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Filmkritik : Scream 2

von Wes Craven
mit: Neve Campbell, David Arquette, Courteney Cox, Jamie Kennedy, ..
USA, 1997
FSK : ab 16

Eine der wichtigsten Regeln, um in einem Horrorfilm zu überleben, lautet: Sage niemals, unter keinen Umständen, dass Du gleich zurück sein wirst. Denn Du wirst dann nicht zurückkommen. Zum Glück ist die Wirklichkeit kein Horrorfilm. Und so war es möglich, dass Wes Cravens Überraschungserfolg "Scream", eine tiefschwarze Satire auf das Horrorgenre, fortgesetzt wurde. Angesichts unzähliger miserabler Fortsetzungen - gerade auch von Horrorfilmen - konnte man jedoch mit Fug und Recht fürchten, dass "Scream 2" nur ein blutleerer Zombie des intelligenten, spannenden und - nomen est omen - zum Schreien komischen Originals werden würde.

Die schrecklichen Ereignisse von Woodsboro, die in "Scream" geschildert wurden, liegen beruhigende zwei Jahre zurück. Sidney Prescott (Neve Campbell) hat ihr Heimatdorf verlassen und studiert nun gemeinsam mit ihrer neuen Freundin Hallie (Elise Neal) am Windsor College. Auch Randy Meeks (Jamie Kennedy), der leicht durchgeknallte Filmfreak, ist dort immatrikuliert - natürlich im Fach Filmwissenschaften. Alles könnte also seinen ruhigen, normalen Gang gehen, wäre da nicht "Stab". Unter diesem Titel wurde nämlich der Roman der aufdringlichen Reporterin Gale Weathers (Courteney Cox) über die Woodsboro-Morde verfilmt. Dieser Streifen kommt zu Beginn von "Scream 2" in die Kinos und trifft genau den Geschmack der jugendlichen Zielgruppe. So besuchen u.a. auch die beiden Studenten Phil Stevens (Omar Epps) und Maureen Evans (Jada Pinkett) die Vorpremiere, wobei letztere sich aber nur schweren Herzens zu "Stab" und gegen den neuen Sandra Bullock-Film überreden läßt. Die Stimmung im Kinosaal ist mörderisch gut. Da die Filmverleihfirma jedem Besucher ein "Stab"-Merchandising-Paket spendiert hat, springen zahlreiche Zuschauer im Originalkostüm des Mörders umher und stechen mit Gummimesser fröhlich aufeinander ein. Doch der Spass findet ein jähes Ende, als einer der Vermummten das Spiel zu weit treibt. Während Phil auf dem stillen Örtchen ein ebensolches Ende findet, schlachtet der Killer die schreiende Maureen synchron zum Geschehen auf der Leinwand vor der Leinwand ab. Zu spät merken die Mitbesucher im allgemeinen cineastischen Blutrausch, dass es sich hier nicht um einen kleveren Werbegag handelt. Die Geschichte scheint sich zu wiederholen. Und die Presse wittert demzufolge eine Sensation, die Geburt eines neuen Serientäters. Deswegen rückt natürlich auch Sidney schon bald ins Rampenlicht, zumal der erste Mord auf dem Campus nicht lange auf sich warten läßt. Prompt taucht Dewey Riley (David Arquette) auf, der ehemalige Deputy der Woodsboror Polizei. Durch die Verletzungen, die er in "Scream" erlitten hat, und die ihn nun etwas hinken lassen, mußte er seine vielversprechende Karriere als Hilfssheriff aufgeben. Um so mehr fühlt er sich nun verpflichtet, schützend für Sidney zu sorgen. Doch die ist nicht allein. Denn in dem glatten Biologiestudenten Derek (Jerry O`Connell) hat sie einen neuen Freund gefunden. Und dann sind da noch einige geistig eher noch entwicklungsbedürftige Verbindungsstudentinnen, die Sidney gerne als eine der ihren begrüßen würden. Für Verwirrung sorgt lediglich Gale Weathers, die sich nicht nur gegenüber der lokalen Journaille, wie z.B. der ungeschickten Reporterin Debbie Salt (Laurie Metcalf), durchsetzt, sondern die darüber hinaus Sidney mit der Anwesenheit von Cotton Weary (Liev Schreiber) überrascht - dem Mann, der wegen der falschen Beschuldigung durch Sidney ein Jahr in der Todeszelle verbringen mußte. Und so wird Sidney von ihrer Vergangenheit eingeholt und ist schon bald wieder die Gejagte in einem teuflischen - und vor allem auch tödlichen - Spiel.

Wie alle Fortsetzungen leidet "Scream 2" darunter, nur die Neuauflage einer alten Idee zu sein. Das erfrischend Neue, das dem Original anhaftete, können auch Wes Craven und Drehbuchautor Kevin Williamson nicht in ihr Sequel hinüberretten. Die selbstreferentielle, ironische Abrechnung mit den Riten des Horrorgenres, das in dieser Form bisher unbekannte intelligente Spiel mit Klischees und Stereotypen sorgte in "Scream" für Begeisterung - in "Scream 2" ist es ein schon bekanntes Stilelement und von daher weitaus weniger aufregend. Das gleiche gilt für die vordergründig ablaufende Mörder- (bzw. über weite Strecken Opfer-)Jagd. Auch dieser Part besitzt zwangsläufig nicht die Originalität des ersten Teils. Glücklicherweise ist Craven mit "Scream 2" dennoch ein guter und sehr unterhaltsamer Streifen gelungen. Das mag daran liegen, dass Wes Craven ("Nightmare On Elm Street") ein Altmeister des Genres ist - und noch dazu ein intelligenter Mensch. So gelingt ihm zusammen mit Kamermann Peter Deming ein handwerklich ausgereifter Film, bei dem sich jede Einstellung paßgenau in das fast zwei Stunden lange ganze einfügt. Obwohl "Scream 2" nicht ganz die herrlich klaustrophobische Enge des Originals erreicht, glücken Craven und Deming einige atemberaubende Gruselszenen - etwa wenn Gale Weathers vom Killer durch ein schalisoliertes Tonstudio gejagt wird oder wenn die Verbindungsstudentin "Cici" Cooper (Sarah Michelle Gellar) erkennen muß, dass sie nicht mehr alleine im Haus ist. Aber die eigentlichen filmerischen Höhepunkte sind eine Theaterprobe, bei der sich Sidney als Kassandra mit einer Horde maskierter griechischer Chorsänger konfrontiert sieht, und die bitterböse Anfangssequenz im "Stab"-Premierenkino. Wie Craven hier Realität und Fiktion in mehreren Ebenen miteinander verwebt, ist schlichtweg meisterhaft - die Kinobesucher sehen einen Horrorfilm über einen maskierten Massenmörder, in dem Kinobesucher einen Horrorfilm über einen maskierten Massenmörder sehen, als plötzlich ein maskierter Massenmörder zuschlägt. Ähnlich hinterhältig war zuletzt nur Wolfgang Petersen, der den Ausbruch seines "Outbreak"-Killerviruses auch in einen Kinosaal verlegte und dort genüßlich en detail vorführte.

Aber vielleicht sind auch die Darsteller die Stärken von "Scream 2". Wer im ersten Teil das Glück hatte zu überleben, findet sich mit ziemlicher Sicherheit auch auf der Besetzungsliste der Fortsetzung wieder. Und erneut spielen die zumeist eigentlich aus der TV-Branche kommenden Neve Campbell ("Party Of Five"), Courteney Cox ("Friends"), David Arquette ("Skin And Bone") und Jamie Kennedy ("Romeo und Julia")) ihre angestammten Rollen mit Bravour und einem nicht zu übersehenenden Augenzwinkern - etwa wenn Kennedys Figur auf die Frage, was er denn bei einer Fortsetzung der Woodsborer Morde ändern würde, antwortet, dass er den Filmfreak das Mädchen bekommen ließe, oder wenn der schusselige aber unverwüstliche Dewey andeutet, seine Begriffsstuzigkeit könnte letzten Endes möglicherweise nur eine besonders ausgebuffte Taktik sein, mit der er die Leute in Sicherheit wiegen will. Aber auch die neuen Gesichter überzeugen, wenngleich leider niemand die psychopathische Qualität der beiden Killer aus dem ersten Teil erreicht. Aber neben Liev Schreiber ("Kopfgeld"), der im Gegensaz zu seiner tragenden Rolle in Teil 2 in "Scream" nur Kleinstauftritte hatte, reihen sich zahlreiche talentierte oder zumindest - was für die Verkörperung potentieller Mordopfer besonders wichtig ist - gut aussehende Nebendarsteller, die "Scream 2" zu einem optischen Vergnügen machen. Zu nennen seien hier nur Jada Pinkett ("Der verrückte Professor"), Jerry O´Connell ("Sliders", "Jerry Maguire"), Timothy Olyphant ("Lebe lieber ungewöhnlich"), Sarah Michelle Gellar ("Buffy, der Vampirjäger"), Laurie Metcalf ("JFK", "Leaving Las Vegas") und Rebecca Gayheart ("Earth 2"). Der grandoseste Auftritt gehört aber einer Soap-Darstellerin. Als Sidney in "Scream" darüber spekulierte, wer wohl ihre Rolle spielen würde, sollte ihre Geschichte jemals verfilmt werden, meinte sie resignierend, bei ihrem Pech würde das wohl Tori Spelling machen. Und tatsächlich taucht die Tochter von TV-Produzent Aaron Spelling in der Rolle des Sidney-Pendants in "Stab" auf - bei aller Berechtigung des Scherzes aus Teil 1: soviel Mut zur Selbstironie verdient Respekt.

Möglicherweise liegt es aber auch am Plot von Kevin Williamson, dass "Scream 2" im Gegensatz zu so manch anderen Fortsetzungen durchaus seine Existenzberechtigung hat. Dabei weist er leider, im Gegensatz zum ersten Teil, einige logische Ungereimtheiten auf. Mag man sich mit dem relativ unvermittelt über den Zuschauer hineinbrechenden Showdown und die kaum vorhersehbare Lösung des Whodunnit noch abfinden, ist die Wandlung der Protagonistin von der logisch denkenden und abgeklärten jungen Frau, als die Sidney in "Scream" noch erschien, hin zur irrational agierenden Scream-Queen ein grober Bruch im Stil der Mini-Serie. Jedenfalls hätte Sidney in Teil 1 die Gelegenheit zur Demaskierung des ohnemächtig vor ihr liegenden Täters genutzt. Und sie wäre auch nicht in die Einsamkeit des College-Theaters geflüchtet. Doch das wiegt leicht im Vergleich zu den Stärken der Geschichte. Denn anders als die meisten Blood`n`Guts-Horrorfilme kann "Scream 2" mit einer gewaltigen Portion (Selbst)Ironie glänzen. So läßt Williamson in einer Szene eine Filmklasse über den Sinn und die Qualität von Sequels debattieren - und zu dem Schluß kommen, dass bis auf den "Paten" alle Fortsetzungen hinter dem Original zurückblieben. Zum Brüllen komisch ist auch "Stab", der Film im Film. In zwei kurzen Sequenzen sieht der "Scream 2"-Zuschauer Ausschnitte aus "Stab" - und erkennt ein nachgestelltes "Scream" wieder. Natürlich mit einigen Ungenauigkeiten und Hinzufügungen versehen - denn wer glaubt ernsthaft noch, dass Journalisten nur reine Berichterstatter seien ? Damit wird auch deutlich, dass "Scream 2", anders als so manche seiner bier- bzw. bluternsten Genregenossen durchaus ernste Themen transportiert - um ihnen eine ironische Auflösung zu geben. So wirft auch die "Scream"-Fortsetzung die Frage auf, wem man wirklich trauen kann, wenn es ums eigene Leben geht (und natürlich entscheidet sich Sidney erneut falsch). Und sie diskutiert die Frage, ob Horrorfilme Menschen zu Gewalttätern machen können - das deutsche Publikum darf sich an den Fall des bayerischen Jungen erinnert fühlen, der nach ausführlicher Begutachtung der "Freitag, der 13."-Reihe einem Mädchen mit einem Beil den Schädel spaltete. Die Antwort von "Scream 2", soviel sei vorweggenommen, ist beachtlich. Beachtlich ist aber auch der Mut von Williamson. Nicht nur, dass er die Chuzpe hat, seinen Popcorn-Film in die Nähe einer griechischen Tragödie zu rücken (und dabei gekonnt die Geschichtslosigkeit der US-Jugend auf die Schippe nimmt, für die das antike Griechenland nur die Kulisse für wilde Feste und exzessive Sauforgien bildet). Er schreckt auch nicht davor zurück, eine der Hauptfiguren und Sympathieträger kurzerhand niedermetzeln zu lassen. Filmfreaks schliesslich werden an "Scream 2" ohnehin ihre helle Freude haben. Williamson und Craven zitieren munter und frech den reichen Fundus der Film- geschichte von "Nosferatu" über "Showgirls" und "Operation Broken Arrow" bis hin, natürlich, zu modernen Horrorfilmen - "Scream" inklusive. Leider gingen in der deutschen Synchronisation einige Anspielungen auf die moderne Populärkultur verloren. Während Courteney Cox als Gale Weathers, auf im Internet erschienene Nacktbilder von ihr angesprochen, im Original sagt, dass es sich dabei um Fälschungen handele, bei denen ihr Kopf auf den Körper von Jennifer Aniston (die in der Realität neben Cox in der Fernsehserie "Friends" spielt) montiert wurde, ist in der deutschen Fassung nur noch vom Körper "einer anderen Frau" die Rede. Eins steht dennoch auch für deutsche Kinobesucher fest. Um alle Insidergags und ironischen Seitenhiebe des Filmes zu verstehen, sollte man auch den ersten Teil von "Scream" gesehen haben. Und "Scream 2" schon deshalb nicht verpassen, um für den schon geplanten dritten Teil gewappnet zu sein.

(c) 1998 by Andreas Neumann

"For people who like their amusement blood red, "Scream 2" will do the job. It's not as good as the original - which was fresher, funnier and scarier - but if it were, then by the criteria of the film's resident movie scholar, it wouldn't be a genuine sequel."

-- Walter Addiego, im "San Francisco Examiner"

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