Verlag | : | verlag moderne industrie, Landsberg | Genre | : | Satire | |
ISBN | : | 3-478-35630-X | Preis | : | 49.00 DM | |
Autor | : | Scott Adams | Titel | : | Das Dilbert Prinzip |
Hollywood will uns glauben machen, ein echter Held müsse mindestens im Alleingang ein Dutzend Kriegsgefangene aus Vietnam befreit, eine Traumkarriere vom Tellerwäscher bis zum Millionär hingelegt und im Kampf gegen außerirdische Monster bestanden haben. Wer einmal in einem Bürojob gearbeitet hat, weiß dass das Unfug ist. Der eigentliche Horror ist nicht der als solcher unmittelbar erkennbare Schrecken. Er lauert vielmehr weitaus subtiler in den Konferenzen, den Firmenmemos, Umstrukturierungsplänen und Marketingstrategien, mit denen der typische "9 to 5"-Büromensch Tag für Tag konfrontiert wird. Jeder, der einmal einen derartigen Beruf ausgeübt hat, wird das bestätigen können. Gegenüber der Herausforderung, diese Hölle bei halbwegs klarem Verstand zu überleben, wirken Rambos Abenteuer wie ein Kindergeburtstag, der Terminator wie das Duracel-Trommel-Plüschhäschen. Noch schlimmer als in deutschen Landen, wo man dafür aber ein Stückchen bürokratieverliebter ist, präsentiert sich die Situation in den USA. Dem Land, das die Massentierhaltung in Form sogenannter "Großraumbüros" unmittelbar auf den Menschen übertragen hat, will bekanntlich in allen Bereichen führend sein. Glaubt man Scott Adams, der siebzehn Jahre eine Zelle in den Großraumbüros verschiedener Firmen (u.a. der Telefongesellschaft Pacific Bell) hatte, so sind sie es wohl auch auf diesem Gebiet.
"Reporter stehen täglich vor der Wahl, einen Sachverhalt entweder gewissenhaft zu recherchieren oder einfach zu schreiben, was die Leute ihnen erzählen. Beide Ansätze sind gleich erfolgreich."
Alles begann mit einer Comicfigur, die Adams angeblich in langweiligen Konferenzen zur eigenen Zerstreuung erfand: Dilbert, ein typisches Gesicht aus der amorphen Masse des Heeres der Angestellten. Dem "kantigen Strichmännchen" (Klappentext des Buches) stellt Adams verschiedene andere Figuren zur Seite - Wally, den spießigen Kollegen von nebenan, bei dem man nie so recht weiß, ob er nur zurückhaltend ist oder ob sich hinter der völlig unscheinbaren Fassade ein dunkles Geheimnis verbirgt, und den (namenlosen) Manager, der schon äußerlich mit seinen abstehenden Haarbüscheln unzweifelhaft eine Witzfigur ist. Außerdem ergänzt Adams die Protagonisten seiner Comic Strips immer wieder durch Tiere in menschlichen Positionen - ganz wie in der klassischen Fabel. Zu nennen wären hier vor allem Ratbert, die Ratte, und Dogbert, der Hund. Sie allen bevölkern die Schwarz-Weiß-Zeichnungen, in denen der Amerikaner Adams seine Erfahrungen mit den Absurditäten des Büroalltags verarbeitet. Dabei besitzen Dilbert & Co. keine festen Charaktere, keine einheitlichen "Lebensläufe" - sie werden vielmehr situationsbedingt immer wieder neu erfunden. So ist Dilbert zwar in der Regel ein kleiner Angestellter. Manchmal wird er jedoch auch in den Manager-Stand erhoben oder mutiert zum Buchhaltungsmonster. Die skurrilen Comics, die grundsätzlich aus nie mehr bis zu zehn Bildern bestehen, trafen scheinbar einen Nerv der US-Büroarbeiter. Ihre Veröffentlichung in diversen Zeitungen wurden ein riesiger Erfolg - heute drucken über 1.550 Presseerzeugnisse die Geschichten um Brillenträger Dilbert ab. In unzähligen e-Mails berichteten Leidensgenossen Scott Adams (scottadams@aol.com) von bizarren Erlebnissen im eigenen Alltag, aus dem Dilbert-Erfinder wurde der Held des kleinen Angestellten. Und so kam es, wie es kommen mußte - Adams schrieb (und zeichnete) ein Buch - "Das Dilbert Prinzip". Denn offensichtlich handelte es sich bei den von ihm zeichnerisch dokumentierten Erlebnissen nicht um eine Singularität. Das Chaos hat Prinzip.
"Das Dilbert Prinzip" besteht aus sechsundzwanzig Kapiteln - plus einem Vorwort und einer Einleitung. Jedes Kapitel beschäftigt sich mit einem ganz bestimmten Teilbereich der büroimmanenten Schrecken, wie z.B. dem "Unternehmensberater", der "Finanzplanung", "ISO 9000" und dem "Reengineering". Der Aufbau ist dabei immer gleich: In den eigentlichen Text eingestreut finden sich zum Thema passende "Dilbert"-Strips. Abgerundet wird das ganze jeweils durch e-Mails von (anonymisierten) "Dilbert"-Fans, durch die die ausnahmslos wunderbar sarkastischen Vermutungen des betreffenden Kapitels schonungslose Bestätigung erfahren. "Das Dilbert Prinzip" ist von der Konstruktuion her somit definitv kein Roman, es ist aber auch kein Sachbuch. Vielmehr bedient sich Adams der (scheinbar) nüchternen Sprache des letzteren und wichtiger Elemente der Erzählung, wie z.B. der identifikationsstiftenden Figur des "Helden" und wiederkehrender Nebendarsteller, um ein eigenständiges neues zu schaffen. Dabei behält er stets einen freundlichen Plauderton bei, nicht ohne in den vordergründig harmlosen Sätzen im Halbsatzrhythmus satirische Spitzen abzufeuern. Das erinnert des öfteren frappant an den ScienceFiction-Kultautor Douglas Adams, zum Teil scheint sein amerikanischer Namensvetter von diesem sogar unmittelbar Ideen zu "entleihen" (wie etwa die Bezeichnung des Menschen als auf Kohlenstoff basierender Lebensform). Das ganze wurde von Markus Schurr und Wolfram Ströhle brilliant ins Deutsche übersetzt.
"Vielleicht kennen Sie die Redensart: Wenn man tausend Affen mit tausend Schreibmaschinen in ein Zimmer sperrt und lange genug wartet, hat man zuletzt ein Zimmer voller toter Affen. (Hinweis: Probieren Sie doch mal, die Affen zu füttern.) Die schriftliche Gruppenarbeit ist einem Zimmer voller toter Affen sehr ähnlich, nur nicht so witzig."
Das 330 Seiten starke Buch ist ein einziges Lesevergnügen von der ersten Seite an bis - fast - zum furiosen Ende. Muß man sonst immer mühsam nach Textstellen suchen, die eines Zitates würdig erscheinen, springt einem hier praktisch in jedem Absatz eine gelungene Pointe ins Auge. Lediglich das letzte Kapitel, in dem Adams etwas krampfhaft ein eigenes (aber natürlich nicht ernst gemeintes) "Unternehmensmodell" zu entwickeln versucht, fällt gegenüber dem Rest des Buches deutlich ab. In diesem gibt es dafür umso mehr zu lachen, wobei sich der Humorfaktor in geschriebenem Text, Comic und dokumentierten e-Mails im großen und ganzen die Waage hält. Mit sich selbst und auch mit dem Leser geht der Autor ironisch ins Gericht. Und mit bemerkenswert gelungenen Fußnoten macht sich Adams gleichzeitig noch über so manche Unart der Zunft der Buchautoren lustig. Am "Dilbert Prinzip" zu bemängeln wäre vielleicht, dass sich manche Zeichnungen wiederholen. Ausserdem sind sie - im Gegensatz zum auch von der Schriftgröße her gut lesbaren Text - äußerst klein geraten, so dass derjenige, der ihre Dialoge entziffern kann, mit Sicherheit keine Brille braucht. Oder schon eine hat. Und wenn nicht, wäre "Das Dilbert Prinzip" der geeignete Anlaß, sich eine zuzulegen. Denn die Erkenntnisse, die Adams für seine These von der unaufhaltsamen Karriere der Inkompetenz verarbeitet hat, dürften jedem bekannt vorkommen, der einmal in einem ähnlichen Beruf arbeiten mußte. Aber auch allen anderen dürfte der trockene Humor, mit dem "Dilbert" und sein Schöpfer die Grausamkeit des Großraumbüros meistern, "die endgültige Wahrheit über Chef, Konferenzen, Manager und anderen Martyrien", wie der Untertitel der deutschen Übersetzung ankündigt, einen Heidenspaß bereiten. Denn letztlich steckt in jedem wohl ein kleiner "Dilbert".
"Heutzutage kann offenbar jeder Idiot mit einem Laptop ein Wirtschaftsbuch zusammenschreiben und damit Kohle machen. Darauf hoffe ich natürlich auch. Es wäre wirklich eine herbe Enttäuschung, wenn sich der Trend änderte, bevor dieses Meisterwerk in Druck geht."