Für die Generation derjenigen, die mit Heim- und Personalcomputern aufgewachsen sind, muss es eine seltsame Zeit gewesen sein, in der Jonathan B. Postel zusammen mit anderen begeisterten Computerfreaks die Grundlage dessen geschaffen hat, von dem viele die stärksten Auswirkungen auf unsere Gesellschaft seit der Erfindung des Automobils, ja, sogar seit der Erfindung des Buchdrucks erwarten. Der von allen nur Jon Postel genannte (und seit 1974 promovierte) Informatiker gehörte zu den Studenten, die unter Prof. Leonard Kleinrock am ARPANET-Projekt arbeiteten, dem Vorgänger des Internets. Als Steve Crocker die Idee hatte, Vorschläge zur Schaffung und Weiterentwicklung von Protokollen für dieses Netzwerk als "Request For Comments" (RFCs) zu veröffentlichen und zu sammeln, übernahm Postel diese Aufgabe und war praktisch bis zuletzt als Editor der RFCs, die ganz entscheidend zur Evolution des Internets beigetragen haben, tätig. Und als sich jemand um die Vergabe der Nummern, mit deren Hilfe die Rechner im Netzwerk adressiert werden können, kümmern musste, übernahm Postel auch diese Aufgabe - und wurde damit quasi in Person zur Internet Assigned Numbers Authority (IANA). Das "Internet-Urgestein" (Spiegel Online) wurde überdies Gründungsmitglied des Internet Architecture Boards und die erste natürliche Person, die Mitglied in der sehr einflußreichen Internet Society wurde. Unkompliziert und unbürokratisch, freundlich im Ton, aber entschlossen in der Sache, war Postel nach Aussage ehemaliger Mitarbeiter, Freunde und Kollegen. Mit seinem buschigen Bart und den langen Haaren wirkte der gerne Sandalen tragende Computerexperte wie ein Späthippie - und saß doch im Zentrum einer Technik, von der sich global operierende Konzerne Milliardenumsätze versprechen. Für seine Verdienste für das Internet erhielt der persönlich immer bescheidende Postel jüngst die Silbermedaille der International Telecommunications Union (ITU) in Genf.
Seit einiger Zeit schon hatte sich aber die Politik dem Lebenswerk Postels zugewandt. Unter Ira Magaziner entwickelte die Regierung Clinton ein neues System zur Vergabe der IP-Adressen, das auch die Etablierung einer neuen IANA vorsieht. Die Ära der "alten" IANA, deren Direktor Postel nach wie vor war, neigte sich damit dem Ende zu.
Postel, der schon 1991 nur knapp dem Tod entging, erlag am 16. Oktober 1998 im kalifornischen Santa Monica im Alter von 55 Jahren den Komplikationen einer Herzoperation. Neben einer kaum zu überblickenden Menge an Beileidsadressen schuf ihm sein langjähriger Weggefährte Vinton G. Cerf, der derzeitige Vorsitzende der Internet Society, ein Denkmal, das dem "Vater des Internets" zweifelsohne gefallen hätte. Unter dem Titel "I remember IANA" ist nun im RFC 2468 ein Nachruf auf den Mann, der die Internet-Autorität war, nachzulesen.
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