Interview

Interview mit Markus Pöllmann

Mit dem "Virtual Interceptor" schuf Markus Pöllmann 1995 ein Spiel, das durch seine rasante 3D-Grafik aus der Masse der Sharewarespiele herausragte. Daß er danach seine Fähigkeiten konsequent weiterentwickelt hat, zeigte sich im Sommer diesen Jahres, als das von ihm programmierte Autorennspiel "Flyin' High" (Rezension in "AmigaGadget"#31) in grafischer Hinsicht auf dem Amiga-Spielesektor neue Maßstäbe setzte. Dies wurde auch vom Konsumenten honoriert - "Flyin' High" schoß blitzschnell an die Spitze der Verkaufscharts und verkauft sich auch ein halbes Jahr später noch in beachtlichen Stückzahlen. Zur Zeit arbeitet Markus an einem weiteren potentiellen Spielehit mit - das für 1998 angekündigte "Phönix" schickt sich ersten Screenshots zufolge an, dem Bereich der Weltraumspiele neue Dimensionen zu erschließen.


AG: Seitdem "Flyin' High" die Verkaufscharts im Sturm genommen hat, zählst Du zur "Elite" unter den Amiga-Programmierern. Empfindest Du angesichts des großen Erfolges des Spiels auch persönlichen Stolz ? Oder sind Dir die damit einhergehenden öffentlichen "Verpflichtungen", wie gerade auch Interviews, eher lästig ?
MP: Daß ich jetzt zur Elite zähle, muß an mir vorbeigegangen sein. "Stolz" würde ich nicht sagen. Es war anstrengend, hat mich gelegentlich den letzten Nerv gekostet, oft war aber auch viel Spaß dabei. Es ist einfach ein gutes Gefühl, wenn am Ende alles funktioniert.
Interviews sind für mich eine neue Erfahrung und sehr interessant.
AG: "Flyin' High" ist ja ein nicht nur etwas ungewöhnlicher Name für ein Autorennspiel. Steckt da mehr dahinter als die verklausulierte Hoffnung auf ein Spiel, das nach dem Wunsch seiner Macher in den Olymp der Daddel-Klassiker katapultiert werden solle ?
MP: Der Titel bezieht sich auf den gelegentlich abhebenden Buggy. Er stammt auch nicht von mir, sondern von Igor.
AG: Selten wurde ein Spiel von der Kritik so unterschiedlich bewertet wie "Flyin' High". Die einen ("Amiga Special") attestierten ihm einen Spielspass von 100%, die anderen schimpften über ein "eindrucksvolles Grafikdemo, das so gerne ein Spiel sein wollte, es aber nicht geschafft hat". Hattest Du mit derart kontroversen Reaktionen gerechnet ?
MP: Nein, es war aber sehr lehrreich. Als naiver Anfänger habe ich immer gedacht, man könnte es allen recht machen.
AG: Die Kritik entzündete sich hauptsächlich an der Steuerung, die von vielen als zu kompliziert und schwergängig empfunden wurde. Daß "Flyin' High" in dieser Hinsicht Nachbesserungsbedarf besaß, war jedoch schon seit der Veröffentlichung einer spielbaren Demoversion bekannt. Wieso wurde dann bei der Fertigstellung des Spiels nicht mehr Sorgfalt auf die endgültige Behebung dieser scheinbaren Schwachstelle aufgewandt ? Ärgerst Du Dich im nachhinein darüber, daß diese Kleinigkeit doch in fast jeder Rezension zu einer Minderung der Bewertung führte ? Ist mit dem jetzt erschienenen Patch das Problem endgültig beseitigt ?
MP: Was die Steuerung angeht, hat niemals jemand gesagt, *was* schlecht ist, sonder nur *daß* sie schlecht ist. Nachdem endlich mal jemand konkret geworden ist, war alles kein Problem mehr.
Daß diese Kleinigkeit zur Minderung der Bewertungen geführt hat, hat mich schon geärgert. Da die Kritik aber berechtigt war, habe ich keine Probleme damit.
Der jetzt erschienene Patch verbessert die Steuerung erheblich. 95% sind nun sehr zufrieden, 5% hat das alte Handling besser gefallen.
AG: Weniger kritische Aufmerksamkeit fanden die Computergegner, deren mangelnde Intelligenz sich jedoch auch als den Spielspaß hemmend erwies. Hast Du auch insoweit mit dem Patch nachgebessert ?
MP: Intelligenter sind sie nicht geworden, aber je nach Schwierigkeitsgrad leichter zu besiegen.
Dummerweise habe ich den ganzen Renn-Part in Assembler geschrieben, was programmierte "Intelligenz" sehr aufwendig und damit auch fehleranfällig macht.
AG: Findest Du die zumeist undifferenziert gegen "den/die Programmierer" gerichtete Kritik angesichts der Tatsache, daß gerade das Gameplay ja auch von anderen (dem Projektleiter, den Betatestern, etc.) verantwortet wird, ungerecht ? Oder berührt Dich das nicht weiter ?
MP: Exactly, es ist mir egal. Für berechtigte und begründete Einwände habe ich immer ein offenes Ohr. Ob ich die Mängel dann abstellen kann, steht auf einem anderen Blatt.
AG: Glaubst Du, daß es eine glückliche Entscheidung des "Amiga-Magazin"s war, APC&TCP-Chef Andreas Magerl, der "Flyin' High" in Deutschland vertreibt, den Testbericht schreiben zu lassen ? Kannst Du da diejenigen verstehen, die Vitamin B auch andernorts wirken zu sehen glaubten ?
MP: Ganz klar, das hätte ich auch so gesehen. Wenn ich mich recht entsinne, gab's aber im "Amiga-Magazin" zuvor schon einen Testbericht, der nicht vom Andreas war.
AG: Just ist eine Datendisk zum Spiel erschienen - die für immerhin dreißig Mark gerade mal zwei neue Welten auf zwei DD-Disks enthält. Hälst Du das für ein faires Preis-Leistungsverhältnis ? Sind eventuell noch weitere Datendisks in Planung ?
MP: Auf die Preise habe ich keinen Einfluß. Die 30 Mark für die Datendisks halte ich angesichts des Aufwands für berechtigt.
"Flyin' High" selbst hätte ich aber nicht über 50 Mark kosten lassen.
Weitere Datendisks sind meines Wissens nicht in Planung.
AG: "Flyin' High" gehört zu den wenigen Spielen, die sich bewunderswert sauber in die Multitasking-Umgebung des Amigas einfügen. Zur Grafikanzeige verwendet es schließlich sogar Datatypes. Warum ist Dir systemkonforme Programmierung so wichtig ? Fürchtest Du nicht, dadurch auf Möglichkeiten der Leistungssteigerung zu verzichten ?
MP: Das Amiga-OS ist traumhaft effizient. Da mache ich mir keine Sorgen. Das einzige was mich stört, ist die Tatsache, daß "Flyin' High" wegen möglichen Bugs in den Datatypes abstürzen kann - vor allem weil "Flyin' High" diese exzessiver nutzt als die meisten anderen Programme. Und wenn der Rechner dann abstürzt, ist natürlich wer schuld? "Flyin' High"!
AG: Die "Amiga Special" äußerte Befürchtungen hinsichtlich der Hardwarevoraussetzungen, die "Flyin' High" stellt. Diese waren angesichts der Verkaufszahlen offensichtlich unbegründet. Wäre es da nicht konsequent, die Anforderungen noch höher zu schrauben und eine Grafikkarte zumindest zu unterstützen, wenn nicht gar vorauszusetzen ? Droht dem Amiga letzten Endes nicht auch das "Microsoft-Syndrom" - werden die Spiele und Anwendungen der Zukunft zwangsläufig sehr hardwareintensive Anforderungen stellen müssen, um den gehobenen Ansprüchen der Anwender Rechnung tragen zu können ?
MP: Die Hardware-Anforderungen werden sicher steigen. Grafikkarten möchte ich ab jetzt auch immer unterstützen, allerdings nie voraussetzen. Der nächste wichtige Schritt ist der konsequente Wechsel zum PowerPC. Diese Leistung wird lange vorhalten.
AG: Schon Dein Sharewarespiel "Virtual Interceptor" wußte durch schnelle Grafik und Vektorobjekte zu begeistern. Was fasziniert Dich so sehr an der Entwicklung leistungsfähiger Grafik-Engines ?
MP: Einfach der Spaß am Bewegen in virtuellen Welten und das Schaffen von solchen.
AG: Hälst Du die Programmierung von Action-Spiele grundsätzlich für schwerer als etwa die von Adventures oder Stragie-Spielen ? Oder ist das schlichtweg etwas ganz anderes ?
MP: Die Schwierigkeiten konzentrieren sich halt in anderen Bereichen. Action-Spiele müssen hoch optimiert sein, um einen schnellen Spielfluß zu gewährleisten. Bei Adventures spielt das selten eine Rolle.
AG: Zur Zeit arbeitest Du an "Phönix". Wie ist der Stand der Entwicklung, wann kann man mit einer spielbaren Demoversion, wann gar mit dem fertigen Endprodukt rechnen ?
MP: Wir machen Fortschritte - allerdings sehr langsam. Demo im Dezember, fertiges Spiel im Juni '98.
AG: Bei "Phönix" bist Du, anders als bei "Flyin' High", in ein Team von Programmierern eingebunden. Wieviele seid Ihr insgesamt und wo siehst Du die Vor- und Nachteile einer solchen Arbeitsteilung ?
MP: Das Programmierer-Team besteht aus Jyrki Saarinen, Tim Boescke und mir.
Vorteil: viele gute Ideen, enormes kreatives Potential.
Nachteil: es gibt immer eine bessere Lösung -> kaum Fortschritt.
AG: Ein weiteres Projekt, an dem Du schon seit einiger Zeit arbeitest, ist der "Magnetic Pages"-Nachfolger für das APC&TCP-Magazin "NoCover". Kannst Du uns etwas über das Konzept verraten ? Wird es eher ein Anzeigeprogramm werden, das ein festes Layout voraussetzt (wie z.B. "Magnetic Pages", "Look" oder auch "GaMa") oder eher eins, dessen Aussehen zum Teil vom Anwender mitbestimmt werden kann (wie ein HTML-Browser) ? Und wann wird es ungefähr fertig sein - oder ist die Entwicklung zugunsten von "Phönix" vorübergehend auf Eis gelegt ?
MP: Puh, das ist ja uralt. Es ist vergleichbar mit MagneticPages, hat nur etwas mehr Möglichkeiten. Der Benutzer kann kaum etwas einstellen. Dieses Projekt war mein Einstieg in C bzw. C++ und ist eigentlich schon lange fertig. Dummerweise will der Anzeiger noch nicht unter OS2.0.
AG: Was für Programme hast Du sonst noch so geschrieben, bzw. entwickelst Du zur Zeit ?
MP: In Köln habe ich von AI den Auftrag bekommen, die neue Händler-Demo zu machen. Sie haben mir sogar zwei Wochen Zeit gegeben. :-)
AG: Welche Programmiersprache bevorzugst Du ? Und warum ?
MP: C++ und Assembler für die Härtefälle. Warum? Ich habe nie was anderes gelernt.
AG: Du studierst ja Informatik an der TU München - ist das für einen Amiga-Programmierer überhaupt möglich oder muß man sich früher oder später (auch) einen PC anschaffen ?
MP: Kein Problem. Alles was man braucht gibt's auch für den Amiga. Außerdem werden hier den Studenten über 200 HP-Rechner zur Verfügung gestellt.
AG: Im "Fun Time"-Interview hast Du den Lesern mit auf den Weg gegeben, daß sie "dem Amiga treu bleiben und nicht in die Welt des 0/8/15-Sumpfes abwandern" sollten. Ist das "Anderssein" wirklich das einzige Argument, das heute noch für den Amiga spricht ? Und wäre das nicht etwas wenig ?
MP: Der Amigianer als "Rebell" ist schon ein Grund.
Außerdem liebe ich das Amiga-OS. Es schaut gut aus, ist leicht zu bedienen und zu programmieren. Es ist sehr schlank und effizient.
AG: Du gilst als bekennender "pOS"-Befürworter. Worin liegen für Dich die Vorteile dieses alternativen Betriebssystems ?
MP: Noch effizienter und noch leichter zu programmieren. Viele gute, neue Ansätze aus dem Amiga-OS wurden hier kosequent durchgezogen. Das Wichtigste für die Zukunft: es ist hardwareunabhängig.
AG: Hat Amiga International einen schweren Fehler begangen, als man von "pOS" abriet und den "Führungsanspruch" des "AmigaOS" bekräftigte ? Oder hat man damit eine weitere Segmentierung des Amiga-Marktes verhindert, die letztlich den Abstieg in die Bedeutungslosigkeit nur noch verstärkt hätte ?
MP: Sie haben einen Fehler gemacht. Mir kann keiner erzählen, daß die das Amiga-OS in ausreichend kurzer Zeit auf PowerPC umstellen können. Eine weitere Segmentierung des Amiga-Markts hätte sich dadurch verhindern lassen, daß sie p.OS als offiziellen Nachfolger gekürt hätten.
AG: Du kommst ja gerade von der "Computer '97" in Köln - wie sind Deine Eindrücke von der Messe ? War sie ein Erfolg ? Was hälst Du von den vorgestellten Produkten und den Neuigkeiten ? Was waren die positiven Überraschungen der Messe, was die Enttäuschungen ?
MP: Was ich so gesehen habe, war sie ein Erfolg. Leider bin ich nicht viel rumgekommen. Außer zu der Tatsache, daß die PowerPC-Boards ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung sind, habe ich mir noch keine Meinung zu den einzelnen Produkten gebildet.
AG: Zum Abschluß noch ein paar Fragen zur Person - wie alt bist Du und was hoffst Du, einmal beruflich tun zu können ?
MP: Ich bin jetzt 24. Nach dem Studium möchte ich erstmal für drei bis vier Jahre was ganz anderes machen, in einem anderen Land.
Ich habe es aber aufgegeben, mehr als zwei Tage in die Zukunft zu planen.
AG: Bleibt Dir neben dem Studium und der Arbeit am Computer überhaupt noch Freizeit ? Und wofür nutzt Du diese, so es sie denn gibt ? Kannst Du irgendwelche Musik empfehlen ? Oder liest Du bestimmte Bücher besonders gerne ? Ist bayerisches Bier wirklich besser als der Rest ?
MP: Ich nehme mir die Zeit für Freizeit. Ich will ja nicht mit 30 ein Krüppel sein. In meiner Freizeit gehe ich tanzen und mache den süddeutschen Luftraum unsicher.
Bryan Adams macht super Musik und Ken Follett schreibt tolle Bücher.
Ob das bayrische Bier besser ist, weiß ich nicht. Ich trinke kein Bier. Allerdings ist Spezi besser als Diesel und Cola-Mix.
AG: Last and least die beiden überflüssigsten Fragen des Interviews:

1. Kennst Du das "Amiga Gadget" ? Und, wenn ja, wie findest Du es ?

MP: Kenn ich, habe ich aber schon ewig nicht mehr gelesen.
AG: 2. Wer wird in der Bundesliga-Saison 1997/98 Deutscher Meister ?
MP: Fußball ist mir sowas von Wurscht.
AG: Vielen Dank für das Interview, alles Gute und weiterhin viel Erfolg für die Zukunft !
MP: Danke. Servus.


[ Das Interview führte Andreas Neumann für das "AmigaGadget".]


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