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Filmkritik : Wag The Dog - Wenn

von Barry Levinson
mit : Robert De Niro, Dustin Hoffman, Anne Heche, Woody Harrelson, ..
USA, 1997
FSK : ab 12

"Wag The Dog", der neueste Film von "Rain Man"-Regisseur Barry Levinson, hat das Pech und das Glück, von der Realität eingeholt worden zu sein. Das Pech, weil er nun nicht mehr als genialistische Vision der Welt von morgen gelten kann. Und das Glück, weil er somit als scheinbarer Kommentar zum aktuellen Tagesgeschehen die Aufmerksamkeit der Medien und der Öffentlichkeit gewinnen konnte. Womit wir beim Thema wären. Denn "Wag The Dog", der auf dem Roman "American Hero" von Larry Beinhart basiert, ist eine Satire über eben diese Medien und eben diese Öffentlichkeit - vielleicht die ambitionierteste seit Tim Robbins Wahlkampfarce "Bob Roberts". Und es ist gleichzeitig ein Film über die Manipulation der Wirklichkeit, über die Wechselwirkung zwischen medialer Durchdringung der Politik und politischer Reaktion auf Ereignisse von öffentlichem Interesse. Doch worum geht es überhaupt ?

Der Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika sieht sich, während er gerade zu einem Staatsbesuch in China weilt, dem Vorwurf der sexuellen Belästigung einer minderjährigen Pfadfinderin ausgesetzt. Im Weißen Haus herrscht Aufregung. Winifred Ames (Anne Heche), die PR-Beraterin des Präsidenten, weiß nicht mehr ein noch aus. Hilfe muß her, da Medien und Opposition schon Wind von der Sache bekommen haben und es nur noch zwei Wochen bis zur Präsidentschaftswahl sind. Als Ausputzer wird Conrad Brean (Robert De Niro), ein undurchschaubarer Experte für politische Kampagnen, ein "Spin-Doctor", wie es auf Neu-Deutsch heißt, engagiert. Und der hat sofort eine Idee. Zunächst muß der Präsident aus der Schußlinie genommen werden, d.h. der Staatsbesuch wird um einen Tag verlängert. In einem zweiten Schritt gilt es dann, den Medien und der Öffentlichkeit eine Geschichte zu präsentieren, die aufregender ist als ein US-Präsident, der möglicherweise einem Mädchen an die Unterwäsche gegangen ist. Und was liebt das Volk jenseits des Atlantiks am meisten ? Woraus bezieht es seine nationale Identität ? Was eint Schwarze und WASPs, Latinos und Juden, Yankees und Südstaatler ? Natürlich Kriege. Stets fand man sich dann als "eine Nation" zusammen, wenn es darum ging, den "Krauts" oder "Charlies", Schnauzbartträger Saddam oder Drogendealer Noriega im Kampf für Freiheit und Demokratie eins auszuwischen. Doch wer soll das Opfer werden - Brean spielt auf Zeit: "Ich arbeite daran." Während die Meinungsmaschinerie im Weißen Haus zu arbeiten beginnt, macht sich der "Spin-Doctor" zusammen mit Ames auf den Weg zu Stanley Motss (Dustin Hoffman), einem begnadeten Hollywood-Produzenten, der u.a. ein Remake von "Moby Dick" aus der Perspektive des Wales produziert - und zu einem Kassenschlager gemacht - hat. Nur mühsam gelingt es Brean, Motss für seine Sache zu gewinnen. Doch als der erstmal eingesehen hat, dass die Inszenierung eines - rein in den Medien stattfindenden - Krieges sich nicht wesentlich von der Oscar-Verleihung unterscheidet, ist er an Bord. Grace (Suzie Plakson), seine Mitarbeiterin, trommelt ein eingespieltes Team zusammen. Während Brean und Motss am Krieg und einer passenden Hintergrundgeschichte werkeln, sorgt Trendexperte Fad King (Denis Leary) für ein unverwechselbares Symbol und Alt-Hippie Johnny Dean (Willie Nelson) komponiert die Film- oder auch Kriegsmusik. Während man sich im "War-Room" auf Albanien, einfach aus dem Grund, dass kein Amerikaner (mit Ausnahme des gebürtigen Albaners James Belushi) irgend etwas von diesem Land weiß, als Kriegsgegner einschießt, sorgt die hypernervöse Ames durch geschickt gestreute Dementies (Nein, man sende keine B3-Bomber nach Albanien. Es gebe überhaupt keine B3-Bomber.) dafür, dass die Presse den (virtuellen) Braten zu riechen glaubt. Und schon bald beherrscht der vermeintliche Krieg gegen das angeblich von atomwaffenschmuggelnden, fundamentalistischen Terroristen kontrollierte Albanien die Schlagzeilen und Titelseiten. Der potentielle Sexskandal verkommt zum Lückenfüller auf Seite 12. Doch während alles glatt zu gehen scheint und das Trio Motss, Brean und Ames sich schon im Lichte des sicher geglaubten Sieges sonnen will, tritt plötzlich die CIA auf den Plan. Und auch die Opposition bekommt Wind davon, dass der Krieg, der das amerikanische Volk sich tapfer zu seinem Präsidenten bekennen läßt, nicht viel mehr ist als eine klevere Inszenierung. Doch damit endet die Kampagne aus der (Alp)Traumfabrik noch nicht. Motss hat einen zweiten Akt im Repertoire - und vor allem einen (fiktiven) Kriegsheld, Seargent William "Old Shoe" Schumann (Woody Harrelson). The Show must go on...

"Wag The Dog" ist ein erstaunlicher Film. Regisseur Barry Levinson, der u.a. bei "Diner", dem Gangster-Epos "Bugsy" und der brillianten Militärsatire "Good Morning, Vietnam" Regie führte, drehte die knapp anderthalb Stunden in weniger als einem Monat ab. Und das merkt man dem Film an - von der ersten Minute an bewegt sich die Handlung, nur unterbrochen von einigen längeren Dialogen, zielsicher vorwärts. Eine Obskurität jagt die andere, hinter einem Problem lauert schon das nächste und der erbarmungslos ablaufende Countdown bis zur Präsidentschaftswahl ist alles, was zählt. Dass es Levinson gelungen ist, das ganze dennoch locker und mit leichter Hand zu inszenieren, ist ihm hoch anzurechnen. Aber er konnte dabei auch auf kompetente Hilfe zählen. Für das Drehbuch, eine Adaption des Romans "American Hero", zeichnete vor allem der versierte Autor David Mamet verantwortlich. Kameramann Robert Richardson, seit seiner Arbeit an Filmen wie "JFK", "Talk Radio" und "Natural Born Killers" ein Experte für die Visualisierung der Manipulation der Öffentlichkeit, verhalf "Wag The Dog" zu einer Optik, die das gehetzte Tempo der Troika überzeugend wiedergibt. Und Mark Knopfler ("Dire Straits") steuerte die Akustik bei und bewies mit dem munter aus Folkrock und Blueselementen zusammengefügten Soundtrack einmal mehr - nach großartigen Arbeiten wie etwa für "Local Hero" oder "Cal" - seine bemerkenswerten Qualitäten als Filmmusiker. Doch das eigentliche Kapital von "Wag The Dog" bewegt sich auf der Leinwand. Was Levinson hier an Stars zusammengebracht hat, ist für einen Film mit derart niedrigem Budget heutzutage geradezu sensationell. Vorneweg sind natürlich die beiden Protagonisten zu nennen. Dustin Hoffman ("Sphere", "Tootsie", "Outbreak") gibt den genialen, aber eitlen Hollywood-Produzenten mit schwarzer Freude am bösen Spiel. Wenn die Kampagne mal wieder kurz vor dem Ende steht, wiegelt der wild gestikulierende Exzentriker ab. "Das ist doch gar nichts !" - Die zart besaiteten Politiker müßten mal mit einem bekifften Starlet klarkommen ! Das Filmbusiness als harte Schule fürs politische Leben. Aber während Hoffman seine Rolle brilliant spielt, lebt Robert De Niro ("Taxi Driver", "Zeit des Erwachens", "Heat") den sinistren und alles kontrollierenden "Spin-Doctor" Brean. Mit seinem Drei-Tage-Bart, sparsamer Gestik und Mimik und einem lakonischen Grinsen verwandelt sich der Mime in den heimlichen Herrscher des Landes, den Meister der unbemerkten Manipulation, der selbst einem CIA-Agenten die Mitgliedschaft in der KP andrehen könnte. Schauspieler vom Formate eines De Niro sind immer ein Höhepunkt eines Kinobesuches - in "Wag The Dog" ist seine Leistung ein cineastisches Erlebnis. Aber damit nicht genug. Auch die dritte im Bunde, die wunderbare Anne Heche ("Nicht schuldig", "Ich weiß, was Du letzten Sommer getan hast"), gibt ihr bestes als gegenüber den Meinungsmanipulatoren Brean und Motss reichlich hilflose Karrierefrau ohne Rückgrat. Wie die personifizerte Realsatire auf das Handy-Zeitalter ist sie praktisch keine Viertelstunde ohne Mobiltelefon zu sehen. Was zählt ist nicht der Inhalt, sondern die Mitteilung - in der Kommunikationsgesellschaft wackelt das Medium mit seinem Nutzer. Und auch die Nebenrollen sind glänzend besetzt - sei es Denis Leary ("Demolition Man", "Loaded Weapon I") als visionärer Trend-Forscher, Kirsten Dunst ("Jumanji", "Interview mit einem Vampir") als Nachwuchsschauspielerin, die in einem Spot ein aus ihrem zerbombten Dorf flüchtendes albanisches Mädchen mimen muß, Woody Harrelson ("Natural Born Killers", "Larry Flynt", "Palmetto"), der als Mitglied eines "Sonderprojektes" der Armee einen seiner glanzvollsten Auftritte hat, oder Suzie Plakson ("Meine Stiefmutter ist ein Alien", "Love & War") als rechte Hand des Exzentrikers Motss, hier haben sich ausnahmslos Könner ihres Faches versammelt. Hinzu kommen diverse Cameo-Auftritte wie z.B. von James Belushi, der seine Landsleute auffordert, den Krieg zu beenden, oder Jay Leno, der in seiner Late-Night-Show Präsidentenwitze reißt. Das wirkliche Leben könnte nicht überzeugender besetzt sein.

Wie auch "Bob Roberts" setzt "Wag The Dog" stark auf die Musik als Mittel emotionaler Manipulation. Höhepunkt des Klangangriffes ist dabei ein Song im Stile der Pop-Hymne "We are the World" - nur dass diesmal das Recht zur Verteidigung der Demokratie besungen wird. Und auch ansonsten kennt Levinson keine Gnade. Selbst die kleinste Emotion in der von ihm dargestellten Realität ist geplant. Jeder Schritt wird taktisch genau vorbereitet, jede Geste wie in einem Drehbuch im voraus festgeschrieben und jeder Satz auf seine Außenwirksamkeit sorgfältig abgeklopft. Dabei ist die Technologie der Freund der Meinungsmacher. Wie Stephen Spielberg die Saurier in voller Pracht zurück auf die Kinoleinwände brachte, so schaffen die digitalen Hexenmeister im Dienste von Motss und Brean aus einem gewaltigen Bluescreen ein bis auf die Ruinen heruntergebranntes albanisches Dorf, und verwandeln eine Tüte Kartoffelchips in den Armen einer amerikanischen Schauspielerin in ein hilfloses weißes (auf speziellen Wunsch des Präsidenten - Motss wollte lieber ein geschecktes) Kätzchen. Das ganze ist zum Schreien komisch - und doch auch zum Fürchten bedrohlich. Denn dass mit manipulierten Bildern Wirklichkeit nach Maß geschaffen wird, ist heute nichts außergewöhnliches mehr - und wie im Film war es tatsächlich auch Hollywood, speziell "Forest Gump"-Regisseur Robert Zemeckis, das bei der technischen Revolutionierung der Bilderfälschung eine Vorreiterrolle spielte. Und auch wenn außenpolitischer Tschinderassebumm von einer innenpolitischen Krise ablenken soll, wenn ein Staatsmann nur noch das Produkt seiner eigenen PR-Abteilung ist (bezeichnenderweise sieht man den Präsidenten niemals von vorn - er bleibt ein konturenloses Geschöpf), wenn die Medien jedes Dementi in eine Bestätigung umdeuten ohne sich selbst um seriöse Recherchen zu bemühen, und wenn sich eine Bevölkerung willig zum Spielball medialer Wirklichkeitswahrnehmung machen läßt, jedem patriotischen Kitsch auf den Leim geht, fühlt man sich fatal an die Realität erinnert. In seiner Gesamtheit mag "Wag The Dog" wie eine gnadenlos überspitzte Satire wirken - seine einzelnen Elementen sind der Wahrheit jedoch näher, als uns lieb sein sollte. Bezeichnenderweise bestätigte sich die Prophezeiung des Filmes fast zeitgleich mit seinem Start in den US-Kinos als die US-Öffentlichkeit erstmals von den (ebenfalls durch zahlreiche Falschmeldungen und Halbwahrheiten durch die Medien grotesk verfremdeten) Abenteuern einer jungen Praktikantin namens Monica Lewinsky im "Oral Office" des Weißen Hauses erfuhr und der angeschlagene Bill Clinton sich in einen erneuten Waffengang gegen den Irak zu stürzen schien.

Wer der Hund und wer der Schwanz ist, verrät Levinson nicht. Und das ist wohl auch nicht ohne weiteres möglich. Zwar manipulieren Brean und Motss die Medien und darüber auch die Bevölkerung. Zwar degradieren sie den Präsidenten zu einer besseren Marionette, die gerade noch die Farbe eines Kuscheltieres aussuchen darf. Doch andererseits sind sie selbst nur Figuren in einem komplexen Spiel aus Wechselwirkungen und Lügen. Wenn die Wahrheit erst gestorben ist, werden wir alle zu Hunden...

Doch die ernste Aussage, die "Wag The Dog" transportiert, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es sich bei dem Film in allererster Linie um eine brilliante Medien-Polit-Satire handelt, die alles, was sich im letzten Jahrzehnt auf diesem Sektor getan hat, mühelos in den Schatten stellt. Gewitzte Dialoge, absurde Situationen und bitter-böser schwarzer Humor mit einer ordentlichen Prise Sarkasmus und Zynismus gewürzt sorgen für einen Kinogenuß vom Feinsten. Und wem das zu destruktiv ist, dem bleibt immer noch die Möglichkeit, sich an der exzellenten schauspielerischen Darbietung zu ergötzen. "Wag The Dog" ist jetzt schon einer der absoluten Top-Hits der Jahres 1998. Can you wag the dog ?

(c) 1998 by Andreas Neumann


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