Tests

Test: Linux (RedHat 5.1)

Genre : Linux-Distribution Herausgeber : Jes Sørensen
empf. VK-Preis : 39.00 DM Titel : Linux

Lange Zeit gab es keine Unix-Distribution für den Amiga, die sich auch an den noch nicht zum Computergott emporgestiegenen Anwender richtete. Und nun hat Jes Sørensen mit einer inoffiziellen Portierung der "RedHat"-Zusammenstellung der Amiga-Gemeinde schon das dritte derartige Produkt seit Anfang diesen Jahres zur Verfügung gestellt. Und obwohl mit "eagle Linux" (Testbericht in AmigaGadget#35) und der NetBSD-Version der "Gateway! Volume 3" (Testbericht in AmigaGadget#37) bereits zwei durchaus brauchbare, in manchen Punkten sogar schlichtweg herausragende Produkte vorliegen, hat Sørensens "Linux" doch noch die Chance, sich auf dem kleinen und nun unter diesem Trio wohl heißumkämpften Markt zu profilieren. Denn Dragon Internet Design, das Team hinter "eagle Linux", konnte seinem Produkt nur äußerst unausgereifte Installationsroutinen mitgeben. Und Markus Illenseers NetBSD-CD-ROM richtete sich ohnehin eher an den erfahrenen Unix-Nutzer als an interessierte Neueinsteiger. Eine intuitive Installation war also dem experimentierfreudigen Amiga-Unix-Aspiranten bislang nicht vergönnt gewesen. Bleibt nur die Frage, ob sich dies mit der Portierung der in der "Intel-Welt" sehr beliebten "RedHat"-Distribution, auf der u.a. auch die bekannten S.u.S.e.-CD-ROMs basieren, geändert hat.

Die Aufmachung der Silberscheibe (die in Wirklichkeit schwarz-orange ist) gibt diesbezüglich wenig Anlaß zur Hoffnung. Eine gedruckte Anleitung (wie sie bei "eagle Linux" mitgeliefert wird) sucht man vergeblich, der kurze Begleittext auf dem Inlet und auf der Rückseite der CD-Verpackung ist in Englisch gehalten und enthält primär eine kurze Beschreibung von Linux und einen Verweis auf den nur begrenzten technischen Support, den die Schatztruhe für dieses Produkt bietet. Und selbst um diesen zu erhalten, muss man eine individuelle Seriennummer angeben, die mittels eines Aufklebers in das Inlet eingefügt wurde. Auch der erste Blick auf den Inhalt des Datenträgers ernüchtert zunächst. Bis auf die englischsprachige Linux/m68k-FAQ, die eher Fragen zu einem bereits installierten System beantwortet, und ein englischsprachiges "README", das vor allem eine Liste der unterstützten Hardware und einen Überblick über den Inhalt der CD-ROM enthält, gibt es hier nicht viel Informatives. Dennoch dürfte zum Beispiel bei Benutzern von Systemen mit Oktagon-Controllern, Cyberstorm MK III-, oder Apollo-Turbokarten bereits an dieser Stelle des Abenteuer Linux vorerst beendet sein, da diese Komponenten (derzeit) vom Kernel nicht unterstützt werden. Auch Anwender, die nach wie vor auf einen Amiga mit einem 68000er setzen, oder deren System nicht durch eine FPU beschleunigt wird, können sich die weitere Installationsarbeit schenken. Allerdings werden die wohl am weitesten verbreiteten Turbokarten und SCSI-Controller unterstützt - wie etwa MK I und II der Cyberstorm von phase 5, die WarpEngine und die Blizzard-Karten 1230IV/1250, 2040 und 2060. Auch mit den gängigsten Grafikkarten, Picasso II und IV und Cybervision 64 und 3D, kommt Linux/m68k zurecht, obwohl dabei auch ein "nacktes" PAL- oder NTSC-System ausreicht.

Doch wie gelangt man nun endlich in die Welt dieses von so vielen hoch gelobten 32-Bit-, Multitasking-, Multiuser-Betriebssystems, das von Amiga-Anwendern so herbeigesehnte Fähigkeiten wie Speicherschutz mühelos integriert ? In einem Unterverzeichnis der CD-ROM befindet sich eine (erneut englischsprachige) Installations-Anleitung im HTML-Format. Diese ist zwar peinlicherweise mit Microsofts "Word" erstellt (oder zumindest konvertiert) worden, inhaltlich aber sehr gut gelungen und dank zahlreicher Grafiken und Screenshots eine wirkliche Hilfe für die Einrichtung der "RedHat"-Distribution. Genau wie das README-File sollte man sich auch diese Hilfe ausdrucken, bevor man endlich mit der eigentlichen Installation beginnt. Wie bei Unix-Derivaten üblich, gilt es nun zunächst, die Festplatte passend zu partitionieren und vorzubereiten. Erforderlich sind mindestens zwei Partitionen - neben der eigentlichen Linux-Daten-Partition auch eine Swap-Partition, mit deren Hilfe Linux den virtuellen Speicher verwaltet. Aber natürlich kann man auch noch weit mehr Partitionen anlegen, um diese später etwa speziellen "Mount-Points" (entspricht ungefähr (!) einem System-"Assign" auf Amiga-Seite), wie z.B. "/home" oder "/usr" zuzuweisen. Hat man all diesen Partitionen nun die zugehörige Linux-Filesystem-ID zugeteilt, kann man daran gehen, diesen Festplattenspeicher endlich mit Daten zu füllen. Dazu ist jedoch CLI-Arbeit angesagt, ein komfortables Installationsskript, das man nur anklicken müßte, existiert nicht. Statt dessen muss man das Bootprogramm, mit welchem Linux von Amiga-Seite aus aktiviert wird, mit einem speziellen Installationsimage aufrufen. Auf dem Testrechner war es dabei nicht möglich, einen Videomodus der Picasso IV-Grafikkarte verwenden zu lassen. Statt dessen musste PAL verlangt werden - im späteren Betrieb des einmal installierten Linux-Systems funktionierte dann jedoch auch der Picasso IV-Modus. Für die Installation reicht die PAL-Grafik aber ohnehin aus. Zwar öffnet sich nach ein paar nüchternen Selbsttestinformationen auf Shell-Ebene ein spezielles Installationsprogramm. Dieses besitzt jedoch lediglich die grafische Extravaganz einer (älteren) MS-DOS-Applikation, was positiv gewandt bedeutet, dass man keinen visuellen Overkill erlebt, sondern konzentriert mit diesem kleinen Programm arbeiten kann. Und das ist, verglichen mit den beiden anderen neueren Amiga-Unix-Zusammenstellungen, ein wahres Vergnügen. Der gesamte Installationsvorgang ist interaktiv und komplett menügesteuert. Man muss also mit den Cursortasten lediglich die gewünschte Einstellung anwählen und braucht nur noch in seltenen Fällen, etwa bei der Einrichtung zusätzlicher Mount-Points, selbst Text einzugeben. Dabei kann man zwischen der Installation von CD-ROM, von einer Festplattenpartition und über ein Netzwerk (NFS, FTP) wählen. Im Test scheiterte die Installation von CD-ROM aus einem ungeklärten Grund. Da das verwendete CD-ROM-Laufwerk aber schon von jeher nicht völlig sauber lief, muss die Fehlerursache mitnichten Sørensens "Linux"-Distribution sein. Für den weiteren Test wurde der Inhalt der CD-ROM dann auf Amiga-Seite auf eine eigene AmigaFFS-Festplattenpartition kopiert (leider werden AFS-, PFS- oder SFS-Partitionen derzeit noch nicht unterstützt). Das führte zu einem neuen Problem - für eine Festplatteninstallation benötigt man eine "Supplemental Disk", auf die ein vorgegebens Disk-Image übertragen werden muss. Zu diesem Behufe dient das Programm "File2Disk", welches auf der CD-ROM in einem "amigautils"-Unterverzeichnis mitgeliefert wird. Allerdings handelt es sich um Version 1.0, die auf dem Testrechner nur lief, wenn man ohne Startup-Sequenz gebootet hatte. Inzwischen ist im Aminet (/disk/misc/File2Disk.lha) Version 1.1 erschienen, die nicht nur um über 50% kürzer ist, sondern auch weitaus weniger Fehler enthält und auf dem Testrechner anstandslos ihren Dienst verrichtete. Jedoch sollte man auch bei dieser neuen Version nur amigaseitig bereits formatierte Disketten verwenden.

Mit dieser "Supplemental Disk" ausgestattet, kann die Installation erneut in Angriff genommen werden. Nach der (diesmal erfolgreichen) Einrichtung und Anmeldung der Linux-Partitionen folgt die Auswahl der zu installierenden Packages, sprich: der eigentlichen Software. Dabei ist das auf der CD-ROM vorhandene Angebot umfangreich, aber nicht umfassend. Die Installation jedenfalls gestaltet sich einmal mehr erfreulich einfach - auch hier wird man vom Installationsprogramm vorbildlich geführt und braucht nur die gewünschten Themenbereiche (Spiele, X, etc.) anzukreuzen. Das Aufspielen der Software dauert dann einige Zeit, geschieht aber vollautomatisch. Nun muss man nur noch das Supervisor- (oder Superuser-)Passwort einstellen und hat dann die Installation auch schon erfolgreich (und vor allem, ohne sich durch umständliche und unverständliche Konfigurationsdateien wühlen zu müssen) geschafft. Der erste Bootvorgang des neuen Linux-Systems muss dann wieder von Amiga-Seite aus initiiert werden - wie auch alle künftigen Linux-Starts. Dies geschieht (bei eingelegter CD-ROM und von deren Unterverzeichnis "images" aus) mit dem Befehl

  /utils/amiboot-5.6 -k vmlinux-amiga root=<bootdevice>
  

Wobei als natürlich die Linux-Notation für eine Festplattenpartition anzugeben ist, beispielsweise also /dev/sda3 für die dritte Partition der SCSI-Festplatte mit der niedrigsten SCSI-ID. Auch ein Videomodus kann optional mit video= angegeben werden. Die möglichen Werte (z.B. pal, ntsc, clgen:mode:low) können dabei der "README"-Datei entnommen werden. Wenn man des öfteren mit Linux arbeiten möchte, empfiehlt es sich, die benötigten Start-Dateien (also "Amiboot" und den Kernel "vmlinux") auf eine Amiga-Festplattenpartition zu kopieren und sich ein passendes Kommando-Alias in "S:User-Startup" einzurichten. Später kann der Kernel durch eine unter Linux selbstcompilierte Version ersetzt werden, die man von dort aus auf eine AmigaFFS-Partition kopieren kann.

Nun ist Linux für den täglichen Einsatz bereit - d.h. fast. Nachdem man das neue Betriebssystem gebootet hat, wird man vielleicht feststellen, dass die Tastaturbelegung nicht ganz dem Gewünschten entspricht, dass also z.B. die amerikanische QWERTY-Einstellung vorgegeben ist. Um das zu ändern, muss man zunächst in Verzeichnis /usr/lib/kbd/keytables wechseln und dort die deutsche Tastaturbelegung für Amigas mit

  gzip -d amiga-de.gz
  

entpacken (im Gegensatz zur Information in der FAQ heisst die Datei nicht "de-amiga"). Mit Hilfe des bevorzugten ASCII-Editors (es stehen beispielsweise "vi", "joe" oder "emacs" zur Verfügung) braucht man nun nur noch

  loadkeys amiga-de
  

in das Konfigurationsfile /etc/rc.d/rc.local eintragen und kann dann beim nächsten Systemstart endlich so richtig "in die Tasten hauen".

Das System kommt mit voreingestellter und sehr anwenderfreundlicher "bash" daher, das heisst, dass die Benutzung von der Kommandozeilenebene sehr bequem ist. Filename-Completion und Command-History inklusive. Auch der Zugriff auf amigaseitig mit dem FFS formatierte Partitionen ist problemlos möglich - und damit auch der Datenaustausch zwischen Linux und AmigaOS. Etwas gewöhnungsbedürftiger ist da schon die Art und Weise, in der Wechselmedien von Unix-Derivaten verwaltet werden. Nach jedem Wechsel einer CD-ROM etwa muss das CD-Laufwerk ab- (umount) und dann wieder angemeldet (mount) werden. Eventuell ist vorher auch eine Anpassung der "fstab", der Datei, in der Linux die Informationen über die anzusprechenden Laufwerke und Partitionen speichert, erforderlich. Erfreulich einfach gestaltet sich hingegen das Installieren neuer Packages - sei es, dass man auf sie bei der Erstinstallation vorerst verzichtet hatte, sei es, dass man sie sich nachträglich aus dem Internet oder von einer anderen CD-ROM besorgt hat. Genau wie die "Debian"-Distribution, auf der "eagle Linux" basiert, über ein eigenes "deb"-Format verfügt, gibt es für "RedHat" die "rpm"-Dateien, die das vollständige Archiv der jeweiligen Package enthalten und die einfach über den Befehl

  rpm -i 
  

installiert werden. Ein mühsames manuelles Kopieren der einzelnen Dateien ist nicht mehr erforderlich, lediglich an der Anpassung mancher Konfigurationsdateien wird man nicht vorbeikommen, will man das System seinen individuellen Bedürfnissen anpassen.

Aber natürlich werden sich die wenigsten mit einem "Kommandozeilenlinux" begnügen. Das, was Linux in der PC-Welt erst zu Popularität und Ruhm verhalf, war die grafische Benutzeroberfläche "X". Und hierbei weiss Sørensens Zusammenstellung vollends zu überzeugen. Anders als bei "eagle Linux" und der "Gateway! Volume 3"-NetBSD-Installation erstellen die Installationsroutinen hier eine sofort startbare "X"-Konfiguration. Das mühsame Edieren von Einstellungsdateien und das Transferieren von amigaseitigen Monitor-Dateien entfällt hier völlig. Statt dessen erhält man ein "X"-System, das voreingestellt mit dem "FVWM'95"-Fenstermanager, der von der Bedienung und von der Gestaltung an "Windows'95" angelehnt ist. Alternativ dazu kann man hier aber auch auf das "NextStep"-ähnliche "AfterStep" oder "Lesstif WM" zurückgreifen - alles ist nur einen Mausklick entfernt. Um dem ganzen Vergnügen noch die Krone aufzusetzen, passt sich das Erscheinungsbild des "X"-Systems an, je nachdem, ob man als gewöhnlicher User oder als Supervisor eingeloggt ist. Letzterer bekommt nämlich eine zusätzliche Kontrollleiste zur Verfügung gestellt, über die diverse Systemeinstellungen zugänglich sind. Einen kleinen Wermutstropfen gibt es aber doch - wenngleich auch dieser nicht der Sørensenschen Zusammenstellung angelastet werden kann. "X" ist ziemlich ressourcenhungrig, so dass Besitzer kleinerer Amigas kaum Freude mit dem System haben. Selbst auf einem 060er-Prozessor mit Grafikkarte und reichlich RAM sollte man sich davor hüten, Extras wie die Hintergrundanimation aus animierten Fischen, den "Fishtank", zu aktivieren. Abseits solcher Sperenzchen kann man aber mit einem ausgebauten Amiga durchaus flott und bequem mit "X" arbeiten. Die Kommandozeilenebene verrichtet ihren Dienst ohnehin in angenehmer Geschwindigkeit.

In letzter Zeit gab es viel zu wenig erfreuliche kommerzielle Produkte für den Amiga. Diese inoffizielle Portierung der "RedHat"-Distribution, die im übrigen (mit ein wenig Zusatzaufwand) auch auf anderen 68k-Rechnern verwendet werden kann, entschädigt für vieles. Zwar sollte man auch hier eine gewisse Vorbildung in Sachen AmigaOS und Unix mitbringen, doch im Gegensatz zur ersten Version von eagles "Konkurrenz-Linux" wirkt Sørensens Arbeit ausgereift und weitaus benutzerfreundlicher. Auch die Installations-Anleitung ist sehr gelungen und sollte zur erfolgreichen Einrichtung des eigenen Linux-Systems erheblich beitragen können. Lediglich mit der Aktualität hapert es ein wenig. So ist nicht nur, wie geschildert, inzwischen eine neue Version des Utilitites "File2Disk" erschienen. Auch "RedHat" selbst wurde inzwischen von Version 5.1 (mit der Kernelversion 2.0.33pl1) um eine Unterversionsnummer auf 5.2 fortentwickelt. Aber das ist alles wohl nur halb so schlimm - im Begleittext der CD-ROM sind bereits "preiswerte künftige Upgrades" angekündigt. Was immer das beim angesichts des Fehlens einer gedruckten Dokumentation recht happigen Preises der "Grundversion" von 39 DM bedeuten mag. Aber man gönnt sich ja sonst nichts - und in diesem Fall lohnt sich die Investition sogar. Wenn man nicht auf eine Linux-Distribution zurückgreifen will, die, vom ehemaligen "AmigaJuice"-Mann Holger Lubitz zusammengestellt, in diesen Tagen auf den Markt kommen soll - das gerade erst entstandene Triumvirat aus "eagle Linux", "Gateway!"-NetBSD und Sørensens "RedHat"-Portierung ist damit schon wieder Vergangenheit. Angesichts des nach wie vor komatösen Zustandes des "offiziellen" Amiga-Betriebssystems wirkt diese Vitalität erfreulich erfrischend.

(c) 1998 by Andreas Neumann

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