lstyle

Arena: Welcome To The Stage

Plattenlabel : Verglas Music
Genre : Progressiv-Rock
Spieldauer : 73:28 min
Preis : ca. 30 DM

Manche Rockgruppen beglücken ihren Fans nur alle Jahrzehnte mit neuen Alben - "Pink Floyd" oder die "Rolling Stones" (in den Neunzigern) zum Beispiel. Andere (zumeist solche mit Musikern jüngeren Alters) sind da fleißiger - so auch die Progressiv-Rockband "Arena", die in den zwei Jahren ihrer Existenz bereits zwei richtige und eine Mini-CD auf den Markt gebracht und ihr neuestes Album, "The Visitor", bereits für dieses Frühjahr angekündigt hat. Doch natürlich muß man nicht einmal so lange, respektive kurz, warten. Mit der in hinreichend wortgewitzter Abwandlung eines Songtitels von ihrem Album "Pride" benannten CD "Welcome To The Stage" haben die Briten das beste aus zwei Auftritten im kanadischen Quebec, wo sie im Mai 1997 im Rahmen ihrer "Welcome To The Cage"-Tournee gastierten, auf Silberscheibe gebannt. Diese erste wirkliche Tour der Band war live ein beeindruckendes Erlebnis (vgl. den Konzertbericht im "AmigaGadget"#30), so daß sich eigentlich nur die Frage stellt, ob genug von dieser Atmosphäre auch auf die CD hinüber gerettet werden konnte.

Die CD beginnt, wie die "Arena"-Konzerte selbst, mit der schmissigen Overtüre von Rossinis Oper "Wilhelm Tell". Das Orchester vom Band heizt dem munter mitklatschenden und -pfeifenden Publikum ein und liefert gleichzeitig das standesgemäße Vorspiel zum eigentlichen "Arena"-Auftritt. Der folgt dann unvermittelt und gewaltig mit "Valley Of The Kings". Und schon hier fällt positiv die gute Tonqualität auf - sämtliche Instrumente klingen sehr sauber und klar und auch die Stimme von Sänger Paul Wrightson ertönt erfreulich akzentuiert und scharf konturiert. Lediglich Mick Pointers Schlagzeug wirkt noch etwas zu dominant, was sich aber im weiteren Verlaufe des auf CD festgehaltenen Konzertes schnell legt, so daß auch hier kein wirklicher Grund zur Kritik besteht. Doch natürlich gibt es auf Live-Alben noch eine Unbekannte, deren Integrierung in den Klang des Albums nicht immer gelingt - das Publikum. Aber bei "Welcome To The Stage" hat man auch hier überzeugende Arbeit geleistet. Während der Stücke selbst ist fast nichts von den Fans zu hören (was in Erinnerung an die bombastische Stimmung während des Wetzlarer Konzertes wohl nur durch eine geschickte Tonabnahme der einzelnen Instrumente zu erreichen war), der Applaus nach den einzelnen Songs vermittelt hingegen Live-Atmosphäre.

Doch damit nicht genug der (scheinbaren) Authenzität. Obwohl die CD aus einem Zusammenschnitt von zwei Konzertabenden besteht, ist davon nichts zu hören. John Mitchell, der "Welcome To The Stage" produziert und abgemischt hat, hat hier ganze Arbeit geleistet - man hat den Eindruck, ein einziges Konzert ohne Unterbrechungen zu hören. Lediglich die Kommunikation zwischen Band und Publikum kommt etwas zu kurz. So ist außer einer kurzen "Willkommen"s-Ansage vor "Welcome To The Cage" kein Wort von Frontmann Wrightson zu hören. Und auch auf eine Vorstellung der Bandmitglieder, sonst eigentlich unverzichtbarer Bestandteil jeder Live-Darbietung, wartet man vergebens. Diejenigen, die ein "Arena"-Konzert selbst miterlebt haben, wissen zudem, daß die Band (noch ?) nicht zu den Gruppen gehört, die ihre Stücke auf der Bühne variieren oder gar um Improvisationen erweitern. Und so erklingen auch die insgesamt neun "Arena"-Songs auf der CD weitgehend in der Form, wie man sie von den drei Studio-Alben her kennt. Dank der Synthesizer von Clive Nolan, der im übrigen erst jüngst von den Lesern eines Progressiv-Rock-Magazins zum besten Keyboard-Spieler des Jahres 1997 gewählt wurde, beinhaltet das auch ausgefeilte Soundeffekte, wie z.B. den altertümlichen Chorgesang in "Valley Of The Kings" und "Sirens". Doch bei aller Präzision besitzt die Musik von "Welcome To The Stage" das, was einen live dargebotenen Song von einer klinisch reinen Studioproduktion unterscheidet. Wrightsons Stimme klingt lebendiger und authentischer, der Baß von John Jowitt wummert eine Nuance treibender und Mick Pointer liefert dazu auf seinem Schlagzeug ein furioses Feuerwerk der Drummer-Kunst.

Eine besondere Schwierigkeit bei Live-Alben besteht immer auch in der Auswahl des Materials - über die Selektion, die schon bei der Zusammenstellung der überhaupt auf der Bühne zu spielenden Titel erforderlich ist hinaus. Doch da die Diskographie der Briten noch verhältnismäßig übersichtlich ist, war hier keine schermzhafte Auslassung zu befürchten. Schon in den Konzerten konnten sie beinahe jedes Stück ihrer CDs spielen und auch auf die CD haben so die meisten Eingang gefunden - von den treibenden Rocksongs "Out Of The Wilderness", "The Healer", "Welcome To The Cage" und dem besonders partytauglichen "Jericho" über die kommerzieller angehauchte Ballade "Medusa" bis hin zu den brillianten symphonieartigen Prog-Rock-Stücken "Sirens" und "Solomon" mit jeweils über 13 Minuten Spieldauer. Die ebenfalls live gespielten Stücke "Crying For Help IV", "Empire Of A Thousand Days" und das exzellente "Fool's Gold" hätten den Rahmen der mit über 70 Minuten Musik ohnehin bereits erfreulich ausführlich geratenen Silberscheide gesprengt und sind nur auf einer Extra-CD namens "Welcome Back To The Stage" über dem Fanclub "The Cage" erhältlich. Ganz weggelassen wurden das während der Tournee auch gespielte Instrumental "Isolation" und (wohl zum Bedauern vieler Progressiv-Rock-Fans) der fast zwanzig Minuten lange "Marillion"-Klassiker "Grendel", den "Arena" während der "Welcome To The Cage"-Tour zum krönenden Abschluß darboten. Dennoch ist die Mischung, die Eingang auf die Live-CD gefunden hat, als sehr gelungen zu bezeichnen. Von der ersten bis zur letzten Minute wird man von der Musik mitgerissen und fühlt sich angesichts der hohen Livequalität der Stücke regelrecht in den Konzertsaal versetzt.

Bleibt für die endgültige Bewertung der CD noch das Booklet, das bei den bisherigen "Arena"-Alben nie Anlaß zur Kritik gab. Und auch bei "Welcome To The Cage" ließ man sich nicht lumpen und spendierte dem CD-Käufer ein (Vor- und Rückseite mit eingerechnet) zwanzigseitiges Begleitheftchen. Das Titelbild ist dabei eher schlicht und zeigt ein Photo von der in Kunstnebel eingehüllten, noch leeren Bühne vor oder nach einem "Arena"-Auftritt. Und auch textlich hat man sich bei Verglas Music, der Plattenfirma "Arena"s, eher zurückgehalten - statt der Songtexte oder Erlebnisberichten der Bandmitglieder, wie sie bei Live-Alben manch anderer Band durchaus üblich sind, gibt es hier nur ein kurzes (aber dafür dank geschickter Wahl des Zeichensatzes und der Vorder- und Hintergrundfarbe problemlos lesbares) Gruß- und Dankeswort. Statt dessen vertraute man auf die Macht der Bilder und pflasterte den Rest des Booklets (mit Ausnahme einer Auflistung sämtlicher Stationen der Tour) mit Photos der Band "on the road". Dabei existiert für jeden der fünf Musiker eine Doppelseite, in der ihn vor allem Bilder in typischen Situationen zeigen (z.B. Clive Nolan mit seinen Katzen, Paul Writghson in den diversen Bühnenverkleidungen und Scherzkeks und Stimmungskanone John Jowitt mit Lockenwicklern, rosa Nachthemd und drei Dosen Bier). Doch natürlich findet sich dort auch eine Auflistung der verwendeten Ausrüstung, welche bei jedem mit einem kleinen Gag abgeschlossen wird (z.B. werden bei Mick Pointer die berühmten "Adidas Shower Shoes" und beim stets wie geleckt aussehenden Gitarristen John Mitchell "Nicky Clarke's Salon Shampoo & Conditioner" genannt). Zu diesen individuellen Doppelseiten kommen noch zahlreiche allgemeine Photos, die die Atmosphäre während der Tournee recht gut illustrieren, und Porträts der technischen Crew, also derjenigen, die im Hintergrund dafür sorgten, daß die Konzerte glatt im wahrsten Sinne des Wortes von der Bühne gehen konnten (besonders beeindruckend: das Photo des diabolisch grinsenden Merchandise-Chefs Matt "Dr. Love" Goodluck...). Insgesamt unterstreicht das Booklet den guten Gesamteindruck eines Live-Albums, bei dem man viel Wert auf Authenzität und Liebe zum Detail gelegt hat. Lediglich ein kleiner Schönheitsfehler bleibt zu verzeichnen - unter der "Tracklist" stehen als Urheber aller Songs Nolan und Pointer (sowie für "The Healer" auch John Jowitt). Rossini wäre wohl "not amused".

Es gibt viele mittelmäßige und letztlich überflüssige Live-Alben. Und man kann sich trefflich darüber streiten, ob es grundsätzlich Sinn macht, nach nur zwei richtigen Studio-Alben und einer Mini-CD bereits einen offiziellen Konzertmitschnitt auf den Markt zu werfen. Bei "Welcome To The Stage" fällt die Antwort leicht - es hat Sinn gemacht. Indem im Gegensatz zu "Songs From The Lions Cage" und "Pride" hier die "Crying For Help"-Intermezzos fehlen, erlebt man die Kraft der "Arena"-Songs so konzentriert wie nie zuvor. "Arena"-Fans ist das Album schon aufgrund der hohen Qualität, der (trotz des Fehlens etwa der meisten Songansagen) gut vermittelten Erinnerung an die Live-Atmosphäre und der liebevollen Aufmachung zu empfehlen. Doch es ist darüber hinaus auch für andere Freunde progressiver oder auch nur konventioneller Rockmusik interessant, ermöglicht es doch einen weitgehend umfassenden Einblick in das bisherige Werk dieser brillianten Rockband, auf deren nächste Tour man sich schon jetzt freuen darf.

(c) by Andreas Neumann


Zurück