Er ist der Triumphator der SPD, (zumindest nördlich des Mains) der Volksheld der Neunziger und der erste ernstzunehmende Kohl-Herausforderer seit dem Abgang des Nordlichts Engholm vom politischen Parkett. Doch noch bevor er mit einem sensationellen Wahlergebnis Anfang März diesen Jahres endgültig zum Darling aller Medien wurde, hatte ihn ein ganz spezieller Radiosender, bzw. ein ganz spezielles Radioprogramm schon lange ganz, ganz doll lieb - auf die Anarchotruppe des "Frühstyxradios" übte Gerhard Schröder offensichtlich bereits seit einiger Zeit die Faszination des monarchengleichen Landesherrn aus und so tauchte der gelernte Jurist des öfteren als Objekt des treffsicheren Humors der Truppe um Dietmar Wischmeyer in diversen Sketchen des "Frühstyxradio"s auf. Was lag da zu Beginn des - zumindest für den Niedersachen selbst zu Recht mit dem Superlativ geschmückten - "Superwahljahr"s 1998 näher, als alle Schröder-Beiträge zusammenzufassen, um ein bißchen neues Material zu ergänzen und auf einer eigenen CD zu veröffentlichen, zur Profitmaximierung natürlich begleitet von einem von der Bevölkerung nicht minder sehnlich erwartetem "Schröder"-Buch. Schlimmstenfalls wären ihnen ja die für ihren Masochismus bekannte Parteilinke und der Vorstand von VW als Käuferkreis sicher gewesen. Doch mit der inzwischen als "Niedersachsen-Wahl" bereits zu einem "Event" in der politischen Zeitgeschichte Deutschlands gewordenen Akklamation des smarten Politikers mit dem "Raubtierlächeln" erweist sich der Gag geradezu als genialistisch, die CD als erster Vorstoß gegen die auch kabarettistisch konkurrenzlose Präsenz des noch amtierenden Kanzlers.
Dabei beginnt der mit fast 70 Minuten Spieldauer gut gefüllte Tonträger selbst verhältnismäßig unspektakulär - und dafür umso standesgemäßer mit einer Mikroprobe, die Schlitzohr Wischmeyer zu einem ersten Sketch mit und über den großen Selbstinszenierer Gerhard Schröder nutzt. In den nachfolgenden insgesamt über 25 Einzelbeiträgen geht es trotz des immer gleichen Themas (Schröder, Schröder, Schröder) dann jedoch bunt durcheinander. Natürlich treten zahlreiche der bekannten "Frühstyxradio"-Charaktere auf. So lästert Günther der Treckerfahrer (Wischmeyer) zum tuckernden Diesel seines Lanz über die Angst der SPD vor der Regierungsverantwortung und ihre phantasievollen Manöver, sich vor solcher zu drücken. Und Dilettanten-Journalist Pavian Meyer zu Brochterbeck (erneut Wischmeyer) scheitert hinreißend komisch beim Versuch, den MP zu interviewen, während sein auszubildender Kollege, der pubertierende Rotzlöffel Erwin Höhnefeld (Bulthaup), der trotz seines jugendlichen Alters schon der CDU nahesteht, versucht, Schröder dem Alkoholkonsum zu entwöhnen. Nicht fehlen dürfen aber auch die beiden alten Schreckschrauben Frieda (Wischmeyer) und Anneliese (Bulthaup) mit ihren spießig-trockenen Kommentaren. Sie sind sogar doppelt vertreten - bei zweiten Mal gibt ihnen Schröder höchstselbst die Ehre seines Besuches (was Frieda dazu veranlaßt, das Eiserne Kreuz aus der Versenkung zu holen, damit es im trauten Heim etwas feierlich wirkt, wenn die Regierung kommt...). Daneben gibt es aber auch einige spezielle Beiträge, die nicht einem der aus dem "Frühstyxradio" bekannten regelmäßigen "Formate" entsprechen - etwa einen Bericht von fiktiven Geburtstagsfeierlichkeiten zu Ehren des Landesvaters oder ein Fazit nach einer (nicht minder erfundenen) Landtagswahl, bei der es nur Verlierer gab und selbst Schröder die absolute Mehrheit verfehlte (nämlich lediglich neben etwa 50 weiteren SPD-Abgeordneten ins Parlament einziehen konnte). Eine gewisse Struktur bekommt die ganze CD aber vor allem durch zwei Sketchformen. Zum einen sind da insgesamt sechs scheinbar direkt vom Stammtisch aufgezeichnete Tondokumente mit dem Titel "Da lacht der SPD-Ortsverein", in denen vor allem relativ billige und wenig innovative Scharping-Witze zum besten gegeben werden. Und zum anderen wurde der Namensgeber und Regierungschef selbst viermal zu einem "Gespräch im Studio" (plus einem "Schlußwort") gebeten, in dessen Rahmen er von unterschiedlichen "Frühstyxradio"-Figuren, aber auch vom "wirklichen" "Duo infernale" Wischmeyer und Bulthaup mehr oder meistens weniger zur Sache befragt wurde. Diese beiden Sketch-Serien finden sich in fast schon regelmäßigen Abständen über die CD hinweg verteilt. Doch auf dieser wird nicht nur geredet. An zwei Stellen ertönt Musik aus den an den CD-Spieler (respektive den zwischengeschalteten Verstärker) angeschlossenen Lautsprechern. Weniger erfreulich und witzig ist das bei einem angeblich von einem Cuthbert J. Tilly verbrochene Lied namens "Bitte keine Tränen", einem jaulenden Abgesang auf Schröders Ex-Ehefrau Hiltrud, genannt "Hillu". Als umso frecher und spritziger erweist sich aber die niedersächsische Landeshymne, das "Lied der Niedersachsen" - zumindest in der Interpretation der "Frühstyxradio"-Crew, die munter alle Stilrichtungen vom Volkslied bis zum Hardrock plündert und rechtschaffenen Landesbürgern sicherlich die Haare zu Berge stehen ließe, wenn es denn in Niedersachsen letztere gäbe. Für Außenstehende faszinierend ist dabei allemal der reichlich patriotisch-pathetische Text der Hymne, gegen den die Marseillaise streckenweise wie ein Kinderlied wirkt. Abseits dieser beiden Sangesgaben heißt die CD aber völlig zu Recht "Schröder". Wie es sich für einen Popstar gehört, ist Schröder nicht bloß das passive Objekt der Bewunderung, sondern aktiv in die Sketche eingebunden. Das beginnt harmlos mit Interviews, wobei auch schon bei diesen mit zunehmender Aktualität der Aufnahme die Interaktion des Medienpolitkünstlers von der Leine mit den Schandmäulern aus Peine munterer, der in den Antworten liegende Sprachwitz zielsicherer und die Atmosphäre insgesamt entspannter wird. Und geht weiter mit Sketchen, in denen Schröder zwar noch als er selbst, aber bereits ganz offen nur noch als Teil einer Sketch-Inszenierung auftritt (der Besuch bei "Frieda und Anneliese") und hört (wie die CD selbst) mit einem Beitrag auf, in dem der Ministerpräsident völlig in einen "Frühstyxradio"-Charakter, den norddeutsch nuschelnden "kleinen Tierfreund" schlüpft und, nebenbei bemerkt, dabei eine sehr gute Figur abgibt (wenngleich der Sketch selbst wenig spektakulär ist). Einmal mehr beherrscht der Hannoveraner das Medium, das sich eigentlich seiner bemaechtigen wollte. Aus dem Medien- wird, wenn es sein muss, also auch schon mal ein Comedy-Star.
"Hamburg, Niedersachsen und Litauen, oder wie dieser Kram östlich der
Elbe heisst, bilden also einen Nordstaat. Wieso keinen Mittelstaat, sagen wir
mal, mit Niedersachsen, Hessen und Sachsen-Dingsbums ? Oder einen Vatikanstaat
in Fechta ? Ich meine: was soll das ganze Rumgemache an den Grenzen, wenn wir
fünf neue Winzigländer uns gerade ausgedacht haben ?"
Die Qualität der einzelnen Sketche und sonstigen Beiträge variiert naturgemäß stark zwischen Westerwelle-windig und Fischer-flott. Doch die lahmen Enten (wie z.B. die Schiller-Verringhornung "Der Ring des Autokrates" oder das dröge "Die Neben von Skandalon") sind deutlich in der Opposition. Die gelungenen Beiträge haben die absolute Mehrheit, an der Spitze der Spaßfraktion stehen die Gespräche im Studio, "Ein Land sagt Dankeschön" und der Besuch des MP bei Frieda und Anneliese. Wer hier nicht vor Lachen ins Parteibuch beißt, sollte am besten gleich die "Grauen Panther" wählen. Das besondere an diesem speziellen Wischmeyerschen Humor ist das scheinbar vordergründig-banal vorgetragene Tiefgründige, der Zerrspiegel, den er in seinen Texten der entrüsteten Wirklichkeit vorhält. Political Correctness ist für den unheimlichen Star des "Frühstyxradio"s das, was es ist: ein Fremdwort. Und in Schröder hat er einen ebenbürtigen Mitspieler gefunden, der sich für keinen Witz auf seine Kosten zu schade ist und sichtlich (respektive: hörbar) Spaß am munteren Ton-Treiben hat, ganz nach dem Motto: "Warum und wie ist mir egal - Hauptsache ich bin in den Medien und im Mittelpunkt." Allerdings merkt man dem Material das zum Teil doch schon fortgeschrittene Alter an - so ist in einem Beitrag der Schnitzelkrieg bei Schröders noch ferne Zukunft und an anderer Stelle von einer Fortschaffung Lady Dis die Rede, was zum Zeitpunkt des Sketches noch nicht im Ruch zweideutiger Geschmacklosigkeit stand. Manchmal dürfte diese Schwelle dann aber doch auch überschritten sein - insbesondere bei dem Witz über den schweren und nur zufälligerweise letzten Endes weitgehend glimpflich verlaufenen Fahrradunfall Scharpings. Aber das ist das Berufsrisiko politischen Kabaretts und kann den Spaß, den die "Schröder"-CD ansonsten verbreitet, nicht nachhaltig mindern. Abgerundet wird das ganze durch das brilliante Cover, das eine bravouröse Schröder-Karrikatur (inklusive "Playboy"-Anstecker in SPD-Rot) von Sebastian Krüger zeigt, und das (insgesamt sechzehnseitige) Booklet. In diesem befinden sich nicht nur kurze Lebensläufe von Wischmeyer ("Dietmar Wischmeyer lebt abwechselnd im Ldkrs. Schaumburg und in New York - wenn man ehrlich ist, hauptsächlich in diesem Landkreis da.") und Bulthaup ("Sabine Bulthaup lebt abwechselnd am Südrand des Steinhuder Meeres und am Nordrand der Rehburger Berge, je nachdem in welchem Teil ihrer Wohnung sie sich gerade aufhält.") und ein Bestellformular für weitere Tonträger und Merchandising-Artikel des "Frühstyxradio"s, sondern auch diverse Photographien von Schröder - mal in Gesellschaft der Komödianten, mal Akkordeon spielend auf einem fiktiven SPD-Wahlplakat ("Rettet die Werften! Kauft mehr Schifferklaviere!"). Das ganze ist eine gelungene und teilweise zum Brüllen komische Ergänzung der CD - der Kandidat gewinnt sowohl bei der Erst-, als auch bei der Zweitstimme. Bleibt nur die Frage nach der politischen Konsequenz. Was passiert, wenn Schröder Kanzler werden sollte ? Das dürfte ein etwaiges Nachfolgeprojekt noch vor dessen Planung zum Scheitern verurteilen. Und vor allem: kann man sich allen Ernstes eine "Kohl-CD" vorstellen ? Eine absichtlich komische, wohlgemerkt. Eben.
"Man munkelt ja in der Journalistenszene, dass Sie an einem ganz finsteren Plan zur Machtübernahme im Bund sitzen. Wenn die Regierung '98 von Bonn nach Berlin umzieht, soll der ganze Konvoi auf halber Strecke in Hannover abgefangen werden, die A2 für ein halbes Jahr gesperrt werden und so der ganze Apparat zur Ansiedlung in Hannover gezwungen werden. Ein verwegener Plan."