstausschneiden :)

Das Konzept "Shareware" funktioniert (zumindest in Deutschland) nur, wenn man die Testversion verstümmelt. AMCAF ist in der Demoversion beschränkt, und siehe da, es klappt auch mit den Registrierungen. Bei meinen Spielen hingegen gab es nie eine Testversion, es wurde immer das vollständige Programm verschenkt. Dementsprechend haben sich die User auch die Spenden "geschenkt". Was diese These noch belegt: Durch einen Bug in CrackOut kam es in einer Version zum spontanen Beenden des Spiels. Zwei User haben vor kurzem 20,- bzw. 25,- DM geschickt und nach der registrierten Vollversion gefragt.
Es geht nicht darum, ob es "alte, dutzendfach umgesetzte Spielideen" sind, sondern darum, daß, wenn das Spiel jemandem Spaß macht, er dem Programmierer das geben sollte, was er verdient.

AG: Der Amiga selbst steht ja nun am Scheideweg. Die Kritik wirft Amiga International unverantwortliche Untätigkeit vor. Was versprichst Du Dir persönlich von AI für die nahe Zukunft ? Kann die Tyschtschenko-Truppe das Steuer noch einmal herumreißen ?
CH: In den letzten drei (?) Jahren der Amiga-Odyssee habe ich aufgehört, irgendetwas von den Besitzern der Amiga-Technologie zu erwarten. Wer nichts erwartet, kann wenigstens nicht enttäuscht werden. Was ich allerdings immer noch hoffe, ist die Weiterentwicklung des AmigaOS, eine umfassendere Unterstützung von Developern und die Anerkennung des Amigas als echte Alternative zu den DOSen... Das Umsetzen des Amiga-Kernels in portables C halte ich für essentiell für das weitere Überleben des Amigas (Gruß an Optimizer!). Falls weiterhin bei AI so viel Personal gespart wird, sehe ich allerdings schwarz...
AG: Und was hälst Du von den "Third Party"-Entwicklungen wie den PPC-Boards von phase 5 und "p-OS" von proDAD ? Sind das Produkte, die Du Dir auch zulegen willst, oder die Du gar schon hast ? Ist der Streit zwischen phase 5 und Haage&Partner über die zu verwendende Systemsoftware berechtigt und sinnvoll ?
CH: Ich finde es äußerst enttäuschend, daß so sinnvolle und wichtige Entwicklungen wie PowerUP oder WarpUP dadurch nihiliert werden, daß irgendwelche Kinder meinen, sich profilieren zu müssen und sich nicht auf einen Standard einigen können. Was dabei noch viel schlimmer ist: sowohl die User als auch die Software-Entwickler werden gezwungen, sich für eines der Produkte zu entscheiden. Gerade in dieser für den Amiga schweren Zeit ist es wichtig, daß man zusammenhält und den Konsens der OS-Standards beibehält. Deswegen halte ich auch von p-OS überhaupt nichts. p-OS ist ein primitiver Versuch, sich vom alten AmigaOS zu lösen, ohne irgendwelche nennenswerten Vorteile oder Weiterentwicklungen zu bringen (zumindest kann ich mir das nicht vorstellen, wenn der Programmsource in den meisten Fällen einfach nur neu kompiliert werden muß!).

Trotz einer persönlichen Abneigung gegen phase5 (weshalb ich noch ein wenig Zeit verstreichen lassen werde, bevor ich meine CS060 auf PPC umrüste), halte ich sie doch für unverzichtbar als Signalgeber für Amiga-Entwicklungen.

AG: Seit Anfang 1997 bist Du auch im WWW vertreten - und machst dort u.a. Propaganda für die Ersetzung des GIF-Standards durch PNG. Glaubst Du wirklich, daß sich diese Neuorientierung tatsächlich durchsetzen kann, ohne daß Marktführer "Netscape" das PNG-Format intern unterstützt ?
CH: Die Zielgruppe meiner Homepage ist zu 80% Amiga-User. Alle Amiga-Browser unterstützen intern oder über Datatypes PNG. Wenn Programme wie Netscape trotz jahrelanger Ankündigungen PiNG nicht unterstützen (wollen), dann ist das nicht mein Problem. Der Erfolg von PiNG hängt ganz von Angebot und Nachfrage ab.
AG: Im Vergleich zwischen PNG und GIF weist Du vehement auf die Vorteile von PNG hin. Doch sind diese wirklich so erheblich ? Gerade Benutzer langsamerer Maschinen werden doch vielleicht die etwas größere Dateilänge von GIF-Grafiken hinnehmen, um so dem (zeit)aufwendigeren Entpackvorgang bei PNG zu entgehen. Und für größere Grafiken gibt's ja noch JPEG. Ist das nicht wieder einer der so beliebten "Underdog"-Kämpfe, wie man sie gegen Microsoft, Intel, "Netscape", etc. so gerne ausficht ?
CH: Für mich geht es nicht nur um die technischen Vorteile von PiNG. Wichtig ist mir, daß es ein Format ist, das keine Altlasten in sich trägt. Ich weiß nicht, ob Du den internen Aufbau von GIF-Bildern kennst, aber es ist ein einziges Flickwerk (ähnlich wie PCs!). PiNG ist ein ausgeklügeltes Format mit modernsten Kompressionsmethoden und Zukunftskompatibilität. Es ist der Versuch, etwas durchzusetzen, was besser ist. So gesehen hast Du mit dem Begriff "Underdog-Kampf" gar nicht so unrecht.

Was das Argument der längeren Dekomprimierungszeit anbelangt: die Bilder auf meiner Homepage sind nicht ausreichend groß genug, um signifikante Unterschiede festzustellen. Außerdem blockiert das Dekodieren im Hintergrund nicht das Ziehen der nächsten Grafiken, d.h. das Downloaden der GIF-Grafiken kostet immer noch mehr Zeit (und Bandbreite) als das Laden und Dekodieren von PiNG Bildern (wenn man nicht gerade eine 1Mbit Standleitung hat :) ). Und zu JPEG sage ich nur folgendes: Feind jeden Grafikers.

AG Obwohl Du bei PNG auf die kürzere Dateilänge als einen der entscheidenden Vorteile hinweist, sind Deine WWW-Seiten alles andere als netzkapazitätfreundlich gestaltet. Sind knallige Grafiken und Sounds wirklich nötig oder angesichts immer leistungsfähigerer Netze absolut akzeptabel ?
CH: Im Durchschnitt liegen die Dateilängen der Grafiken unter 3 KB. Und die Sache mit der Musik ist zugegebenermaßen wirklich nur Schnickschnack, doch selbst die Länge der Chiptunes liegt im Mittel bei nur 10 KB. Im Gegensatz zu manchen anderen Homepages sind die Grafiken zum Navigieren nicht obligatorisch - wer nicht die nötige Geduld aufbringen kann oder will, der kann ja auf die netten, bunten Bilder verzichten :)
AG: Auf Deiner "geheimen" WWW-Seite erklärst Du, woher Dein IRC-Nickname "Platon" kommt. Ist eine solche Seelenauskehr die Weiterführung der Talkshow mit virtuellen Mitteln ? Oder stimmt die Geschichte ohnehin nicht ?
CH: Blimey! Ich hätte nie gedacht, daß sonst noch irgendjemand die Seite findet. Mir war nicht klar, daß ich irgendwo erkläre, woher mein Nickname stammt.

[ Es heißt auf der geheimen Seite: "Es wird wohl immer bei einseitiger, platonischer Liebe bleiben! :-(" (an) ]

Tatsache ist, daß ich ein Philosophie- und Douglas Adams-Fan bin und auf der Speisekarte eines griechischen Restaurants in meinem Heimatdorf der 42. Menüpunkt der Platon-Teller ist.

Was die Texte auf meiner geheimen Seite anbelangt, so beschreiben sie alle ein Stück subjektiver Wahrheit (natürlich sind auch ein paar nicht ganz so ernst gemeinte Thesen dabei). Von einer Talkshow kann man nicht sprechen, weil eher ein innerer Monolog beschrieben wird - eine Form der Therapie, die ich nur weiterempfehlen kann :) Was unaussprechlich bleibt, sollte niedergeschrieben werden, auch wenn es niemand anderes je lesen wird.

AG: Zur Zeit leistest Du Deinen Zivildienst ab. Hast Du schon eine Idee, was Du danach machen wirst ?
CH: Chlor: Ich werde nächstes Jahr mit einem Informatikstudium an der TU-München beginnen. Und danach wahrscheinlich erstmal ein wenig arbeitslos sein. Wir werden sehen, was dann noch kommt - man muß in der Hinsicht flexibel bleiben.
AG: Da das "Gadget" auch immer eine "Politik"-Rubrik hat, sei eine politische Frage gestattet. Bist Du als Kriegsdienstverweigerer ein "Egoist" oder Drückeberger, wie es aus konservativen Kreisen ja ab und an verlautet ? Was hälst Du von der Forderung der Ersetzung der Wehrpflicht durch eine Pflicht zu einem sozialen Jahr ?
CH: Einen Zivildienstleistenden als Egoisten oder Drückeberger zu bezeichnen, ist geradezu grotesk. Den Wehrdienst könne man abschaffen, den Zivildienst nicht. Wenn Zivis Egoisten wären und nur an sich denken, müßte das doch möglich sein? Oder hängt da doch mehr an sozialem Engagement drin, als die sich meisten eingestehen lassen? Zivis sind Arbeitskräfte für die Drecksarbeit, die andere nicht machen wollen und bekommen einen Tageslohn, der für Aushilfsjobber der Stundenlohn ist. Soldaten machen/sind Schlammärsche [alte Rechtschreibung], aber produktiv leisten sie nichts (ok, ok, mal abgesehen von Kriseneinsätzen, bei dem sowieso nicht die WehrPFLICHTigen eingesetzt werden).

Die Ersetzung der Wehrpflicht durch ein Pflichtjahr kann ich nur halbherzig befürworten - lieber wäre mir da die Abschaffung des Wehrdienstes, besonders im Hinblick auf den Standort Deutschland (Stichwort: Eintritt in das Berufsleben). Nur wer macht dann die Drecksarbeit in den Krankenhäusern und Altenheimen?

AG: Bleibt Dir neben dem Computer-Hobby und dem Zivildienst eigentlich noch Zeit für (a)typische Freizeitbeschäftigungen ? Wenn ja - für welche ?
CH: Sozialen Ereignissen, wie z.B. Parties, Sessions und Kinogängen bin ich nicht abgeneigt, aber seitdem die meisten meiner Kumpels Zivildienst leisten, ist es nicht leicht geworden, einen Termin, der allen paßt, zu finden. Und ansonsten gibt es ja noch die Flimmerkiste; Babylon 5 und die X-Files sind meine Lieblingssendung, ansonsten kann ich "Quarks & Co." auf WDR und "hi-tec" auf 3sat nur weiterempfehlen. Und natürlich den Scheibenwischer.
AG: Was sagst Du als Freund von Elchen allgemein zum Elch-Test und seiner Wirkung auf die A-Klasse von Mercedes-Benz ? Hat sich der Konzern die Hörner abgestoßen ? Oder wird die öffentliche Meinung bald wieder zu Gunsten der Autobauer kippen ?
CH: Schonmal versucht, einen Elch umzuwerfen (oder wurde Deine Schwester schonmal von einem Elk gebissen?) ? Also ich glaube, bei der A-Klasse geht das problemloser. Und man kann wohl kaum von Hörnern sprechen, es sind eher ein paar Spitzen des Mercedessterns abgebrochen... Und was die Autobauer(n) betrifft: Ökologischer Anbau ist angesagt! Weg von Monokulturen und "extensive farming"! Und von Kippen halte ich gar nix: Rauchen schadet Deiner Gesundheit. Apropos Gesundheit: Ich hätte da noch ein paar unsichtbare, grüne Dreiecke anzubieten, natürlich stubenrein!
AG: Zum Abschluß noch die beiden traditionell unverzichtbaren "Gadget"-Interview-Fragen.

1. Kennst Du das "AmigaGadget" ? Und wenn ja, wie findest Du es ? Was kann man verbessern, was sollte man und was muß man ?

CH: Also bis vor 3 Stunden kannte ich das Gadget noch nicht - aber ich muß sagen, daß mir der freche und doch informative Inhalt sehr gut gefallen hat - das AmigaGadget kommt auf meine Subscribe-Liste :) Was man natürlich verbessern könnte, wäre der Reader - obwohl sich die meisten Leser wahrscheinlich schon zu sehr daran gewöhnt haben :)
AG: 2. Wer wird Deutscher Fußballmeister 1997/98 ?
CH: TSV 68060. Oder vielleicht doch Kickstart 4.0? Im Ernst, ich bin nicht so der Fan von Fußball! Mein Motto: Treib Sport oder du bleibst gesund!
AG: Vielen Dank für die Beantwortung dieser Fragen und alles Gute für die Zukunft !
CH: Das Vergnügen lag ganz auf meiner Seite! Auch Dir fröhliche Weihnachten! :)


[ Das Interview führte Andreas Neumann für das "AmigaGadget".]


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