Sie ist das Mekka der Computerbranche. Jährlich strömen hunderttausende Besucher innerhalb von nur einer Woche in ihre über zwanzig Hallen mit Neuigkeiten und Sensationen aus der Welt der Informationstechnologie. Jedes Unternehmen, das "im Business" Rang und Namen hat, ist auf ihr vertreten. Folgerichtig handelt es sich um eine amigafreie Zone. Und dennoch liess ich es mir in diesem Jahr nicht nehmen, mich noch einmal dorthin zu begeben - zur größten Computermesse der Welt, der CeBIT in Hannover, die 1998 vom 19. bis 25. März zelebriert wurde. Dabei war ich durch die schlechte Erfahrung, die ich vor zwei Jahren mit dieser sämtliche menschliche Aufnahmefähigkeit sprengenden Veranstaltung gemacht hatte (vgl. Messenachlese in "AmigaGadget"#24) eigentlich nicht dergestalt geprägt, dass Grund für überbordende Vorfreude bestand. Aber immerhin war ich etwas besser vorbereitet und gewillt, mich nicht mehr vom Chaos der Messe forttragen zu lassen. Mit Hilfe der "c't" und vor allem des Internet stellte ich mir eine etwa zwanzig Punkte fassende Liste potentiell interessanter Messeanlaufpunkte zusammen. Ärgerlich nur die Preispolitik der Messeveranstalter. Da man nach wie vor alles versuchte, den Pöbel des normalsterblichen Fußvolkes aus den heiligen Hallen der Profi-Messe hin in die zu diesem Behufe eigens erfundene "CeBIT Home" abzudrängen, hieß es zunächst, es gäbe ausschließlich Karten zum Einheitspreis von stolzen 50 DM. Demzufolge ließ ich mich in meiner Terminplanung nicht von irgendwelchen "Studententagen" oder ähnlichem leiten - um nach Zusendung weitergehenden CeBIT-Infomateriales eine Woche vor Messebeginn (und damit zu spät) auf einem offenkundig kurzfristig hinzugefügten gesonderten Zettel lesen zu müssen, dass es doch auch 1998 wieder (auf 20 DM) verbilligte Eintrittskarten für Studenten und ähnliches Gesocks geben werde. Allerdings nur am Messesonntag und -mittwoch (dem letzten Messetag). Natürlich hatte ich mich schon auf Freitag als Besuchstag festgelegt und dementsprechend meine Mitfahrgelegenheit organisiert. Das fing ja heiter an.
Und es ging auch heiter weiter. Nach dem obligatorisch viel zu frühen Verlassen des Bettes mit anschließender Nahrungsaufnahme lief zunächst einmal alles nach Plan. Die Straßen waren frei, das Auto meiner Mitfahrgelegenheit lief blendend - bis kurz nach Kassel. Dort hieß es dann dank einer Massenkarambolage (ohne Tote) achtzig Minuten im Schrittempo voranschleichen. Und so wurde es kurz nach elf, bis wir, alarmiert durch panische Staumeldungen in sämtlichen innerhalb Niedersachsens ausgestrahlten Radiosendern, in denen wahre Horrorgeschichten über das Verkehrschaos rund um das Messegelände erzählt wurden, den Park-and-Ride-Parkplatz bei Hildesheim ansteuerten. Mittels eines von bestimmt mehreren Dutzend bereit stehender Shuttlebusse ging es dann noch eine Viertelstunde - aber relativ problemlos - bis direkt vor den Eingang der Halle 13 der Hannoveraner Messe weiter. Jetzt hieß es erstmal, tief in die Tasche zu greifen, um den stolzen Eintrittspreis zu entrichten. Und dabei erwies sich die Eintrittskarte diesmal als weitaus kleiner als noch vor zwei Jahren. Wie nennt man das noch gleich, wenn es weniger Leistung für mehr Geld gibt ? Nein, Fielmann war's nicht. Oder ?
Jedenfalls mußte ich dann meine frisch erworbene Karte auch gleich schon wieder mit Klauen und Zähnen verteidigen. Zwei Dreikäsehoche (oder waren es gar drei Zweikäsehoche ?) steuerten auf mich zu und wollten wissen, ob ich meine Karte noch brauchte. Sehr witzig. Ich mag zwar wie ein Gehirnamputierter aussehen, bin es aber noch lange nicht. Erst nach der Operation im August. Um eine kurze Geschichte kurz zu machen: ich ließ mich - nach längerem Nachdenken - nicht ablenken und betrat das Innere der Messe, das temporäre Heiligtum der elektronischen Datenverarbeitung. Dabei ging es gleich gut los, handelte es sich bei Halle 13 doch um eine der "Informationstechnik"-Hallen. Zu deutsch: hier tummelten sich vor allem auch Computerhersteller aus aller Welt. Ganz vorne stand dabei der Stand der Chip-Schmiede Intel. Neben diversen Rechnerplätzen, auf denen hochleistungsfähige Software (Modewort: Multimedia) die Hochleistungstechnik der Mikroprozessoren demonstrieren sollte, gab es hier vor allem die aus der Intel-Fernsehwerbung bekannten "Techniker" in ihren bunt schillernden, "keimfreien", Freude-durch-Arbeit-symbolisierenden "Schutzanzügen" zu sehen. Höhepunkt des ganzen war die Möglichkeit, sich Arm in Arm mit einem der wie BSE-befallen herumzuckenden MMX-Wonneproppen fotografieren zu lassen. Frei nach dem Motto: Wir gehören zur Familie. Womit einmal mehr bewiesen wäre, dass es kaum etwas peinlicheres gibt als Verwandte (vermutlich weil man in ihnen die eigene Peinlichkeit erkennt - aber immerhin sprang _ich_ nicht in einem solchen albernen Aufzug herum. Ich trug vielmehr ein Amiga-T-Shirt...). U.a. war die Halle 13 aber auch Standpunkt einer der auf meiner Liste eingetragenen Firmen - Apple. Wie es sich für einen Computerpionier mit einem nach wie vor elitären Image gehört, war Apple nicht nur vor Ort sondern inszenierte seine Messeanwesenheit regelrecht. Der (im wahrsten Sinne des Wortes) standesgemäß "Apple Power Park" genannte Stand glich mehr einem Tempel, abgegrenzt vom Rest der Computerwelt durch Sichtschutzwände, von denen Größen der Zeitgeschichte herabblickten. Respektive Fotos von diesen. Dabei hatte Apple selbst nicht allzu viel zu zeigen - das Gros der Standfläche nahmen Unteraussteller ein. Und gleich der erste kam mir irgendwie bekannt vor: Maxon, vor langer Zeit mal einer der Aktivposten am Amiga-Softwaremarkt und seitdem sich der sanfte Schlaf des Amigas zum Koma ausgewachsen hatte insbesondere mit ihrer Raytracing-Software "Cinema 4D" auf anderen Rechner-Plattformen (wie eben dem Mac, aber auch Wintel) aktiv - und erfolgreich. Natürlich nahm ich die Gelegenheit war, mit dem Standmitarbeiter ein paar Worte bezüglich der weiteren Firmenpolitik betreffend die "Freundin" zu wechseln. Und der Mensch erweis sich - nach meinen Erfahrungen von der vorletzten CeBIT völlig überraschend - als äußerst kompetent (wenngleich er ausdrücklich darauf hinwies, selbst kein Programmierer zu sein) und gesprächsbereit. Die Entwicklung für Amiga sei auf Eis gelegt worden. Daran änderten auch die PowerUp-Karten von phase 5 nichts. Man habe sich diese mal genauer angesehen, den Programmierern zufolge wären sie jedoch nicht sinnvoll zur Leistungssteigerung der Raytracing-Engine einsetzbar. Lediglich beeindruckende Benchmarks wären mit ihnen zu erzielen gewesen. Mit "Cinema 4D" sei man hingegen inzwischen in Bereiche vorgedrungen, für die man schlichtweg erhebliche Rechenpower benötige. Ganz davon abgesehen gebe der Amiga-Markt einfach nicht mehr genug her. Die Rechnung, dass Firmen Produkte entwickeln, um sie zu verkaufen und damit Gewinn zu machen, gelte auch für den Amiga. Aus diesem Grund konzentriere man sich auf die Wintel- und die MacOS-Version von "Cinema 4D", die inzwischen eines der beiden am weitesten verbreiteten Raytracing-Programm darstelle. Da die internen Routinen von "Cinema 4D" sehr systemunabhängig gehalten seien, stelle eine Portierung keinen allzu großen Aufwand dar. Man fasse derzeit vor allem eine "Cinema 4D"-Version für Sun Workstations ins Auge. Und auch die Firma Be sei stark an einer Umsetzung interessiert - was man ebenfalls aufgeschlossen zur Kenntnis genommen habe. Der Amiga aber sei derzeit einfach nicht interessant genug. Trotz dieses wenig ermunternden Fazits verbuchte ich das intensive Gespräch mit dem Maxon-Mitarbeiter als positive Messeerfahrung.
Derart motiviert trottete ich weiter durch die Reihen der Apple-Unteraussteller. Und beging prompt einen dummen Fehler - wenn man über ein Produkt lästert, sollte man dafür sorgen, dass niemand in Hörreichweite ist, der an dessen Wohlergehen interessiert ist. So geschehen am Stand von Insignia Solutions, einer Firma, die mit "SoftWindows 95" einen rein softwareseitigen "Windows'95"-Emulator für MacOS anbietet, welcher in durchaus beeindruckender Weise dem Mac die Welt des aktuellen Microsoft-Consumer-Betriebssystems eröffnet. Als ich mich dem Stand näherte lief dort eine Animation, der Vorspann des Girlie-Action-Reißers "Tomb Raider", ab - was ja nicht sonderlich mehr ist als ein Datentransfer von der Festplatte in den Grafikspeicher und zur Demonstration der Leitungsfähigkeit eines Emulators doch eher ungeeignet. Dummerweise hörte einer der Insiginia Solutions-Standmitarbeiter meinen dementsprechenden gehässigen Kommentar und trat den Beweis seiner Unbegründetheit an. Und tatsächlich lief auch das Spiel selbst in gutem (wenngleich auch nicht schwindelerregend schnellem) Tempo ab. Spielbar war es allemal - und bei "Tomb Raider" handelt es sich wohlgemerkt um ein sehr 3D-grafikintensives Spiel. Als ich dann jedoch zu erkunden versuchte, ob "SoftWindows" nur auf PowerMacs laufe, muß ich den guten Menschen wohl etwas verwirrt haben (vermutlich kann man sich im Mac-Markt gar nicht mehr an die Vor-PowerPC-Zeit erinnern). Spätestens nachdem ich ihm auf seine Frage, was für einen Mac ich denn zu Hause habe, antwortete, daß dieser nur als Emulation (über den "Shapeshifter") laufe, war er gänzlich aus dem Konzept und zwinkerte nervös mit den Augen. Schnell wünschte ich ihm und seinem ebenfalls hellhörig gewordenen Kollegen noch alles Gute und machte mich von dannen. (Die Werbebroschüre verriet es mir übrigens dann doch noch: "SoftWindows 95" läuft nur auf PowerMacs.) Auch Modem-Hersteller TKR hatte einen Unterausstellerstand bei Apple gebucht und bot die gesamte Produktpalette den mehr oder minder kritischen Blicken des Publikums dar. Doch die Hauptattraktion des Apple-Standes waren wohl die G3-Macs, die neue Flaggschiffe der Macintosh-Baureihe. Für diese gab es auch eine "CeBIT '98 Sonderaktion", in deren Rahmen man für 249 DM ein 32 MB SDRAM DIMM und eine CD-ROM mit dem PC-Emulator "Connectix Virtual PC 2.0" abgreifen konnte. Ich entschied mich jedoch lieber für eine praktische (und vor allem kostenlose) Apple-Plastik-Tasche, in die ich auch gleich einige Broschüren und natürlich auch Aufkleber deponierte. Und weiter ging's durch die auch publikumsmäßig gut gefüllten Reihen der Halle 13.
Rein zufällig stieß ich dabei auf einen guten alten Bekannten - Commodore (die älteren Leser werden sich vielleicht erinnern). So wie es aussieht gehört der Markenname nun dem PC-Hersteller Tulip. Und dient vor allem der Aufwertung (?) von allerdings durchaus ansehnlich gestalteten Wintel-PCs namens "Commodore evolution". Das ganze fand, zumindest in Hannover, unter dem Motto "people friendly computer" statt - und wenn man nicht in die Broschüre blickte (in der es von Skurillitäten nur so wimmelte: so nennt C= das RAM doch tatsächlich "Direktzugriffsspeicher", weiß selbst nicht so genau, wann welcher Bestanteil von "people friendly" nun groß geschrieben wird, glaubt, die Tatsache, dass man "mit der Option eines eingebauten Modems [..] sogar von zu Hause aus Verbindung [..] [zum] Arbeitsplatz halten" könne, wirke verlockend und nicht abschreckend, und schwärmt von der "TV-Bildqualität [..] des Commodore") wirkte das alles auch allein schon durch die schiere Größe recht beeindruckend. Am erfreulichsten war jedoch die Verfügbarkeit von Werbematerial - man kann nie genug Kugelschreiber haben. Und Tragetaschen. Und Feuerzeuge. Warum man jedoch Delphine als "Sympathieträger" für die Werbebroschüre (und Bildhintergründe) gewählt hatte, blieb mir ein Rätsel. Zwar gehen diese Meeressäuger auch des öfteren baden. Aber ob es vom neuen Commodore-Besitzer wirklich klever war, auf diese Eigenschaft der schon lange nicht mehr großen C=-Marke auch noch hinzuweisen, sei einmal dahingestellt. Ich jedenfalls beschloß, wieder zum vorgesehenen Programm zurückzukehren. Und ein Blick auf meine Messeliste verriet mir, dass sich auch die Hildesheimer pios Computer AG in der Halle mit der Unglücksnummer befinden mußte. Doch wo war sie ? Erst nach zehnminütigem Suchen (und Umrunden sämtlicher Messestände) gelang es mir, Stand C53 zu finden. Zu sehen gab es zunächst einige pios-Mac-Clones - inklusive einer "PowerBoost Pro"-CPU-Karte von "Powerlogix" (um es mit Tim Allen zu sagen: "Mehr Power, how, how !"). Diese enthält einen mit 250 MHz getakteten PPC 604e und bietet frei wählbaren Prozessor- und Bustakt (zwischen 40 und 70 MHz). Experimentierfreudige Besitzer von PowerMacs (und Kompatiblen) werden sich freuen. Weiterhin gab es am pios-Stand auch einige pios-Wintel-Clones zu sehen. Doch als ich mir eines dieser Geräte vorführen lassen wollte, erschien just der berühmte "blaue Bildschirm" und das System startete neu. Der Standmitarbeiter war sichtlich verärgert und beantwortete meine (durchaus nicht gehässig gemeinte) Frage, was denn auf dem Rechner liefe, mit der Bemerkung, der Rechner sei abgestürzt - eben genau das, was ein Computer unter Windows so mache. Doch die Hauptattraktion der Firma um den ehemaligen Amiga Technologies-Geschäftsführer Stefan Domeyer befand sich in der Mitte des Standes. Dort saß in der ersten Reihe einer offensichtlich für Demonstrationszwecke gedachten Bestuhlung Dr. Peter Kittel, einer der Veteranen der Amiga-Szene. Und das war noch nicht einmal die eigentliche Sehenswürdigkeit. Denn die stand vor ihm auf einem Podest - ein schwarzer Kasten, der äußerlich irgendwie an eine Mischung aus CDTV und Walker erinnerte. Der "Doc" hatte eine - augenscheinlich zur Fernbedienung dieses seltsamen Gerätes bestimmte - Tastatur auf dem Schoß. Da ich dem feierlichen Anlaß gemäß ja mein Amiga-T-Shirt trug, nickte mir Kittel freundlich zu, meinte aber mit Blick auf meine Apple-Trage-Tasche, dass das ja wohl wenig konsequent sei. Nachdem somit das Gespräch geschickt eröffnet war, befragte ich ihn zunächst zu der Maschine, die da vor ihm stand und auf welcher Technik sie basiert. Stolz wiesen der Doktor und ein weiterer pios-Mitarbeiter darauf hin, dass ihre "Met@box" vollständig Wintel-frei sei. Es handele sich um eine Art SetTop-Box, die auf der "Broadcast Online Television" (BOT) - Technologie basiert. BOT wurde im Auftrag der Deutschen Telekom an der Technischen Universität Dreden entwickelt. Mit dieser Methode wird die horizontale Austastlücke des TV-Signals zur Datenübertragung (mit einer Geschwindigkeit von 150 kBit/s) genutzt, d.h. ein entsprechendes Gerät (wie eben die Met@box) empfängt auf diese Weise laufend neue Informationsseiten, die der Nutzer dann in aller Ruhe direkt auf dem Fernsehbildschirm betrachten und durchforsten kann. Mit der Met@box zeigt sich pios hier als Pionier auf diesem Gebiet. Die Beschränkung der BOT-Möglichkeiten auf die reine Empfängstätigkeit wird von der Met@box dadurch kompensiert, dass man mit ihr auch online gehen kann (analog und über ISDN) - und somit in der Lage ist, z.B. e-Mails zu versenden oder Usenet-Postings abzuschicken. Ein gewagtes Konzept - und eine gewagte Technik. Denn in der Met@box tickt laut Kittel nicht nur ein Cyrix-Prozessor, das ganze System läuft offensichtlich unter Linux, einem Unix-Derivat und damit nicht unbedingt als wartungsfreundlich zu beschreiben. Zumindest nicht, wenn als Zielgruppe nicht gerade studierte Informatiker angesprochen werden sollten. Als Preis visiere man derzeit - nach ursprünglich geplanten 800 DM - einen Betrag von etwa 1.000 DM an. Irgendwie beschlich mich an dieser Stelle das ungute Gefühl, der "Doc" könne möglicherweise einmal mehr auf ein totes Pferd setzen... Dabei hatte man pios im letzten Jahr noch groß gefeiert, selbst im Fernsehen wurde der wackeren Truppe Aufmerksamkeit gezollt, als sie im Rahmen der 97er CeBIT den "pios ONE" als inoffiziellen Amiga-Nachfolger der Öffentlichkeit vorstellte. Doch dann häuften sich die Pannen und so gab es dieses Jahr nichts von der neuen Rechnerbaureihe zu sehen. Darauf angesprochen meinte Kittel, man löte gerade einen neuen Prototyp zusammen (den es allerdings auf der CeBIT nicht mehr zu sehen geben werde). Wie die Met@box solle auch der "pios ONE" rechtzeitig zur CeBIT Home, dem für den Endnutzer gedachten, im Zwei-Jahres-Rhythmus abgehaltenen Ableger der CeBIT, der 1998 vom 26. bis zum 30. August stattfinden soll, fertiggestellt sein. "Wenn der Chef das sagt", so meinte Kittels Kollege augenzwinkernd, "dann wird das schon so stimmen.". Ich wünschte den beiden noch eine erfolgreiche Messe und trollte mich von dannen.
Weiter ging's - schnell, schnell - durch die Hallen 12 (erneut Informationstechnik) und 11 (Netzwerke). In meinem Bemühen, mich nicht in den unkontrollierbaren Strudel des Messechaos ziehen zu lassen, gelang es mir, diese beiden Hallen praktisch ohne bleibende Eindrücke zu verlassen. Lediglich das HiFD-Laufwerk, eine Gemeinschaftsentwicklung von Fujifilm, Teac und Sony habe ich mir genauer angesehen. Dabei handelt es sich - laut Eigenwerbung - um "die Diskette von morgen". Im Kampf gegen die Zip- und die LS-120-Technologie bieten die drei Hersteller ein "High Capacity Floppy Disk System" an (bzw. wollen es anbieten - die Markteinführung ist für Sommer geplant), das dank ATAPI- und Floppy-Schnittstelle, sowie der Fähigkeit, konventionelle DD- und HD-Disketten zu nutzen, als vollständiger Ersatz für herkömmliche (PC-)Diskettenlaufwerke dienen könnte (und soll). Bleibt die Frage, ob das auf der ATOMM-Technologie (Advanced Super Thin Layer and High Output Metal Media Technology) Produkt, welches dasselbe Preissegment bedienen soll, in dem sich derzeit Iomagas Zip-Laufwerke bewegen, gegen den bereits millionenfach verbreiteten Konkurrenten bestehen können wird. Als zweifellos gelungen erwies sich jedenfalls ein Produkt von Plextor - deren Werbe-Bonbons schmeckten so lecker-fruchtig, dass es mir schon bald leid tat, nicht noch mehr eingesteckt zu haben. Nach Verlassen der "Netzwerk-Halle" 11 hieß es dann, ein kleines (computerfreies) Freigelände zu durchqueren. Und hier offenbarte sich dann der wohl eindeutigste Trend der diesjährigen CeBIT - man konnte keine zwei Meter weit gehen, ohne nicht vom Klingen eines Handys aufgeschreckt zu werden. Mag sich die Durchseuchung der Bevölkerung mit Mobiltelefonen allgemein noch in akzeptablen Grenzen bewegen - unter den Angehörigen der Computerbranche hat sich das Handy zur Epidemie entwickelt. Erfrischend wirkten da lediglich die Verwirrungen, die ein Klingeln des kleinen Telekommunikationsgerätes hervorriefen, wenn zwei oder mehr Handy-Besitzer in unmittelbarer Nähe zueinander standen. "War das jetzt meins oder Ihres ?" Auch eine Form, die zwischenmenschliche Kommunikation zu fördern.
Sämtliche acht Hallen an der - nicht mit dem militärischen Begriff zu verwechselnden - Ostfront der CeBIT (entlang der sogenannten "Ostallee") waren in diesem Jahr den Themen "Informationstechnik" und "Allgemeine Computertechnik" gewidmet. Ich brauchte ungefähr zwei Stunden, um durch diese Bereiche zu hetzen, die für sich allein schon die "Computer"-Messen in Köln wie Kleinkindergeburtstage aussehen ließen. U.a. konnte ich dabei ein Blick auf ein paar Scanner werfen. Funktional und dennoch leistungsfähig wirkte der Scanexpress 12000 (S)P von Mustek - mit einer optischen Auflösung von 600 x 1200 dpi und Systemsoftware mit einer Hardwaremindestanforderung von 20 MByte RAM. Zumindest rein äußerlich noch beeindruckender als das Erzeugnis aus Neuss war jedoch der "Phantom 330 CX" von Microtek. Dieser Scanner ist dem Scanexpress mit einer Auflösung von optisch gerade mal 300 x 600 dpi technisch zwar weit unterlegen und zudem nur über den Drucker(!)anschluß mit dem Rechner zu verbinden, also für Benutzer tragbarer Computer gedacht. Dafür ist er superflach und sehr ansprechend gestaltet. Und das Design bestimmt, wie schon gelegentlich erwähnt, nunmal das Bewußtsein. Eine andere Ansicht vertritt da jedoch wohl die japanische Firma Fujitsu. Ihr wuchtiger "M3099EX/GX" zeigt schon im Namen, worauf es ankommt - Technik ohne Kompromisse. Das für den Einsatz im LAN konzipierte Gerät kann Vorlagen bis zur Größe DIN A3 scannen. Bei einer Leistung von 60 Blatt pro Minute (50 im Duplex-Betrieb). Dementsprechend beträgt das Gewicht dieser Killermaschine 65 Kilogramm. Das wäre doch was für die ohnehin immer verzweifelt nach High-End-Technik Ausschau haltende Amiga-Gemeinde. Weniger technikbezogen aber dennoch ziemlich interessant war auch in diesem Jahr der Besuch des CeBIT-Standes der Bundesregierung. Erneut gab es Informationsmaterial in rauen Mengen (neben altbekannten Broschüren auch durchaus brauchbares Material wie z.B. den Fortschrittsbericht der Bundesregierung zum 1996 vorgelegten Bericht "Info 2000 - Deutschlands Weg in die Informationsgesellschaft" aus dem Oktober 1997) und das nicht zuletzt dank der Tatsache, dass auch regierungsnahe Institutionen, wie vor allem die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation, als Unteraussteller präsent waren. Und natürlich gab es auch wieder ein elektronisches Gewinnspiel, welches über ein Touch-Screen-System zu bedienen war. Allerdings erwies es sich als weitaus komplexer als noch vor zwei Jahren (unter anderem war es nun möglich und verlangt, Objekte über den Bildschirm zu bewegen) - was es umso herausfordernder machte. Eine kleine Enttäuschung war hingegen der in einer anderen Halle gelegene "Internet-Park". Anstatt interessante Innovationen im und um das internationale Datennetz zu zeigen, präsentierten sich hier hauptsächlich kleinere und mittelständische Unternehmen auf recht biedere und konventionelle Art. Wer nach einer speziellen Lösung im Online-Bereich gesucht hat, mag hier fündig geworden sein. Der Durchschnitts-"Netizien" dürfte jedoch wenig von dieser "Sonderschau" gehabt haben. Erfrischender war da schon ein in derselben Halle gelegener Stand, an dem ein Spielchen fürs Publikum abgehalten wurde - zwei Messebesucher mußten gegeneinander bei einer Art virtuellem Scheibenschießen antreten. Moderiert wurde das ganze vor einer Westernkulisse von einem als Cowboy verkleidetem Anheizer - ein Glück, dass die CeBIT sich um ein ernsthafteres Image bemüht, die Aussteller sich auf die Firmenkunden konzentrieren können und sich nicht irgendwelcher Laufkundschaft anbiedern zu brauchen.
Richtig spannend wurde es dann wieder in Halle 5, die ziemlich genau in der Mitte der CeBIT-Ostseite liegt. Hier versammelten sich vor allem die Zeitungsverlage, aber auch einige Landeszentren versprachen interessant zu werden. Doch zunächst wandte ich mich dem gedruckten Wort zu. Zwar konnte man überall auf der Messe Freiexemplare der konkurrierenden Fachzeitschriften "Computerwoche" und "Computer-Zeitung" (welche augenscheinlich begehrter war) aus eigens aufgestellten Behältern bekommen (eine Gelegenheit, die ich natürlich nutzte). Doch in Halle 5 erwartete einen der eigentliche Medien-Overkill. Von Addison-Wesley über IDG (CeBIT-Gratis-Sepcial der "Macwelt" !) bis zur Weka-Verlagsgruppe (u.a. "Amiga-Magazin" - oder das, was davon übrig geblieben ist) war alles vertreten, was Rang und Namen hat. Mich persönlich interessierte vor allem der Stand des Heise-Verlages, an dem bereits am Vortag der 150.000. Abonnent der damit nur unwesentlich das "Gadget" in Sachen Leserzahl übertreffenden "c't" begrüßt werden konnte. Allerdings weniger wegen der Verlagserzeugnisse selbst. Vielmehr ging es mir darum, an der "Krypto-Kampagne" der "c't" teilzunehmen. Dabei handelt es sich um eine Zertifizierung eines öffentlichen PGP-Schlüssels durch die "c't", was dessen Zuordnung zu einer tatsächlich existierenden Person mit der in ihm tatsächlich angegebenen Identität für den Einsatz gegenüber bisher Unbekannten natürlich weitaus glaubhafter macht. Nachdem ich erst zehn Minuten am falschen Tresen gewartet hatte, konnte ich dann auch endlich den zuvor ausgefüllten Antrag und die Diskette mit meinem "Public Key", der gerade so eben die geforderte Mindestlänge von 1024 Bit aufwies (aber auf die Länge kommt es ja bekanntlich nicht an...), abgeben. Wie später bekannt wurde, kam es während der CeBIT zu regen "Cross-Zertifizierungen", also der gegenseitigen Anerkennung von Zertifizierungsschlüsseln durch bestehende Zertifizierungsinstanzen (Certification-Authority (CA)). Somit stehen den Teilnehmern der "c't"-Kryptokampagne in Zukunft u.a. auch die Zertifikate der obersten CA des Deutschen ForschungsNetzes (DFN) und des TrustCenter Hamburg zur Verfügung. Wenn die Zusendung des zertifizierten Schlüssel denn endlich mal erfolgt. Hier bildet sich ein de-facto-Standard auf der Basis von PGP heraus, der gegenüber dem durch das Signaturgesetz vorgesehenem, technisch weitaus aufwendigerem Zertifizierungsverfahren einen nur schwer wieder aufholbaren Vorsprung gewonnen hat. Nach dieser anstregenden Tat im Dienste der Netzsicherheit (und angesichts seit dem (mageren) Fruehstueck bereits vergangener sieben Stunden) gönnte ich mir jetzt erstmal einen Besuch in dem unanständig teuren (aber auch - das muß der Neid lassen - sehr guten) Messerestaurant in dieser Halle (fast in jeder Halle gab es mindestens eine solche gastronomische Einrichtung - zusätzlich zu zahlreichen Snack-Buden und Kiosken). Frisch gestärkt ging es dann weiter zum C.H.Beck-Verlag, einem der führenden, wenn nicht gar DEM führenden, Verlagsunternehmen im juristischen Bereich. Doch leider gab es hier nicht allzu viel zu sehen - einige Ankündigungen geplanter CD-ROM-Publikationen, ein paar Broschüren, einige EDV-relevante Veröffentlichungen des Verlages sowie ein Ansichtsexemplar des neuen C.H.Beck-Titels "Multimedia und Recht" (MMR). Aber immerhin durfte man eine kleine Tüte mit C.H.Beck-Gummibärchen ("Probieren geht über studieren!") mitnehmen. Die weiteren Verlage in dieser Halle ließ ich dann links liegen, was nicht besonders schwerfiel, da die Möglichkeiten, Gratis-Exemplare abzustauben, doch sehr begrenzt waren (im Gegensatz zu "Schnupperabos", welche einem fast an jedem Stand aufgedrängt werden sollten). Einen kurzen Blick widmete ich noch den Landeszentren aus Osteuropa. Was es da zu sehen gab, war zwar nicht unbedingt von öffentlichem Interesse, aber doch sehr beachtlich. Leider fehlte am Stand der Ukraine das noch vor zwei Jahren anzutreffende aggressive Pro-Tschernobyl-Marketing. Dafür präsentierte sich hier ein "Institut für Informationsaufzeichnung" in Kiew. In der Hoffnung, auf einen Ableger des ukrainischen Geheimdienstes gestoßen zu sein, nahm ich mir natürlich eine der in deutscher Sprache ausliegenden Broschüren mit. Allerdings mußte ich später feststellen, dass das Institut nicht das geringste mit Informationsdiensten wie dem BND oder der NSA zu tun hat. Und dass die Broschüre zwar äußerlich in Deutsch abgefaßt war, es sich bei näherem Hinsehen jedoch herausstellte, dass die Ukrainer zumindest auf diesem Sektor noch einigen Informationsnachholbedarf haben.
"Zur Zeit hat das Institut zusammen mit der W. I. Wernadski Nationalbibliothek der Ukraine eine große nach dem Umfang und der Bedeutung Arbeit begonnen. Sie besteht in Entschlüsselung, wissenschaftlicher Bearbeitung und Schaffen der Versicherungsfonds auf CDs einer in der Welt bekannten Sammlung (mehr als 1000 Edisons Phonographzylindern) der jüdischen Musik-, Volkskunst- und Religionswerke, der Auftreten der bekanneten jüdischen Kulturschaffenden, die mit den Expeditionen der Wissenschaftler-Ethnographen S. An-ski, J. Engel, S. Kiselhof in der Ukraine in Jahren 1912-1913."
Alles klar ?
Ich jedenfalls beschloß, mir weitere Informationen zu beschaffen. Und betrat die Halle 4, in der sich vor allem Dienstleister aller Art befanden, deren Aufgabenfeld mit den neuen Medien zu tun hat (z.B. Spracherkennungssoftware für Juristen, Finanzdienstleistungen über das Internet, etc.). Darunter befand sich auch die Bonner Gesellschaft für Datenschutz und Datensicherung e.V. An ihrem Stand gab es nicht nur die aktuellen "GDD-Mitteilungen" (kostenlos), sondern auch die von der Gesellschaft mitherausgegebene Fachzeitschrift "Recht der Datenverarbeitung" (RDV). Zwar konnte man sie nicht einfach mitnehmen, sondern mußte 5 DM Schutzgebühr bezahlen. Angesichts des "Ladenpreises" von 42 DM (für ein 48 Seiten starkes Heft) schien mir das aber akzeptabel und ich gönnte mir die aktuelle Ausgabe 1/98. Ebenfalls aus dem juristischen Bereich stammt der Verlag Dr. Otto Schmidt aus Köln, welcher gleichfalls mit einem Stand in Halle 4 präsent war. Und dort gab es dann auch eine verlagseigene Publikation zum Mitnehmen - allerdings sogar umsonst ("Computer und Recht" (CR), Preis für ein Einzelheft: 44,80 DM, Umfang: etwa 60 Seiten). Schwer bepackt pilgerte ich nun weiter und erreichte schließlich Halle 1, das "Kopfende" der "Ostallee". Hier gab es ein buntes Gemisch aus allen CeBIT-relevanten Teilbereichen zu bestaunen. Höhepunkt dürfte dabei der IBM-Stand gewesen sein, an dem sich fast alles um das neue Zauberwort "e-business" drehte. Aber vor allem gab es bei "Big Blue" auch das in der Fernsehberichterstattung zur CeBIT besonders ausführlich gewürdigte voll vernetzte Auto zu sehen. Allerdings durfte Otto Normalverbraucher nicht so nahe ran wie tags zuvor Bundeskanzler Gerhard Schröder und Ministerpräsident Helmut Kohl (oder umgekehrt...?), die ja beide hatten probesitzen dürfen. (Vermutlich war der Wagen danach in einem technisch nicht mehr vertretbarem Zustand.) Als einer von vielen weiteren "Big Players" im EDV-Markt, die ihre Zelte, respektive ihren Stand, in Halle 1 aufgeschlagen hatten, sei noch Canon genannt. Die Japaner boten ihre gesamte Produktpalette auf - vom Drucker bis zum Scanner. Einen kurzen Abstecher gönnte ich mir dann noch zu Ricoh, wo ich jedoch feststellen mußte, das die Firma vor allem mit ihrem Kerngeschäft, Bürotechnik, präsent war und die allgemeine PC-Hardware, wie z.B. die Ricoh-CD-Brenner-Reihe, ausstellungsmäßig eher vernachlässigte. Was nun kam, hatte ich schon viel früher erwartet gehabt. Ich mußte feststellen, dass ich hier in Halle 1, der größten des Messegeländes, die Orientierung verloren hatte. Glatte zehn Minuten dauerte es, bis ich endlich den rettenden Weg in die angrenzende Halle 2 fand.
Und dort tobte das pralle "Computer-Leben". Denn hier präsentierten sich einige der ganz, ganz großen. Allen vorneweg natürlich - wie im realen Computerleben - Branchenprimus Microsoft. Am Stand des Softwaregiganten aus Redmond war ein Durchkommen fast unmöglich, so drängten sich die Massen in der Hoffnung, einen Blick auf irgendwelche sensationellen Neuigkeiten werfen zu können. Solche gab es allerdings wenig zu sehen. Auf einer großen Videoleinwand wurde die aktuelle "Windows'98"-Betaversion vorgeführt - jedoch mit "Features", die man auch schon von "Windows'95" her kennt, so dass ich mir dieses Gedrängele nicht lange antat. Kurzweiliger war da schon eine Präsentation des unterausstellernden Unternehmens Hauppauge. Die Standmitarbeiterin versuchte verzweifelt, mit der Bedienung des Kernproduktes der Firma, des PC-Fernseh-Programmes "WinTV", klarzukommen. Und scheiterte kläglich. Was die Massen nicht daran hinderte, sich begeistert um den Monitor herum zu scharen und die Fehlersuche mit großem Interesse zu verfolgen. Ich hingegen kämpfte mich weiter durch - zu den Beratungs-"Desks". Dort staubte ich nicht nur eine "Microsoft - CeBIT'98"-CD-ROM ab. Ich wollte vielmehr eine fachliche Auskunft zur Machbarkeit des Wechsels eines Novell-Netware-LANs zu einem "Windows NT"-LAN unter Beibehaltung der Möglichkeit zur Inanspruchnahme von Novell-Verbindungen erhalten. Die freundliche Standmitarbeiterin hörte sich meinen Vortrag verständnisvoll nickend an und meinte dann, ich solle mich doch an ihren Kollegen dort drübend (gefolgt von einer unspezifischen Handbewegung) wenden. Gesagt, tun getan. Nachdem der Kollege (oder der, den ich dafür hielt) endlich mit der Beratung eines anderen Standbesuchers fertig war (zehn Minuten), trug ich auch ihm mein Problem vor. "Hm. Ich glaube, das ist ganz gut gelöst. Aber so genau weiß ich da auch nichts." Er wandte sich zwei Kollegen zu. "Weißt Du was über Novell ?" Kopfschütteln. "Du ?" Nichts. "Am besten fragen Sie mal bei Novell nach." So demütigt man wohl Konkurrenten - man schickt ihnen die Kundschaft, die den Weggang von Novell und die Hinwendung zu Microsoft plant, und läßt die potentiell ausrangierte Firma auch noch die Kundenberatung erledigen. Nicht dumm.
Der Stand von Novell erwies sich als etwas eigenwillig aufgebaut. Den Großteil der Fläche nahmen Stuhlreihen an - was ja noch nichts ungewöhnliches ist. Dabei handelte es sich allerdings um Sitze aus einem Flugzeug und auch die auf der davor liegenden Bühne stattfindende Präsentation war am Luftschiff-Paradigma orientiert. Jede Firma blamiert sich eben, so gut sie kann. Novell konnte noch mehr. Der erste Standmitarbeiter, den ich fragte, wußte natürlich gar nichts und verwies mich an einen Kollegen. Dieser befand sich jedoch gerade in einem Gespräch mit einem Super-DAU und versuchte verzweifelt, jenem den Unterschied zwischen einem Intra- und dem Internet zu erklären. Während sich das Gesicht des Novell-Mitarbeiters immer mehr zu einer entnervten Fratze verzerrte, stellte Kunde König eine Zusatzfrage nach der anderen. Und als das Gespräch endlich beendet war, stürmte der Novell-Mensch an mir vorbei in einen abgetrennten speziellen Mitarbeiter-Bereich (vermutlich zum Abbau von Aggressionen). Wohlgemerkt stand ich ihm direkt im Weg und hatte laut und deutlich "Entschuldigung, Ihr Kollege hat mich an Sie verwiesen." gesagt. Nun auch etwas genervt wandte ich mich einem (allerdings sehr freundlich lächelnden) dritten Standmitarbeiter zu und konfrontierte ihn erneut mit meiner (ja wie man meinen sollte eigentlich nicht allzu ungewöhnlichen) Frage. Aber auch der wußte von nichts - verwies mich jedoch an den zweiten Messestand von Novell. Dort seien die Techniker. In Halle 11 - also da, wo ich vor etwa drei Stunden gewesen war. Nicht mit mir. Nachdem auch die Befragung eines vierten Novell-Angestellten erfolglos blieb, beschloß ich, die Frage für hinreichend beantwortet anzusehen. (Eine Woche später erhielt ich von einem Arbeitskollegen meines Vaters eine ausführliche und fundierte Antwort zu meiner Frage - einschließlich der Referierung umfassender praktischer Erfahrungen.) Blieb mir nur noch, einen kurzen Blick auf den Stand des Microsoft-Konkurrenten Netscape zu werfen. Der hielt allerdings ebenfalls nicht das, was ich mir von ihm versprochen hatte. Vom "Communicator 5" war nichts zu sehen (lediglich das baldige Erscheinen einer Version 4.05 - mit PICS-Unterstützung - wurde angekündigt) und der Stand selbst ziemlich klein. (Später mußte ich feststellen, dass Netscape offensichtlich in Halle 6 einen zweiten Stand betrieben hatte.) Gegen meine Visitenkarte bekam ich noch eine CD-ROM mit der aktuellen PC-Version des "Communicator" - man kann nie genug Untersetzer haben. Und das war es dann mit dieser Halle gewesen.
So langsam wurden meine Beine schwer und ich beschloß, sämtliche Hallen zum Thema "Telekommunikation" (14-17, 26 und 27) links liegen zu lassen und auch die Messehallen 18, 19, 20, 21 und 24, in denen es laut Vorankündigung um computerunterstützte Entwicklung, automatische Datenerfassung und Banken- und Sparkassentechnik gehen sollte, zu ignorieren. Blieben noch die Messehallen 22 und 23. In letzterer hielt ich mich auch nur kurz auf - und ausschließlich um eine Kommilitonin zu treffen, die am Stand der im sicherheitstechnischen Bereich agierenden Firma utimaco als - nach eigenem Bekenntnis - eine der vier Personen ohne Ahnung von der Materie bei insgesamt über zwanzig utimaco-Standmitarbeitern arbeitete. Immerhin bekam ich auf diese Art und Weise ein neues (und sogar recht gutes) Mousepad. Als krönenden Abschluß nahm ich mir nun Halle 22 vor, die "Uni-Halle", in der Forschungseinrichtungen, Universitäten und ähnliche Institutionen einen ersten Einblick in die informationstechnologischen Möglichkeiten von morgen gewährten. An vielen Ständen warf ich einen kurzen Blick auf die aus- und vorgestellten Produkte. Doch so richtig interessant wurde es erst am Stand des Trierer Instituts für Telematik. Dort lag nicht nur eine schön ringgebundene Broschüre ("Preprint") zum Thema "Elektronisches Publizieren im World Wide Web" aus, die ich mir natürlich sofort aneignete. Vor allem erspähte ich aber ein Projekt mit dem Titel "CryptoPay". Da mich das Thema Kryptographie und Datensicherheit ja schon von jeher interessiert hat, unterhielt ich mich mit dem offensichtlich für dieses Projekt zuständigen Standmitarbeiter. Wie sich im Laufe des Gespräches ergab, handelte es sich bei ihm um Dr. Hans-Jürgen Görg, einen Juristen, der offensichtlich an der Formulierung des Maßnahmenkataloges zur Signaturverordnung (vgl. dazu den Beitrag in "AmigaGadget"%33) mitgewirkt hatte. Nach seiner Einschätzung des in Signaturgesetz und -verordnung vorgesehenen Verfahrens befragt, meinte Dr. Görg, dass es sich um eine sehr sichere und sehr gute Lösung handele. Sie kranke jedoch an den zum Teil äußerst strengen Zertifizierungsvoraussetzungen und Signaturmechanismen, die dazu führten, dass ausländische Netz-Teilnehmer zwar den hohen Standard von Gesetz und Verordnung anerkennen, gleichzeitig jedoch von entsprechend sicheren (und damit auch komplizierten) Verfahren explizit Abstand nehmen würden. Möglicherweise sei die gesetzliche Konzeption daher zum Scheitern verurteilt - auch wenn nun die Deutsche Telekom die Errichtung der ersten Zertifizierungsstelle im Sinne des Gesetzes beantragt hat. Hinsichtlich der Frage, ob das Signaturgesetz der erste Schritt zur Einführung der Verpflichtung zur Schlüsselhinterlegung bei staatlichen Stellen sei, wie es der Chaos Computer Club befürchtet hatte, bestätigte Dr. Görg meine Meinung, dass es für eine solche Vermutung im Gesetz keinerlei Anhaltspunkte gebe, dass die vorgesehenen Regelungen vielmehr genau im gegenteiligen Sinne die Einmaligkeit des privaten Schlüssels (in der Hand des Schlüsselinhabers) garantierten. Begeistert von diesem sehr informativen Gespräch schlenderte ich nun weiter durch die mit Wissenschaft reich bestückten Gänge. Meine Aufmerksamkeit erregte schließlich ein Rechnerplatz der Uni Karlsruhe, da das dort installierte "Windows" gerade mit einer "allgemeinen Schutzverletzung" das Zeitliche gesegnet hatte. Während ich noch feixend daneben stand, wurde ich auch schon von einem direkt vor dem gerade neu bootenden Rechner stehendem Standmitarbeiter angesprochen: "Absturz ? Wieso Absturz ? Sie sehen überhaupt nichts... Schauen Sie sich lieber mal unser Projekt an." Nun, den Gefallen tat ich ihm und wandte mich also dem Beitrag der Universität Ulm zu. Ob ich denn etwas mit dem Begriff "Lebensqualität" und seiner Verwendung im medizinischen Sektor anfangen könne ? Ich mußte verneinen. Besäße ich überhaupt Vorbildung im medizinischen Sektor ? Ich mußte verneinen. Indes bekümmerte das den freundlich lächelnden Ulmer nicht im geringsten. Ausführlich (und sehr gut) schilderte er mir die Funktionsweise des von ihm (Jörg M. Sigle ?) (mit)entwickelten "AnyQuest"-Systems. Es handelt sich dabei um ein System zur einfachen Realisierung elektronischer Fragebögen. Der Arzt sei so in der Lage, eine vom Patienten leicht zu nutzende Multiple-Choice-Umgebung zu schaffen, mit deren Hilfe es möglich ist, das Wohlbefinden des Patienten zu erkunden. Dieses Wohlbefinden, "The Quality of Life", sei eine weithin unterschätzte und sehr bedeutsame Determinante der Therapie. Da es aber Aufgabe des Arztes sei, dem Patienten die Möglichkeit zu einem Leben in Wohlbefinden zu verschaffen, müsse durch entsprechende Fragebögen ermittelt werden, wie es dem Patienten wirklich - also abseits rein organischer Diagnosen - gehe und, als Konsequenz, wie sein Wohlbefinden gesteigert werden könne. (Wie sich später herausstellte, stammte das Projekt von der Abteilung Psychotherapie und Psychosomatische Medizin...) Und genau dazu diene "AnyQuest". Das Programm läuft unter "Windows" und kann in verschiedenartigsten Rechnerkonfigurationen sinnvoll eingesetzt werden - am komfortabelsten natürlich auf einem portablen Computer mit Touch-Screen und anschließender Infrarot-Datenübertragung direkt zum Drucker. Auch die folgende Demonstration wußte zu überzeugen, so daß ich, wäre ich Mediziner, sicherlich begeistert gewesen wäre. So blieb es immerhin ein sehr interessanter und mit erstaunlicher Begeisterung vorgetragener Einblick in ein fremdes Fachgebiet. Und die erneute Bestätigung der Erkenntnis, dass Medizinier einen eigentümlichen Humor haben - "Nehmen wir mal an, Sie sehen auf dem Röntgenbild weiße Knubbel. Fünf weiße Knubbel bedeuten, der Patient hat noch drei Jahre zu leben. Und bei zehn weißen Knubbeln sind's dann nur noch zwei." Grins. Nun ja...
Jetzt hieß es noch, eine wichtige (und aller Voraussicht nach peinliche) Pflichtübung zu absolvieren - es galt, den Messebeitrag der Philipps-Universität Marburg zu würdigen. Dieser fand sich, wie schon vor zwei Jahren, in das Gesamtangebot der hessischen Universitäten eingebunden. (Neu waren hingegen Jute-Taschen mit dem hessischen Löwen - ein gern mitgenommenes Werbegeschenk.) Und erfreulicherweise hatte der 98er Beitrag aus Marburg mit dem ziemlich bescheidenen Exponat des Jahres 1996 nicht viel gemein. Diesmal zeichnete die Arbeitsgruppe Neuroinformatik und künstliche Intelligenz für das Emporhalten der Marburger Fahnen verantwortlich - und das taten sie mit massivem Einsatz von Rechenpower. Thema des Projektes war das "Datamining mit neuronalen Netzen auf einem Parallelrechner" - und bei letzterem handelte es sich um einen CUBE 2S M10 mit 128 Prozessoren mit 8 MB pro Prozessor. Dagegen wirkt die pre\box wie ein Taschenrechner. Sinn und Zweck der ganzen Übung (die hier nicht demonstriert wurde, man beschränkte sich in Hannover scheinbar auf eine Präsentation der Ergebnisse) war die Entwicklung eines Verfahrens zur visuellen Darstellung hochdimensionaler Daten. Für einen Laien wie mich bedeutete das, dass es ein dreidimensionales Fraktalgitter in sich je nach Höhe der Erhebung verändernden Farben zu sehen gab. Nach dem praktischen Nutzen des Projektes befragt blickte mich der Standmitarbeiter so mitleidig an, wie ein Mensch wohl einen Affen, der gerade verzweifelt versucht, ein technisches Gerät zu bedienen, ansieht. Dann erklärte er mir etwas von Bauchschmerzen, die ja verschiedenartigste Ursachen haben könnten, einem Arzt in der Notaufnahme, der einem über solche Schmerzen klagenden Patienten bestimmte Fragen stellt, einem Expertensystem, das daraus irgendwelche Daten extrahieren würde und einer abschließenden Einordnung der so gewonnenen Erkenntnisse in einer entsprechenden "Datamining"-Umgebung. So werde es möglich, herauszufinden ob es sich nur um einen verstimmten Magen oder einen kindskopfgroßen Tumor handele. Zwar war mir immer noch nicht ganz klar, wozu man für so eine simple Aufgabe ein aufwendiges 3D-Gebilde braucht, ich nickte jedoch verständnisvoll und machte mich von dannen. Auf dem Weg zum Ausgang entdeckte ich dann schließlich noch den Stand des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft, Forschung und Technologie. Hier gab es erneut Jute-Taschen. Und zum anderen Hoffnung auf eine kompetente Auskunft zum Gesetzgebungsverfahren des IuKDG. Doch schon mit der Bezeichnung wußte der Standmitarbeiter nichts anzufangen. Erst als ich die amtliche Überschrift in voller Länge und Schönheit ("Gesetz zur Regelung der Rahmenbedingungen für Informations- und Kommunikationsdienstegesetz") nannte, klickte es - "Ah, das Multimediagesetz.". Meine Frage konnte er dennoch nicht beantworten und auch eine Erkundigung hinter den Kulissen des Messestandes führte zu nichts. Ärgerlich, wenn man auf einer Computermesse niemanden dabei hat, der sich mit dem wichtigsten Gesetzesvorhaben des eigenen Hauses im Bereich der Computertechnologie auskennt. Der sehr bemühte und freundliche Standmitarbeiter gab mir jedoch, nach Betrachtung eines Organigrammes des Ministeriums, die Adresse und Telefonnummer des zuständigen Ministerialrates. Immerhin.
Nach sechs Stunden Messebummel war ich nun reichlich erschlagen und nutzte den Bustransfer zum Parkplatz zu einer ersten kurzen Regeneration (Augen zu und entspannen). Dank des Park-and-Ride-Systems kamen wir dann problemlos aus dem Großraum Hannover hinaus und konnten in aller Ruhe die Heimfahrt antreten. Bleibt als Fazit, dass die CeBIT dann, wenn man zumindest ungefähr weiß, wo man sich aufhalten will, durchaus eine Reise wert sein kann. Zwar dürfte die Veranstaltung rein vom Standpunkt eines Amiga-Freaks weitgehend uninteressant gewesen sein (hier kann man sich vielleicht mehr Hoffnungen auf die CeBIT Home machen). Doch wenn man sich für ein plattformunabhängiges Thema im Bereich der EDV interessiert oder einfach mal nur ein paar Neuheiten und Entwicklungen (insbesondere im universitären Bereich) bestaunen will, und sich zudem an den - allerdings sehr ungleich verteilten, primär auf die "Haupthallen" 1-13 konzentrierten - Besuchermassen (in diesem Jahr waren es über 600.000 Besucher in sieben Tagen) nicht stört, wird man das Hannoveraner Messeereignis als das erleben können, was es ist. Eine Gigantomanie (7.250 Aussteller !) sondergleichen, auf der es viel Tand, aber auch so manche Perle zu entdecken gibt. Und eine Gelegenheit, kompetente Fachleute zu treffen und von ihnen Informationen aus erster Hand zu erhalten. Für mich war es diesmal jedenfalls eine Reise wert. Und wenn nicht schon die interessanten Gespräche (Kittel, Görg) zu diesem Ergebnis geführt hätten - allein die beiden abgestaubten Computerrechts-Zeitschriften hätten für sich normalerweise mehr gekostet als der CeBIT-Eintritt.
"Die CeBIT'98 findet vom 19.3. bis 25.3.1998 statt -- auch wenn die gelbe
Banderole auf c't 6/98 verkündet, sie habe bereits am 13.3. begonnen und
werde schon am 19.3. enden. Spekulationen des Mitbewerbs, c't probiere
ein neues Testverfahren aus, ob denn die Titelseiten überhaupt gelesen
würden, dementierte die Chefredaktion. Es gehe auch nicht um praktische
Versuche in "Ökonomie der Aufmerksamkeit", über die Telepolis kürzlich
berichtete. Intensive Recherchen ergaben, dass der verantwortliche
Redakteur die gigantische Messe unterbewußt wohl einfach schneller hinter
sich bringen wollte. Sein Unterbewußtsein wurde in angemesssener Form
getadelt."