phonetic

Interview mit Olaf "Olsen" Barthel

Olaf Barthel, zu dem der Spitzname "Olsen" wie ein untrennbarer Bestandteil seines wirklichen Namens gehört, ist eine der unverrückbaren Konstanten der Amiga-Gemeinde. Mit seinem Programm "Term" hat er einen Klassiker der Telekommunikationssoftware für den Amiga geschrieben. Inzwischen hat er sich einem weiteren Genre-Primus angenommen - dem Texteditor "Cygnus Ed". Und auch auf offizieller Ebene war Olaf schon von jeher aktiv. So hat er u.a. für die Escom-Tochter Amiga Technologies die "Amiga Developer CD-ROM" zusammengestellt. Erst vor kurzem sorgte die Ankündigung von Amiga International, Olaf "Olsen" Barthel sei - neben diversen anderen Firmen und Einzelpersonen - mit der Entwicklung des AmigaOS 3.5 betraut worden, für Erleichterung und optimistische Erwartungen. Im "Gadget"-Kurzinterview erläutert der Hannoveraner, wie er die nun erfolgte Änderung in der Produktpolitik von Amiga Inc. bewertet.


AG: Was ging Dir durch den Kopf, als Du von den auf der World of Amiga vorgestellten Plänen von Gateway und Amiga Inc. erfahren hast ?
OB: Wie auch eine Reihe anderer Leute bin ich ein paar Wochen vorab darin eingeweiht worden, was in London angekündigt werden sollte. Grundsätzlich halte ich die getroffene Entscheidung für richtig, habe aber damals schon kritisiert, dass die Auswirkungen auf die vorhandene Amiga-Gemeinde nicht berücksichtigt wurden. Meine Hoffnung war, daß zumindest dieser Kritikpunkt bis zur WoA noch Berücksichtigung finden würde, aber dem war dann leider doch nicht so. Ich hätte mir mehr Fingerspitzengefühl seitens Amiga, Inc. gewüscht. Da ist unnötig Geschirr zerschlagen worden.
AG: Wurdest Du vorher informiert oder wie der Rest der Amiga-Welt auch erst am 15. Mai überrascht ?
OB: Ich wurde Ende April vorab informiert.
AG: Es ist noch kein Vierteljahr her, dass die Amiga-Gemeinde mit Optimismus auf die Ankündigung reagierte, Olaf Barthel und andere bekannte Größen der Amiga-Welt seien mit der Entwicklung von AmigaOS 3.5 beauftragt worden. Dein Verhältnis zu den jeweiligen Amiga-Firmen war früher aber doch immer eher ambivalent gewesen - neben offizielle Tätigkeiten etwa für Amiga Technologies einerseits trat harsche Kritik andererseits ("Politbüro", "grob fehlerhafte Hardware"). Wie kam es dann doch noch zum Engagement für 3.5 ? Gab es nicht schon genug verbrannte Erde auf beiden Seiten ?
OB: Wenn ich der Meinung gewesen wäre, dass meine Mithilfe bei der Erstellung des 3.5 Updates nicht von Nutzen gewesen wäre, hätte ich den Auftrag nicht angenommen. Nach all den Fehlern der Vergangenheit hätte es ja dieses eine Mal klappen können, ein Projekt von Anfang bis Ende sauber und vernünftig durchzuziehen. Wenn man vorhat, die Dinge richtig zu machen, muß man irgendwann auch wirklich einmal damit anfangen. Naja, ich hab's (wieder einmal probiert)...

Das 3.5 Update ist ursprünglich wohl nur eine Idee aus dem Hause Amiga International gewesen, mit einem Produkt zum Weihnachtsgeschäft 1997 Umsatz machen zu können. Für mich sah das sehr nach einen Schnellschuß aus. Und gerade den hätte man sich nicht leisten können. Deshalb haben Alain Penders, Fleecy Moss und ich gerade dafür gearbeitet, ein "rundes" Produkt ohne den typischen Bundling-Charakter zu entwickeln.

AG: Schon bei der 3.5-Entwicklung stiftete die Ankündigungspolitik von Amiga International mehr Verwirrung als Klarheit. Wer genau gehörte denn nun zum Team ?
OB: Geplant wurde das 3.5 Update von Alain Penders, Fleecy Moss und von mir. Über die konkrete Durchführung kann ich wegen unterzeichneter NDAs nichts sagen. Nur soviel: das Wunschdenken auf Seiten von Amiga International deckte sich nie mit den erarbeiteten Vorgaben und den geplanten Teilprojekten.
AG: Was passiert nun mit AmigaOS 3.5, dessen Spezifikationen ja schon recht detailliert ausgearbeitet worden waren ? Und was für Neuerungen hätte das Update dem User gebracht - wenn es denn tatsächlich fertiggestellt worden wäre ?
OB: Derzeit sieht es so aus, als ob die Planung nun doch noch umgesetzt wird. In welcher Form dies geschehen wird, sollte sich innerhalb der nächsten Woche klären.

[ Das Interview wurde von Olaf am 2. Juni beantwortet. (an) ]

Das Update hätte -- ohne ins Detail zu gehen -- die meisten konkreten Probleme des AmigaOS 3.1 gelöst oder zumindest entschärft. Ziel der Planung war insbesondere eine Konsolidierung, auf der weitere Betriebssystementwicklungen nach Erscheinen des 3.5 Updates hätten aufsetzen sollen.

AG: Wie sieht Deine Prognose bezüglich der Zukunft des Amiga aus ? Wird es eine Spaltung des Marktes in die offizielle Amiga-Linie einerseits und ein PowerPC-Produkt andererseits geben ?
OB: Noch besteht die Gefahr, dass Amiga, Inc. mit der Vergangenheit komplett brechen wird. Und wenn das passiert, werden zwei Entwicklungspfade (68k und neuer Amiga) unvermeidlich sein. Es wäre sinnvoll, beide Pfade zusammenzuführen und ich hoffe auch, dass das passieren wird. Welche Rolle der PowerPC in diesem ganzen Konzept haben wird, kann ich nicht absehen. Aber wenn das Betriebssystem des neuen Amigas hardwareunabhängig sein soll, muss auch eine PowerPC-Variante möglich sein. Letztlich entscheidet der Markt, ob ein solches System eine Zukunft hat.
AG: Besteht überhaupt noch Bedarf für ein eigenes AmigaOS - oder kann Linux nicht schon alles, was man von einem Betriebssystem erwarten kann ? Was hälst von proprietären Außenseiterlösungen wie p-OS ?
OB: Der Tag, an dem man Linux drei Sekunden nach dem Hochfahren des Systems per Reset ohne Datenverlust neu starten kann, an dem man Linux in sechs Sekunden vom Kaltstart zur vollen Funktionsfähigkeit bringen kann und an dem Linux im selben eingeschränkten Maße echtzeitfähig ist, wie das Amiga-Betriebssystem, wird es AmigaOS überlegen sein. Es gibt eine ganze Reihe von Programmen, die die Features des Amiga-Betriebssystems benötigen und die sich nicht ohne Funktionsverlust portieren lassen.

Jede Außenseiterlösung hat ihren Zweck solange sie einer konkreten Anwendung zugeordnet ist. p-OS hat seine Nische, eine echte Alternative ist es aufgrund fehlender Binär- und API-Kompatibilität aber nicht.

AG: Steht mit der in Zukunft die Abwärtskompatibilität gewährleistenden Emulation und der damit verbundenen Ausgliederung der Funktionen aus dem AmigaOS selbst der Weg zur Portierung des bisherigen Systems auf andere Rechnerwelten nun auch offiziell offen - etwa über das AROS-Projekt ?
OB: Das Ziel ist ein hardwareunabhängiges Betriebssystem. Und das beinhaltet genau diese Funktion.
AG: Du bist einer der produktivsten und vielseitigsten Amiga-Programmierer - an welchen Projekten arbeitest Du zur Zeit ?
OB: Ich betreue derzeit noch die Softwareseite der add-ons für die Picasso IV. Meine letzten Arbeiten waren die verbesserten Debugging-Tools "Sashimi", "Wipeout" und "Blowup", der Textanzeiger "Browser" und der Editor "CygnusEd". Im Rahmen der Aufbereitung der ROM Kernel Reference Manuals habe ich außerdem Programme zur Überprüfung der Konsistenz von AmigaGuide-Datenbanken und einen automatischen Konverter geschrieben, der AmigaGuide-Datenbanken 1:1 in HTML umsetzt.
AG: Macht Dir angesichts der Entwicklung der letzten Jahre die Arbeit für und mit dem Amiga überhaupt noch Spass ? Oder besteht die Gefahr, dass Du eines Tages "die Brocken hinschmeisst" und Dich einer anderen Plattform zuwendest ?
OB: Ich sehe für den Amiga noch genügend Anwendungsmöglichkeiten und ich würde mich von der Plattform erst dann verabschieden, wenn eine echte Alternative in Sicht ist: derzeit ist das noch nicht der Fall.
AG: Vielen Dank für die Beantwortung der Fragen und alles Gute für die Zukunft !

[ Das Interview führte (an) für das "AmigaGadget". ]

Zurück