Genre | : | NetBSD-Distribution | Herausgeber | : | Markus Illenseer |
empf. VK-Preis | : | 19.90 DM | Titel | : | Gateway! Volume 3 |
Das Lieblings-Alternativbetriebssystem zu den großen kommerziellen Lösungen von Microsoft und Apple ist wohl zweifelsohne das ursprünglich von Linus Torvalds entwickelte Linux. Keine "c't"- und kaum eine "iX"-Ausgabe erscheinen inzwischen ohne Nachrichten und Informationen für Linux-Nutzer, einfach zu installierende Linux-Zusammenstellungen, wie z.B. die bekannte "S.u.S.e."-Distribution, haben sich auf dem x86-Markt etabliert und verkaufen sich blendend. Und selbst für den Amiga existiert mit "eagle Linux 1.02.33" bereits eine speziell auf dieses System zugeschnittene Distribution, die trotz vieler guter Ansätze jedoch noch einige Schwächen aufweist (vgl. dazu den Testbericht in "AmigaGadget"#35). Angesichts dieser starken Präsenz könnte man meinen, Linux sei das einzige frei kopierbare Unix-Derivat, das noch weiterentwickelt und gepflegt wird. Und man würde sich irren. Denn schon seit Jahren gibt es neben FreeBSD und ähnlichem u.a. auch NetBSD. Das ist ein weiteres Unix-Derivat, welches auf den Sourcen der Berkeley Networking Release 2 (Net/2), 4.4BSD-Lite und 4.4BSD-Lite 2 basiert und dessen Entwicklung, wohl nicht zuletzt deshalb auch der Name, von engagierten Programmierern praktisch ausschließlich über das Internet koordiniert wird. Erst vor kurzem wurde nach 18-monatiger Entwicklungsdauer die NetBSD-Version 1.3.2 fertiggestellt, die die bis dato als Referenz geltende Version 1.2 ablöst. Von NetBSD gibt es Versionen für die verschiedensten Rechnersysteme. Natürlich werden x86-PCs unterstützt, aber auch Suns, 68k-Macs, DEC Alpha-Computer und selbst Atari-Rechner kommen in den Genuß eigener NetBSD-Versionen. Aber auch 68k-Amigas müssen selbstverständlich nicht auf dieses Betriebssystem verzichten. Doch was nützt all das, wenn man die Software nur in nicht akzeptabel langen Download-Session über irgendwelche obskuren FTP-Server beziehen kann ? Wenig. Aber auch hier kann Entwarnung gegeben werden. Unter dem Namen "Gateway!", was nichts mit dem derzeitigen Amiga-Eigentümer, dem PC-Distributor "Gateway" (ehemals: "Gateway 2000") zu tun hat, stellte der Paderborner Markus Illenseer ein komplettes Archiv der aktuellen NetBSD-Distribution zusammen. Die jetzt erschienene Volume 3 enthält auf zwei CD-ROMs die aktuelle NetBSD-Version 1.3.2 und dazugehörige Software - und das alles nicht nur für die PCs, Macs und Konsorten, sondern eben auch für den Amiga. Jedenfalls sofern in diesem zumindest ein 68020er-Prozessor seine Arbeit verrichtet (mit Ausnahme der bislang nicht richtig unterstützten CPU-Versionen 68LC040, 68040V und 68LC060). Bekommt "eagle Linux" also ernsthafte Konkurrenz - oder bleibt Linux auch am Amiga das Synonym für Unix-Alternativen ?
Die erste der beiden CD-ROMs, die sogar bootfähig ist, enthält das zur Installation vorbereitete NetBSD-System für insgesamt vierzehn verschiedene Rechnerfamilien. Auf der zweiten CD-ROM ("companion") befinden sich dann nur noch verschiedene Software-Pakete zum Einsatz unter NetBSD (wie z.B. der sehr umfangreiche Editor "emacs", diverse Shells und ähnliches). Bevor man jedoch an die Nutzung des neuen Betriebssystems gehen kann, muss man es erst auf seinem System installieren - und genau das ist ja bekanntermaßen bei den Unix-Derivaten kein Zuckerschlecken und geht mit der ernstzunehmenden Gefahr des Datenverlustes einher. Zuallererst sollte man mit Hilfe der auf der CD-ROM mitgelieferten FAQ ("Frequently Asked Questions" - die Beantwortung häufig gestellter Fragen) klären, ob und welche Komponenten des eigenen Systems von NetBSD unterstützt werden. Dabei ist insbesondere zu beachten, dass es für die SCSI-Busse der neuen Blizzard III- und Cyberstorm III-Turbokarten bislang keine NetBSD-Treiber gibt. Dann gilt es, die benötigten Festplattenpartitionen zur Verfügung zu stellen und - insbesondere durch Angabe bestimmter Custom-Filesystemwerte - für NetBSD vorzubereiten. Die FAQ empfiehlt die Einrichtung von vier Partitionen, neben einer Swap-Partition für virtuellen Speicher und der Root-Partition, von der aus das NetBSD-System hochgefahren wird, wären das eine große "usr"-Partition, auf der die einzelnen Programme abgelegt werden können, und eine "local"-Partition für den alltäglichen Gebrauch. Zu beachten ist weiterhin, worauf in der FAQ jedoch nicht hingewiesen wird, dass man keine gesonderte "etc"-Partition anlegen sollte, da dies beim Hochfahren des Systems NetBSD vor erhebliche Probleme stellt, weil die einzelnen Partitionen erst über /etc/fstab zugeordnet werden müssen - und wenn /etc noch nicht angemeldet ist, muss ein solches Unterfangen natürlich scheitern. Zur Installation selbst muss man nun NetBSD starten. Dafür steht ein "Miniroot Filesystem" zur Verfügung, das man auf die Swap-Partition transferieren muss. (Von einer alternativ denkbaren Installation vom von CD gebooteten NetBSD-System aus wird in einem "Last Minute"-Text auf der CD-ROM selbst ausdrücklich abgeraten.) Hat man dies erstmal unter Anleitung der FAQ und mit Hilfe eines "xstreamtodev"-Programmes von der CD-ROM geschafft, so kann man NetBSD nun mit Hilfe eines "loadbsd"-Programmes von der Amiga-Seite aus starten, sofern man zuvor dafür gesorgt hat, dass sich die ebenfalls auf der CD-ROM vorhandene Kernel-Datei "netbsd" im aktuellen Verzeichnis befindet. Das System wird beim erfolgreichen Start komplett von NetBSD übernommen, eine Rückkehr zum Amiga ist nur über einen (Kalt- oder Warm-)Neustart des Rechners möglich.
NetBSD arbeitet, wie alle Unix-Derivate, grundsätzlich (wie z.B. auch CP/M und MS-DOS) in einem reinen Textmodus. Ein dementsprechend langweiliger zweifarbiger Bildschirm erscheint folglich auch nach dem Start von NetBSD/amiga. In einer umfangreichen Startsequenz identifiziert das System danach die vorhandene Hardware und weist den einzelnen Laufwerken NetBSD-eigene Kennungen zu. Diese unterscheiden sich von den Linux/m68k-Kürzeln, etwa indem interne IDE-Festplatten grundsätzlich genauso wie SCSI-HDs durchnumeriert werden, so dass auch hier aufmerksam die FAQ studiert werden sollte. Über eine voreingestellte Installations-Sequenz kann man nun im Wege eines Frage-Antwort-Spieles sein System endgültig für die Aufnahme von NetBSD präparieren. U.a. gilt es hier nun, den einzelnen Partitionen NetBSD-Kennzeichnungen (sogenannte "Mount-Points", zu erkennen am vorangestellten "/") zuzuweisen. Auch Netzwerk-Verbindungen (nfs) können hier konfiguriert werden. In beiden Fällen ist es möglich, die "fstab" manuell nachzubearbeiten. Ist all das vollbracht, werden die NetBSD-Partitionen formatiert, was ähnlich schnell geht wie unter Linux/m68k. Es folgt der eigentliche Installationsvorgang. Nachdem man das Laufwerk, von dem aus die Installation erfolgen soll (in der Regel also Track 1 der im (SCSI-)CD-Laufwerk liegenden "Gateway!"-CD-ROM (/cd0a)) und das Verzeichnis, in dem sich die plattformspezifischen Installationssets (/NetBSD-1.3.2/amiga/binary/sets/) angegeben hat, bekommt man die dort vorhandenden sieben Sets angezeigt und kann diese eins nach dem anderen automatisch entpacken und installieren lassen. Nun muss man noch eine Zeitzone einstellen - auch dies geht problemlos über den Aufruf diverser Shell-Menüs und -Untermenüs - und ist dann endlich fertig. Oder zumindest fast. Jetzt braucht man nämlich lediglich noch das System mit "halt" herunterzufahren, den Rechner neu zu booten, NetBSD erneut aufzurufen und dort nach der Anleitung in der FAQ die bei der Installation eingestellten Filesysteme, bzw. Mount-Points, anzumelden. Ist auch dies geschafft, muss man das System erneut herunterfahren und kann NetBSD/amiga in Zukunft einfach von der Amiga-Seite aus mit "loadbsd -a netbsd" starten. Nur der Vollständigkeit halber soll erwähnt werden, dass die "Gateway!"-Distribution auch das Upgrade einer schon vorhandenen NetBSD-Installation ermöglicht. Auch hierfür sei aber explizit auf die FAQ verwiesen.
Mit einem so eingerichteten NetBSD-System kann man nun, jedenfalls beim ersten Start als "root"-Operator eingeloggt, gut arbeiten. Insbesondere ist es möglich, sich die verschiedenen Software-Pakete von der "companion"-CD-ROM zu installieren. Dies geschieht problemlos über den "add_pkg"-Befehl. Man sollte aber natürlich darauf achten, dass man nur die Archive aus dem entsprechenden "amiga"-Unterverzeichnis der CD-ROM verwendet (welche vor allem unter "1.3" - und nicht unter "1.3.2" - abgelegt sind), will man keine Rechnerabstürze und damit verbundene langwierige Neustarts, bei denen das den Crash erkennende NetBSD sämtliche NetBSD-Partitionen auf Zuordnungsfehler untersucht, riskieren. Am interessantesten ist aber wohl die Installation der grafischen "Benutzeroberfläche" "X". Hierfür wurde das "XFree86"-System in Version 3.3.2 komplett auf der "Gateway!"-CD-ROM integriert. Eine zweite FAQ erklärt, welche Dateien man dazu kopieren muss und wie sie zu installieren sind (allerdings wird fälschlicherweise statt der tatsächlich verwendeten Endung ".tgz" ein ".tar.gz"-Suffix angegeben). Das ganze erweist sich jedoch als erheblich komplizierter als die recht oberflächlich gehaltene FAQ glauben machen will. Man sollte schon über deutlich fortgeschrittene Kenntnisse im Umgang mit Unix-Systemen haben, bevor man sich an die Installaton des "X"-Systems wagt. Insbesondere bei, nach Murphy ja unvermeidlichen, auftretenden Problemen muss man genau wissen, was man wo und wie zu konfigurieren hat, um "X" zum Laufen zu bringen. Ergänzend sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass von dem "Xamiga"-Server erfreulicherweise nicht nur das AGA-Chipset, sondern auch Grafikkarten wie die "Picasso"-Serie oder die "Cybervision 64" unterstützt werden.
Wenn auf der Hülle der von Ossowskis Schatztruhe und GTI vertriebenen CD-ROM behauptet wird, es sei "kein kompliziertes Installieren mehr" erforderlich und alles "voll Menü-gesteuert", so ist das schlichtweg falsch und irreführend. Auch die Aussage, die CD "richte sich aber auch an den weniger fortgeschrittenen Nutzer", sollte mit äußerster Vorsicht genossen werden. Nicht nur angesichts der Partitionierungsarbeiten bezüglich der Amiga-Seite sondern vor allem auch hinsichtlich der Bedienung von Unix-Systemen stellt Volume 3 der "Gateway!"-Reihe durchaus hohe Anforderungen an den Anwender. User, die keine Ahnung von den Unix-Befehlen und dem Unix-Dateisystem haben, sind spätestens nach der gelungenen Installation hoffnungslos verloren. Zu beachten ist auch, dass sich, wie in der Unix-Welt (leider) üblich, alles in englischer Sprache abspielt. Beide FAQs, alle "man"-Seiten und sonstigen Texte auf der CD-ROM sind auf englisch abgefaßt - man spricht nicht deutsch. Wen all dies nicht abschreckt, für den ist die in Rede stehende "Gateway!"-CD-ROM aber allemal empfehlenswert. Markus Illenseer hat bravouröse Arbeit geleistet und eine übersichtlich gegliederte und umfassende Zusammenstellung der aktuellen NetBSD-Version für alle nur denkbaren Rechnersystemen geschaffen, die nur wenige Fehler aufweist, welche zudem auch vor allem Fehler der einzelnen Bestandteile und nicht der Distribution selbst sind (dort beschränken sich die "Bugs" auf Kleinigkeiten, so wird z.B. im Inlet der CD-ROM behauptet, die Silberscheibe sei nur auf i386-basierten PCs und auf Amigas bootfähig, während der Text auf der Rückseite der CD-ROM auch von der Bootfähigkeit auf Sparc-Rechnern ausgeht). Mit dem sensationell niedrigen Preis von unter 20 DM für zwei CDs, der nur realisiert werden konnte, weil Illenseer auf jeglichen Profit verzichtet hat, bewegt sich die "Gateway!" Volume 3 im Gegensatz zum mehr als dreimal so teueren "eagle Linux" auch auf dem in der PC-Welt üblichen Niveau - ungewöhnlich genug für Produkte, die (zumindest auch) auf den Amiga-Markt abzielen. Aber damit wären auch schon die beiden Probleme der Distribution angesprochen. Zum einen bedingt der niedrige Preis eine eher spartanische Aufmachung (womit nicht das gelungene, zweckmäßig zurückhaltend gestaltete CD-Cover abgewertet werden soll). Das bezieht sich vor allem auf die Installationsroutinen, die sehr simpel gehalten sind und vom Nutzer erhebliche Kenntnisse und einiges an Vorwissen erfordern, und die auf die beiden nicht sonderlich gelungenen FAQs beschränkte Dokumentation. Hier hat "eagle Linux" deutlich mehr zu bieten (wenngleich auch dort Anlaß zur Kritik bestand). Und, zweitens, das ganze ist nur bedingt amiga-spezifisch. Letztlich ist die NetBSD-Version für den Amiga nicht mehr als eine Plattform-Version unter vielen, die amigaseitigen Programme sind wenig benutzerfreundlich und wohl auch nicht ganz fehlerfrei. So funktioniert auf dem Testrechner (68060, Picasso IV) "loadbsd" ab und an nicht, so dass ein Reset erforderlich wird. Anfänger und Unix-Neulinge sollten also besser die Finger von der CD-ROM lassen. Für fortgeschrittene Tüftelfreunde stellt die Volume 3 der "Gateway!"-Serie jedoch eine absolut empfehlenswerte NetBSD-Distribution dar, mit deren Hilfe man seinen Rechner um ein interessantes Betriebssystem zu einem beinahe konkurrenzlos günstigen Preis erweitern kann.