Plattenlabel | : | Verglas Music | Genre | : | Rock |
Spieldauer | : | 62:39 min | Preis | : | ca. 30 DM |
Es gibt eigentlich nur zwei Alternativen: Entweder arbeitet eine Band stets als verschworene Gemeinschaft zusammen. Oder alle Bandmitglieder verfolgen ihre eigenen Solo-Pläne. Eine dritte Möglichkeit ist zwar theoretisch denkbar, praktisch aber nicht vorhanden. So war es nur konsequent, dass es nun auch John Mitchell, seit "The Cry" Gitarrist der britischen Prog-Rock-Kapelle "Arena", seinen Kollegen Clive Nolan ("Pendragon", "Shadowland", etc.) und John Jowitt ("IQ") nachmacht und auf Solo-Pfaden zu wandeln beginnt. Schon seit einiger Zeit hatte Verglas Music, die Plattenfirma von "Arena", ein Mitchell-Album mit dem Titel "Neon" angekündigt. Der Titel blieb zwar, "Tarquin", so John Mitchells Spitzname, suchte sich jedoch zwei Mitstreiter. Er fand sie in Bassist Martin Raggett und Scooby, mit denen er sich unter dem Bandnamen "The Urbane" zusammentat. Mit ein wenig Hilfe aus dem Dunstkreis von Verglas Music war es dann nur noch ein kurzer Weg zur Fertigstellung von "Neon". Und zumindest der äußere Eindruck ist durchaus vielversprechend - das trotz Neonlichtdurchflutung anschauliche Cover und das stilistisch entsprechend ansprechend gestaltete und dennoch alle Songtexte in lesbarer Form wiedergebende Booklet erfüllen alle Kriterien einer professionellen Produktion. Doch was hält die CD im Innersten zusammen ? Wonach klingt Neon, äh, pardon, "Neon" ?
Bei den ersten Tönen der CD fühlt sich der nicht mehr ganz so junge Hörer in alte LP-Zeiten zurückversetzt - als hätte gerade die Abspielnadel auf die Rille des Vinyls aufgesetzt, knistert und kracht es aus dem Lautsprecher. Doch dann greift Mr. Mitchell in die Saiten, und alles, was jetzt noch kracht, ist seine aggressive E-Gitarre - natürlich in lupenreiner CD-Qualität. Dabei kann schon dieser erste Song alle Bedenken zerstreuen. "Quietly" ist alles andere als ruhig. Vielmehr legen "The Urbane" in ungemein hohem Tempo los und rotzen einen satten Rock-Song mit einem bösen Text und ohrwurmverdächtigem Gute-Laune-Rhythmus hin. Dass das kein Zufallstreffer war, beweist die Band mit "Mary Jane", dem zweiten und nicht minder eingängigen Stück der CD. Wie schon auf "Quietly" schafft Mitchells E-Gitarren-Gewitter den Klangteppich, aus dem heraus sich der Song entwickelt. Dass sie auch anders können, zeigt sich dann bei "Aeroplanes". Fast eine Minute lang beherrscht Mitchells Gesang die Szenerie, nur sanft untermalt von Gitarren- und Baßakkorden. Erst dann lassen sie es in inzwischen schon gewohnter Manier krachen - allerdings ein paar Umdrehungen langsamer als bei den beiden ersten Stücken.
"Stare into emptiness and pray
The nuclear generation fades itself away
A growing concern within this splintered sight of neon light
But I can't close my eyes and make it go away
I try to be something but I can't
A desolate chord to reach the actors of the sad."
Und so geht es munter weiter. Bei den meisten Songs ist Geschwindigkeit Trumpf, doch ab und an streuen Mitchell und seine Mitstreiter ruhigere Passagen und sogar die eine oder andere Ballade ein ("Loop", "Immaculate", "The Tide"). Dabei wird "Neon" zu keinem Zeitpunkt langweilig - und das, obwohl bis auf ein paar Geigenklänge auf "Try" lediglich E-Gitarre, Baß-Gitarre und Schlagzeug zum Einsatz kommen. Ödnis herrscht schon deshalb nicht, weil "The Urbane" rotzfrech praktisch jeden bedeutenderen Musikstil der populären Musik plündern. Zwar ist "Neon" vor allem ein Rock-Album, dessen zum Teil brachiale Gitarrenakkorde auch einer Grunge-Band gut zu Gesichte stünden. Daneben finden sich aber ebenfalls Anleihen aus der Popmusik, dem Ska, sowie in großem Umfang auch aus dem Independet- und Alternative-Bereich. Ja, selbst Hip-Hop-Rhythmen blitzen gelegentlich in Scoobys präzisem Schlagzeug-Spiel auf. Lediglich Prog-Rock-Fans kommen nicht auf ihre Kosten, auf alles, was ihm auch nur entferntesten als "Arena"-Trittbrettfahrerei ausgelegt werden könnte, hat John Mitchell tunlichst verzichtet. Das alles gilt im übrigen auch für die Texte. Ohne auf für Prog-Rock typische Fantasy-Motive zurückzugreifen, bieten die auf "Neon" versammelten Stücke eine weit gefächerte Themenvielfalt, die sich von philosophisch angehauchten Beinahe-Moritaten bis hin zu banalen Love-Songs erstreckt. Mitchell, der nicht nur alle Titel komponiert, sondern auch die Texte geschrieben hat - und nur bei "Immaculate" und "The Tide" von Bassist Raggett, bzw. Co-Produzent Paul Cooper unterstützt wurde - bewies dabei unter Berücksichtigung des Lehrsatzes, dass in der Kürze die Würze liegen soll, ein sicheres Gespür für treffende Formulierungen. Und so bietet "Neon" auch in dieser Hinsicht Spass und Abwechslung - bis zum letzten Song, "The Tide", der wieder in vinyltypischem Rauschen ausklingt.
Selten war ein Bandname so treffend gewählt wie "The Urbane". Die drei Musiker haben ein Album geschaffen, das gar nicht urbaner hätte klingen können. Allesamt hervorragender Techniker an ihren Instrumenten, harmonieren sie als Band erschreckend gut und schaffen so eine dichte Klangatmosphäre, der man sich nur schwer entziehen kann. Erfreulicherweise überzeugt dabei John Mitchell auch als Sänger. Zwar hat seine Stimme nicht das Niveau der wirklich großen Rock-Vokalisten. Für Up-Tempo-Rock'n'Roll reicht sie aber allemal aus - und zum trockenen Sound von "Neon" ist sie wie geschaffen. Aber auch die Produktion weiß zu überzeugen. John Mitchell und Paul Cooper haben munter aus dem Potential der Studiotechnik geschöpft, ohne dabei jedoch des Guten zuviel zu tricksen. Und so wummern etwa die Gitarren in "Staring At The Sun" mal surrealistisch verzerrt oder wird Mitchells Stimme mit Halleffekten verfremdet, wird vor "Static" ein kleiner Tonschnipsel vom Band eingeflochten - letzten Endes klingt "Neon" jedoch so frisch und ehrlich, als sei es in einer fröhlichen Stunde in einem Stück live eingespielt worden. Und diese Vitalität macht sich positiv bemerkbar. Jeder der Songs zündet, viele - allen voran "Quietly", "Mary Jane", "Aeroplanes" und "Immaculate" - besitzen sogar Ohrwurmqualitäten, die sie selbst in MTV oder VIVA nicht deplaziert erscheinen lassen würden. (Und das ist durchaus nicht abwertend gemeint.) Das Debüt von "The Urbane" enthält vielleicht nicht unbedingt musikalische Sensationen - es steht jedoch für sechzig Minuten garantiert guter Laune. Lediglich "Arena"-Fanatiker seien gewarnt: "Neon" ist nicht unbedingt das, was man aus Prog-Rock-Sicht erwartet hatte. Dennoch (oder deswegen) strahlt es leuchtend hell. Und klingt einfach gut.
"I hate this music cos it always sounds the same