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Filmkritik : Deep Impact

von Mimi Leder
mit : Téa Leoni, Elijah Wood, Morgan Freeman, Robert Duvall, Vanessa Redgrave..
USA, 1998
FSK : ab 12

Es gibt wenig, was die Menschheit mehr fasziniert als ihr eigener Untergang (abgesehen vielleicht vom neuesten Kater von Harald Juhnke). Je näher die Jahrhundertwende rückt - die diesmal ja sogar eine Jahrtausendwende ist - desto stärker scheint das "Fin de siècle" dem Homo sapiens einerseits aufs Gemüt zu drücken und ihn andererseits in den Bann zu ziehen. Allerorten herrscht Weltuntergangsstimmung - von den Sonnentemplern bis zu sektenführenden Psychiaterinnen auf Mallorca - und jeder schaut begeistert hin. Das Hamburger Nachrichtenmagazin "Der SPIEGEL" ist schon seit Monaten mit apokalyptisch angehauchten Artikeln zur Zeitenwende durchseucht und Hollywood feiert das drohende Ende der Menschheit mit Vernichtungsfilmen wie "Mars attacks!" ("AmigaGadget"#29) oder Emmerichs "Independence Day" ("AmigaGadget"#27). Apokalypse ? Wow. Neuester Schrei im Rennen um den einfallsreichsten globalen Genozid ist die Bombardierung der Erde aus dem All - zumindest auf der Kinoleinwand. In etwa zwei Monaten wird "Die Hard"-Star Bruce Willis versuchen, in "Armageddon" die Menschheit vor der Vernichtung durch einen drohenden Kometeneinschlag zu beschützen. Steven Spielbergs Produktionsfirma "DreamWorks" war sogar noch schneller und ließ "Deep Impact", ihren Beitrag zum Bombardement aus dem All, schon jetzt auf die Kinoleinwände der Welt stürzen.

In einer sternenklaren Nacht macht der Schüler Leo Biederman (Elijah Wood) eine Entdeckung, die ihm (fragwürdigen) Ruhm und der Menschheit (erhebliche) Probleme einbringen wird. Der von Leo photographierte Himmelskörper erweist sich unter den fachkundigen Augen des routinemäßig informierten Astronomen Marcus Wolf (Charles Martin Smith) als gigantischer Komet, der sich auf direktem Kollisionskurs mit der Erde befindet. Auf dem Weg zur Publikmachung der Sensation verunglückt Wolf jedoch tödlich, so dass die Entdeckung des noch rechtzeitig Wolf-Biederman getauften Himmelsgeschosses zunächst noch nicht an die Öffentlichkeit gelangt. Dies geschieht erst ein Jahr später, als die junge, ehrgeizige, aber noch ziemlich erfolglose MSNBC-Journalistin Jenny Lerner (Téa Leoni) durch Zufall auf ein Projekt namens E.L.E. stößt, in das höchste Regierungskreise verwickelt sind und welches ihr schon bald eine Begegnung mit dem (einem) US-Geheimdienst sowie dem Präsidenten der Vereinigten Staaten (Morgan Freeman) beschert. Wie sich herausstellt verbirgt sich hinter dem Kürzel nichts geringeres als die Vernichtung der Evolution - das Ende der Dinosaurier, Teil 2, um im Jargon des Genres zu bleiben. Die Regierung hat die letzten zwölf Monate zur Ausarbeitung einer Abwehrstrategie genutzt. Diese sieht vor allem den Einsatz eines in Zusammenarbeit mit den Russen völlig neu konstruierten Raumschiffes, der "Messiah", vor. Dessen Crew um den Weltraum-Veteranen Spurgeon "Fish" (was nichts mit dem schottischen Rocksänger zu tun hat) Tanner (Robert Duvall) soll auf dem Kometen landen, dort diverse Atomsprengköpfe versenken und schließlich den gewaltigen Felsbrocken mit Hilfe der Kraft aus dem winzigen Atom pulverisieren. Die ganze Aktion wird auf der Erde natürlich mit großem Interesse verfolgt - und macht Jenny Lerner, die die "Gunst" der Stunde zu nutzen weiß, zum Medienstar. Da stören sie auch diverse familiäre Probleme, die mit der Trennung ihrer Eltern (Vanessa Redgrave und Maximilian Schell) zusammenhängen, wenig. Ärgerlicher ist da schon die Erkenntnis, dass der Plan von Präsident Beck nicht nur fehlschlägt, sondern die Gefahr noch vergößert. Statt nur einem Kometen Wolf-Biederman rasen nun zwei gewaltige Bruchstücke (nun wieder getrennt: Biederman und Wolf) auf den dritten Planeten des Sonnensystems zu. Auf dem tritt daraufhin Plan B in Kraft. Während man einerseits versucht, die Himmelskörper durch den Einsatz von Langstreckenraketen doch noch zu stoppen, soll andererseits das Überleben der Menschheit gesichert werden. Zu diesem Behufe hat man eine gewaltige unterirdische Anlage errichtet - das "Projekt Arche". Hier soll eine Millionen US-Bürger, neben ausgewählten Persönlichkeiten vor allem Gewinner einer speziellen "Überlebens-Lotterie", Unterschlupf finden. Dem Rest verkündet der Präsident, dass es noch nicht zu spät sei, sich selbst eine persönliche Arche zu graben. Darüber kann Leo Biederman, der als Entdecker des Kometen das große Überlebenslos gezogen hat, nun aber gar nicht lachen - denn seine Freundin Sarah (Leelee Sobieski) gehört zum traurigen Rest der Verlierer. Also versucht er mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln zu verhindern, dass Sarah anstatt mit Biederman zusammenzuleben, von ihm erschlagen wird.

"Das Ende der Menschheit naht, Wolf Biederman bedroht die Welt! Nein, nicht der schnauzbärtige Protestbarde aus der ehemaligen DDR ist gemeint. Der heißt Wolf Biermann, und so gewaltig ist seine Stimme nicht, auch wenn er dies manchmal zu glauben scheint."

-- Oliver Rahayel

Für "Deep Impact" (deutscher Untertitel: "Wenn der Himmel auf die Erde stürzt") hat Hollywood ein Starensemble aufgeboten, das eines Robert Altman oder Woody Allen würdig gewesen wäre. Doch leider werden die meisten Berühmtheiten in unbedeutenden Nebenrollen verschlissen - Vanessa Redgrave ("Blow-Up", "Mord im Orient-Express", "Wiedersehen in Howards End", "Das Geisterhaus"), Maximilian Schell ("Die Letzten werden die Ersten sein", "Topkapi", "Die Akte Odessa", "Justiz"), James Cromwell ("Ein Schweinchen namens Babe", "L.A. Confidential", "Star Trek: Der erste Kontakt") oder Denise Crosby ("Star Trek - Die nächste Generation", "Jackie Brown") huschen mehr durchs Leinwandbild als dass sie Präsenz zeigen dürften. Lediglich Robert Duvall ("Der Pate II", "Bullitt", "Tage des Donners", "Apokalypse Now") und Morgan Freeman ("Miss Daisy und ihr Chauffeur", "Robin Hood", "Die Verurteilten", "Seven") wird erlaubt, in manchen Szenen etwas länger im Bild zu bleiben. Doch es wird ihnen nicht gedankt - ihre Auftritte sind durch die Bank unglaubwürdig oder albern - etwa wenn der Raumschiff-Kommandant Tanner anfängt, seiner Crew aus "Moby Dick" vorzulesen. Die Hauptrollen bleiben somit zwei Nachwuchsstars vorbehalten. Dabei fällt Téa Leoni, die zuvor in Filmen wie "Eine Klasse für sich" und "Wyatt Earp" primär nett lächeln durfte, vor allem dadurch auf, dass sich ihre Augen interessanterweise nicht auf derselben Höhe zu befinden scheinen. Und wenn Elijah Wood ("Avalon", "Forever Young") tatsächlich, wie es der Vorname seiner Filmfigur verheißt, als überlebendes Substitut für Mädchenschwarm Leo DiCaprio aufgebaut werden sollte, dürfte auch dies auf ganzer Linie mißlungen sein. A propos "Titanic" - selbst John Helmer, der für das oscarprämierte Dampfer-Epos eine stimmige Filmmusik komponierte (vgl. Rezension in "AmigaGadget"#35) dümpelt bei "Deep Impact" lustlos im Gewässer der Einfallslosigkeit.

Doch natürlich sind Schauspieler und Akustik bei einem solchen Film ohnehin nur von nachrangiger Bedeutung. Wenn der Komet auf die Erde kracht erwartet das Publikum vor allem zweierlei - spektakuläre Effekte und einen packenden Plot (zu deutsch: gewaltige Massenszenen, in denen Tausende Menschen voller Panik durch die Gegend rennen). Aber leider erweist sich "Deep Impact" auch hier als Katastrophenfilm im wahrsten Sinne des Wortes. Das überrascht um so mehr als die Spezialeffekte von niemand geringerem als Georges Lucas' berühmten Trickexperten von "Industrial Light & Magic" geschaffen wurden. Doch lediglich die Szenen, in denen eine gewaltige Flutwelle über die Ostküste der USA hereinbricht und sich - wie in einer Fortsetzung von "Independence Day" mit maritimen Mitteln - ihre Bahn durch die Straßen von New York bricht, wissen zu überzeugen und zu beeindrucken. Davor herrscht entweder ausdrückliche Visualisierungsverweigerung (etwa bei der Attacke mit den Langstreckenraketen) oder ein unerklärlicher Dilettantismus. Blamabler Höhepunkt ist die Darstellung des sich durchs Weltall bewegenden Kometen - selbst im Vorspann der TV-Serie "Deep Space Nine" wirkt das realistischer. Kein Wunder, dass sich der Computerpionier Apple, ansonsten immer in vorderster Front wenn es um Präsenz auf der Kinoleinwand geht (z.B. in "Independence Day"), diesmal vornehm zurückhielt und Compaq den Vortritt ließ. Überhaupt paßt die computertechnische Ausrichtung zum Sujet. Was könnte einen Film über einen verheerenden Absturz besser illustrieren als Wintel-Rechner und ein Nachrichtensender von - natürlich - Microsoft (MSNBC).

Doch der technologische Stumpfsinn ist noch gar nichts gegen das, was Mimi Leder, die schon mit ihrem Kino-Debüt "Project: Peacemaker" Steven Spielbergs "DreamWorks" nicht unbedingt Ruhm und Ehre einbrachte, in dramaturgischer Hinsicht mißlungen ist. Dabei ist das Thema eigentlich wie geschaffen sowohl für einen atemberaubenden, weitgehend hirnlosen Action-Thriller im Stile der Katastrophenfilme der siebziger Jahre, als auch für eine intellektuell anspruchsvollere Beschäftigung mit der Frage, wie Menschen mit der Bedrohung ihrer Vernichtung umgehen, wie sie auf die Selektion derjenigen, die überleben dürfen, reagieren. Leider versucht Mimi Leder, beides zu schaffen. Das führt dazu, dass der Zuschauer unzählige Handlungsstränge präsentiert bekommt, denen der Film jedoch so wenig Aufmerksamkeit schenkt, dass man gegenüber den dort angelegten Problemen und den betreffenden Darstellern reichlich gleichgültig bleibt. Andererseits kurvt die Handlung von einer Unlogik in die nächste. Nicht jedem dürfte etwa einleuchten, weshalb ausgerechnet die Russen (Stichwort: MIR) an einem so wichtigen Hochtechnologieprojekt wie der "Messiah" beteiligt sind, nicht aber die weltraumtechnisch nicht minder kompetenten Europäer. Oder warum niemand von selbst auf die Idee kommt, unterirdische Schutzräume im großen Stil zu errichten. Oder warum die Menschen in der Nähe der vorberechneten Einschlagsstellen (die natürlich beide in unmittelbarer Nachbarschaft zur USA liegen) dort zunächst in aller Ruhe verweilen, um dann in den letzten Stunden panikartig wie Lemminge die Ausfallstraßen zu verstopfen. Oder warum der US-Geheimdienst, dem es einerseits über ein Jahr hinweg gelingt, trotz großangelegter Vorbereitungsmaßnahmen der Öffentlichkeit die Existenz der Bedrohung zu verschweigen, andererseits dem Irrglauben unterliegt, Biederman sei ein zweiter Astronom und bei dem Unfall zusammen mit Wolf verstorben. Zu diesen inhaltlichen Ungereimtheiten gesellen sich peinliche Dialoge in der überflüssigen Beleuchtung der Einzelschicksale, der für US-Produktionen der letzten Jahre so typische Pathos und eine Oberflächlichkeit bisher nicht gekannten Ausmaßes. "Deep Impact" ist wohl der erste Film, in der sich die Vereinigten Staaten nicht nur als Heimat der Freien und Tapferen, sondern auch der körperlich Perfekten präsentieren. Nicht nur, dass kein Mensch in diesem Film eine Brille zu tragen scheint. Im Land der Übergewichtigen ist zu allem Überfluss auch niemand zu sehen, dessen Gewicht die Weightwatcher-Princess "Fergie" nicht blass vor Neid werden ließe. Schlussendlich hat sich Leder auch noch aus dem Motivkatalog der Religionen (insbesondere der christlichen) bedient - und auch dass ohne sich der Materie in angemessener Weise zu nähern. So kann man es wohl nur noch blamabel nennen, wenn gezeigt wird, wie in die "Arche" wie in ihren biblischen Namensvettern jeweils zwei Exemplare der verschiedenen Tierarten gebracht werden. Hier sollte das Verständnis von der Erforderlichkeit genetischer Vielfalt nach Mendel doch etwas weiter fortgeschritten sein. Aber warum sollte es dem Genpool der zu rettenden Evolution anders gehen als dem Unterhaltungswert des Filmes ? Beide sind äußerst beschränkt.

(c) 1998 by Andreas Neumann

"Während die Spannung steigt - auf ein Niveau leicht über Null - zeigt die Kamera dauernd besorgte Gesichter, die überhaupt nicht interessieren."

-- Günter H. Jekubzik

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