Jokes & Stories

Eine rudimentär sozialkritische Kurzgeschichte für die Hi-Speed-Zapping-Generation, in der überraschenderweise auf explizite Gewaltdarstellung verzichtet wird.

Schweigend saß der automatische Hochgeschwindigkeitsdiktator Blitzspeed Stalin auf den Ringen des Saturn und ließ die Beine herabbaumeln. Sein Freund, Kühlschrank der Heizbare, fing langsam an, ihn zu langweilen. Schon seit Stunden mußte Blitzspeed sich dessen langatmige Ausführungen zur Problematik der Welternährung anhören. "Seh es mal so", sagte Kühlschrank gerade, "der Mond besteht bekanntlich zu zwei Teilen aus Kartoffelbrei und zu einem Teil aus Dreck. Würde man diesen Kartoffelbrei durch die selbe Menge Erbspüree ersetzen hätte man jede Menge Kartoffelbrei übrig, mit der das Welternährungsproblem auf einen Schlag gelöst wäre. Dabei stellt sich allerdings die Frage, woher das ganze Erbspüree nehmen? Ausserdem ist auch noch nicht ganz klar ob ein erbspüreegrünes Mondlicht so ohne weiteres akzeptiert wird. Da könnte sich reaktionärer Widerstand regen..."

Auch in Blitzspeed Stalin begann sich Widerstand zu regen. Er konnte und wollte nicht länger zuhören. Mit einem gewagten Sprung hechtete er durch das schwarze Milliardenloch, das gerade mit gemächlicher Geschwindigkeit an ihnen vorbeizog. Während seines scheinbar endlosen Falls hörte er die Stimme Kühlschranks immer leiser werden, bis sie schließlich ganz verstummte. Vermutlich hatte dieser sein Verschwinden noch nicht einmal bemerkt. "Soll er's den Saturnmonden erzählen", dachte Blitzspeed Stalin, während er sich, immer noch im freien Fall, dem anderen Ende des Lochs näherte.

Nach einem etwas unsanften Aufprall stellte er fest, dass er sich im Land, in dem die Ungeheuer mit den Bergen werfen, befand. Hier war es zwar nicht ganz ungefährlich, aber er war dennoch froh, dem monotonen Redeschwall Kühlschranks entkommen zu sein. Sich die vom Aufprall auf den steinharten Boden noch etwas schmerzenden Glieder reibend, sah er sich um. Dort hinten am Horizont konnte er ein paar Berge ausmachen, aber von Ungeheuern war weit und breit nichts zu sehen. Die hatten wohl gerade Mittagspause. Schade eigentlich, er hätte gerne beim Bergewerfen zugesehen. Das wäre eine nette Abwechslung zu seinem ansonsten eher eintönigen Alltag gewesen. Da Ungeheuer ihre Mittagspausen bekanntlich sehr lange ausdehnen, und Blitzspeed Stalin keine große Lust hatte solange zu warten, beschloß er kurzerhand sich in einen Daily-Soap-Dialog zu verwandeln.

"Du trinkst Alkohol, am helllichten Tag?"

"Was geht dich das eigentlich an?"

"Komm, laß uns jetzt wie vernünftige Menschen reden. Was ist das? Was nimmst Du da ein?"

"Ich nehme keine Drogen, ich habe noch nie sowas genommen."

"Du solltest das nicht nehmen, jedenfalls nicht solange du schwanger bist."

"Ich bin nicht schwanger."

"Jetzt werd nicht hysterisch! Und rauchen solltest Du während einer Schwangerschaft auch nicht."

"Von dir lasse ich mir keine Vorschriften machen."

"Du könntest es ja wegmachen lassen."

"Oh, mein Gott!"

"Was?"

"Es geht los, die Wehen. Oooohhhh!"

"Schnell, ich bring Dich ins Krankenhaus."

Und so erblickte Plutonius der Strahlende das Licht der Welt. Zu diesem Zeitpunkt bestand die Welt aus einer völlig ebenen, metallisch glänzenden Fläche, die sich bis in die Unendlichkeit erstreckte, und sonst nichts. Plutonius der Strahlende lebte glücklich und zufrieden in dieser Welt, bis sich eines Tages häßliche, erbspüreegrüne Pickel auf der Oberfläche der Welt bildeten, die beständig wuchsen, größer wurden und aus denen schließlich DAS GRAUEN in Form von Talkshow-Moderatoren hervorbrach. Bald war die Welt voll von IHNEN, und allerorten wurden Sätze wie, "Was haben sie dabei gefühlt?", oder "Ich finde, dazu gehört viel Mut!", von kleinen bunten Zetteln abgelesen.

Die allmächtige Einschaltquote sprach, es werde Licht, und die Welt wurde in das gespenstisch flackernde Licht von sechs Milliarden Fernsehbildschirmen getaucht. Nervös zuckende Zeigefinger glitten über abgenutzte Fernbedienungsknöpfe. An einer Straßenecke führte ein vorgetäuschter Orgasmus ein angeregtes Gespräch mit einer vorzeitigen Ejakulation. Ein Untergang des Abendlandes kam vorbei, lüftete freundlich grüßend den Hut, schritt weiter durch mehrere Mauern in den Köpfen, und erklomm schließlich einen nahegelegenen Kirchturm, wo er dann, sich nur mit den Augenlidern an der Spitze festhaltend, wie ein Banner im Wind wehte. Der Kirchturm wurde dadurch in seiner Funktion als Klistier Gottes beeinträchtigt, was die gereizte göttliche Darmflora zur übermäßigen Produktion von Treibhaus- und anderen Gasen veranlaßte. Manche hatten Mitleid mit der Ozonschicht, andere mit sich selbst.

Plutonius der Strahlende indessen, setzte sich auf seine Anti-Schwerkraft Klobrille, die er glücklicherweise immer bei sich hatte. "Man macht viel durch", dachte er und flog davon, zum Saturn. Dort angekommen öffnete er den Kühlschrank und machte eine grausige Entdeckung: drei große Schüsseln, in denen jeweils zwei menschliche Köpfe lagen. "Seltsam, fünf menschliche Köpfe!?", murmelte er leise vor sich hin, da er zum einen seiner Verwunderung über den ungewöhnlichen Aufbewahrungsort von menschlichen Köpfen Ausdruck verleihen wollte, und er zum anderen nicht besonders gut im Kopfrechnen war.

Es klopfte an der Tür. Nicht an der Kühlschranktür, sondern an der Tür des Raumes, auf dessen genauere Beschreibung hier verzichtet werden kann, da es ein ausnehmend langweiliger Raum war, mit einer Tür und einem Kühlschrank darin. Es klopfte also an der Tür. "Wer kann denn das sein?", dachte Plutonius überrascht. Langsam senkte sich die Türklinke, die Tür öffnete sich einen Spalt weit, die Spannung steigerte sich ins Unermeßliche. In der schließlich vollends geöffneten Tür wurden die schattenhaften Umrisse eines Mannes sichtbar. Er trat ein. Es war - die Spannung steigerte sich noch weiter ins Unermeßliche - Adolf Hitler. Nicht der Adolf Hitler, der den 2. Weltkrieg verloren hatte, sondern ein anderer Adolf Hitler aus einem Paralelluniversum, in dem er übrigens Adolf Schicklgruber hieß und ein erfolgloser Maler war.

Später kamen dann noch Johann Wolfgang von Goethe, Friedrich Schiller, Leopold Bloom, Avida Dollars, Dschingis-Khan und Gott persönlich. Als gegen drei Uhr morgens das Bier ausging, schickte man Goethe und Schiller zur nächsten Tankstelle um Nachschub zu holen. Die beiden kamen nicht wieder. Daraufhin beschloß man einen gemeinsamen Bordellbesuch und zog von dannen. Als wenig später der automatische Hochgeschwindigkeitsdiktator Blitzspeed Stalin eintraf, waren schon alle weg. Er nahm deshalb seinen Platz auf den Saturnringen ein, und der Kühlschrank begann mit dem Vortrag über die Welternährungsproblematik.

(c) 1923 by r.appel

e-Mail: appel@in.tum.de

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