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Interview mit Klaus Burkert

Seit den Tagen eines Dave Haynie gibt es auf dem Amiga kaum noch Entwickler, die gemeinhin den Status eines "Hardware-Gurus" genießen. Einer dieser raren Zeitgenossen ist Klaus Burkert, der bei Village Tronic maßgeblich an der Realisierung technisch brillianter und - was in diesem Markt ausgesprochen selten ist - ausgereifter Amiga-Hardware beteiligt war. Als berühmteste Burkert-Schöpfung dürfen wohl die Picasso-Grafikkarten gelten. Insbesondere die Picasso IV distanzierte die in etwa gleichzeitig erschienene Konkurrenzlösung aus dem Hause phase 5 in technischer Hinsicht um Längen - aber andererseits eben auch bezüglich des (deutlich höheren) Preises. Ende letzten Jahres kündigte Village Tronic nun die Entwicklung einer 3D-Erweiterung für die Picasso IV an, woraufhin die Zeitschrift amigaOS begeistert titelte, die Amiga-Zukunft sei dreidimensional. Im "AmigaGadget"-Interview spricht Klaus Burkert über die Hintergründe des Projektes und über technische und sonstige Beschränkungen im schrumpfenden Amiga-Markt.


AG: Auf die Voodoo-Erweiterung für die Picasso IV angesprochen, meinte ein Village Tronic-Mitarbeiter am CeBIT-Messestand der Firma, es handele sich dabei aller Wahrscheinlichkeit nach um das letzte Produkt, das man für den Amiga entwickeln wolle. War's das also ?
KB: Die Situation im Amiga-Markt ist zur Zeit recht schwierig. Durch die notwendige Komplexität der Produkte ist die Entwicklung im Hardware- und vor allem Software-Bereich (->Treiber) nach wie vor aufwendig. Diese Kosten müssen durch die Verkäufe der Produkte gedeckt werden, durch die Marktsituation ist jedoch die jeweilige Absatzmenge recht gering.
Die Umverteilung der Kosten auf eine entsprechend kleinere Stückzahl führt jedoch zu höheren Verkaufspreisen, die, auch wegen des Vergleichs zum PC-Markt, aber keine breite Akzeptanz finden.

Zur Zeit sind keine weiteren Amiga-Produkte in Planung. Möglicherweise ändert sich dies, wenn es vom Markt, oder von Amiga Inc., entsprechende Impulse geben sollte.

AG: Deinem Kollegen Ekkehard Brüggemann zufolge (Interview in der amigaOS 03/99) liegt das Hauptproblem bei der Entwicklung der Voodoo-Erweiterung in der Treibersoftware. Wieviele Leute arbeiten derzeit daran ? Und wie hat man sich diese Software vorzustellen - wird sie auf einem ROM auf der Karte selbst zu finden sein, wird sie in bestehende Treibersoftware, also Picasso'96, integriert oder gar als eigenständige Software auf einer Ebene unterhalb (oder gar oberhalb) der bestehenden Kartentreiber realisiert ?
KB: Die Software wird Disk-basiert sein, mit einer Struktur ähnlich dem entsprechenden Mac-Produkt, dem 3D Overdrive fuer die MP540. Dort sieht es folgendermassen aus:

Quickdraw/RAVE -> Glide -> Hardware

Quickdraw3D bzw. RAVE sind High-Level APIs auf dem Mac, Glide ist ein "niedriger" angesiedeltes API, das gleichermaßen als Hardware-Abstraktion fungiert. Auf dem Amiga wird es ähnlich aussehen, wobei MESA/Warp3D den Platz von Quickdraw3D/RAVE einnehmen werden.
Ob und zu welchem Grade als eigenes API herausgestellt werden soll, ist noch nicht entschieden, als Mac->Amiga Port eines Hardware-Treibers macht es auf jeden Fall Sinn und verkürzt die Anpassungszeit. Der "Glide-Anteil" am Softwaresystem wird sich in mehrere Teile gliedern:

  • Glide selber
  • Picasso96 (hier PicassoIV.card)
  • p4specials.library (Steuerung des Capture-Busses)
  • PicassoIV.resource (Erkennung und Konfiguration des PCI-Busses)

Vom Umfang her (voraussichtlich mit einigen Demos und Dokumentation) wird eine CD als Datenträger wohl sinnvoll sein, es ist aber noch nicht entschieden.

AG: Wie groß sind die Synergie-Effekte, die Ihr aus der Entwicklung entsprechender Mac-Karten ziehen konntet ?
KB: Sehr groß. Ein elementares Problem ist immer, dass die Chipsätze sowie die Dokumentation und Beispielsourcen "PC-optimiert" sind, daher muss man fast immer bei Null beginnen und alles selber machen, bzw. die Bugs und Workarounds selber finden.
Wenn dies für den Mac oder Amiga geschehen ist, ist das Problem gelöst und es ist relativ einfach, das Verfahren auf das jeweils andere System zu übertragen. Die Hardware ist auf Schaltungsebene ohnehin weitgehend identisch, wenn man von der jeweiligen Hostanbindung (Zorro, PCI, NuBus) absieht. Die Entscheidung, ein Produkt für ein System zu produzieren oder nicht, ist nach erfolgreichem Abschluß der Evaluierung nur noch eine wirtschaftliche, d.h. es hängt davon ab, ob man die Kosten wieder hereinbekommen wird oder nicht.
AG: Über die eigentliche Funktionalität des Voodoo I-Chipsets hinaus wird die Erweiterung für die Picasso IV, wie auch die Parallellösung auf der Mac-Seite, direkt in ein Fenster rendern können. Das klingt gut - nur: ist der praktische Nutzen wirklich erwähnenswert oder handelt es sich nicht vielmehr um eine Funktion, die man im Alltag nie brauchen wird ?
KB: Ja und Nein. Für Spiele ist es vermutlich nicht existenziell, da diese zumeist im Vollbildmodus laufen, für andere Applikationen, wie etwa die Vorschau im Modeller eines Raytracers, macht das Rendern im Fenster einen großen Sinn. Wenn die Objekte schon im Modeller texturiert und geshadet dargestelt werden, gewinnt man einen besseren und schnelleren Überblick über die Szene.
AG: Als Grund, warum Voodoo I und nicht der Nachfolger auf der Erweiterung zum Einsatz kommen wird, hast Du im Usenet vor allem auf die guten praktischen Erfahrungen mit Voodoo I, den niedrigeren Preis und die geringere Hitzeentwicklung verwiesen. Ekkehard Brüggemann hingegen nennt als ausschlaggebend das für Voodoo II zu langsame Zorro-III-Bussystem und ein für diesen Chipsatz erforderliches "vollständiges Neu-Design". Was hat denn nun wirklich den Ausschlag gegen das technisch überlegenere Voodoo II gegeben ?
KB: Bei der Entscheidung spielten mehrere Gruende mit:

  • Es existiert ein fertiges und getestetes Voodoo1-System

  • Die Entwicklung des Mac Overdrive begann auf der P-IV, was das Einlesen und die Kombination mit der 2D-Grafik betraf...

  • Bedingt durch die räumliche Enge eines P-IV Moduls kommt der Wärmeentwicklung (oder präziser. deren Vermeidung) eine große Bedeutung zu, der Voodoo1-Chipsatz bleibt im Vergleich zum Voodoo2 sehr kalt, was ein wichtiges Argument darstellte.

  • Die heutigen 3D-Chipsätze verlangen nach einer schnellen CPU und einer leistungsfähigen CPU-Anbindung, da die Geometrieberechnungen von der CPU ausgeführt werden und der Chipsatz "nur" die Dreiecke, ggf. mit Texturen, rendert, die Vorbereitung (->Setup) der Szenen obliegt dem Host. Dies sind aber Bereiche, in denen der heutige Amiga im Vergleich mit anderen Plattformen schwach besetzt ist, so dass ein Voodoo1 vielleicht gerade ausgelastet ist, ein Voodoo2 sich aber nur "langweilen" würde.
    Dies ist sogar bei Mittelklasse-Macs (vor den "G3-Macs") der Fall, eine Voodoo2-Karte verbucht dort keinen signifikanten Vorteil gegenüber Voodoo1-Karten. Die Mehrinvestition würde also keinen Sinn machen.


  • Letztlich ist der Voodoo1-Chipsatz im Preis gesunken, so dass wir einen sinnvollen Preis realisieren können, technisch wäre ein "Amiga-Overdrive" schon früher möglich gewesen, allerdings lag der Preis für die Mac-Version damals noch bei deutlich über DM 500.- Dieser Preis ist im professionellen Mac-Bereich realisierbar gewesen, im Amiga-Markt hätte es dafür aber keine nennenswerte Akzeptanz gegeben.
AG: Für Aufsehen unter den Amiga-Anwendern sorgte die mit einem Ausschlusstermin versehene Umfrage, die Village Tronic Ende letzten Jahres veranstalte, um insgesamt 500 Vorbestellungen für die Voodoo-Erweiterung zusammenzubekommen. Siamese Systems haben Anfang letzten Jahres ähnlich verfahren, und bei phase 5 verlangt man für die G4-Prozessorboards sogar Vorauszahlungen. Wird man bei künftigen Amiga-Entwicklungen an einer solchen Vorgehensweise nicht mehr vorbeikönnen ? Ist ein Markt, bei dem der Hersteller jeden Kunden praktisch persönlich kennt, überhaupt noch ernstzunehmen ?
KB: Der Weg, über Vorbestellungen eine Produktentscheidung zu treffen, ist gewöhnungsbedürftig, er läßt sich in der aktuellen Marktsituation aber wohl kaum noch vermeiden.
Wenn man eine Entwicklung nicht absichert und normal durchkalkuliert, kann man die Entwicklung von Amiga-Produkten nicht mehr darstellen, ähnliche Aussagen sind in der letzten Zeit von mehreren Firmen im Amiga-Bereich gekommen.
Wenn man die Netze durchsieht, liest man häufig Aussagen der Art "ich warte auf den AmigaNG und kaufe nichts mehr für den Classic". Diese Aussagen sind irgendwo verständlich, da aber dieser "AmigaNG" nach wie vor auf sich warten läßt, führen sie zu einer Art Paralyse des Marktes, die auch die Hersteller wiederum zögern laesst...
AG: Die mit der Umfrageaktion verbundene Eile wurde mit einem externen Termin begründet. Hatte Village Tronic Gelegenheit, günstig an einen größeren Restposten von Voodoo I-Chipsätzen zu gelangen ? Stellt die Firma 3Dfx diese überhaupt noch her ?
KB: 3Dfx hat den Chip abgekündigt, da er durch Voodoo2, Banshee und Voodoo3 abgelöst wurde. Das Jahresende '98 war der "last order"-Termin, die bis dahin eingegangenen Bestellungen werden noch produziert und ausgeliefert. Aus diesem Grunde musste die Aktion vor Weihnachten beendet sein.
AG: Wie hat man sich die Auslieferung der Voodoo-Erweiterungen vorzustellen ? Wird von heute auf morgen plötzlich ein entsprechendes Päckchen in der Post sein ? Oder werden die Kunden vorher noch einmal individuell auf die kurz bevorstehende Auslieferung (etwa per e-Mail) hingewiesen ? Und verlasst Ihr Euch auf die via WWW erfolgten Vorbestellungen, die ja für sich genommen doch über einen recht geringen Beweiswert verfügen.
KB: Ich denke, es wird vorher wohl noch ein Anschreiben geben. Ich glaube, dass die Adressen alle geprüft wurden, aber in Anbetracht der Frist ist eine Benachrichtigung vermutlich sinnvoll.
AG: Da die Erweiterungen ja frühstens im zweiten, wenn nicht gar erst im dritten Quartal diesen Jahres fertiggestellt sein werden, werden manche, die im Dezember voller Optimismus eine Vorbestellung getätigt haben, mit dem Endprodukt vielleicht (wegen Systemwechsel, Rechnercrash, etc. pp.) nichts mehr anfangen können. Besteht für die Betroffenen eine Stornierungsmöglichkeit ?
KB: Dazu kann ich nichts sagen, ich bin aber der Ansicht, dass in begründeten Fällen sicherlich eine adäquate Lösung gefunden werden kann.
AG: Gibt es schon neue Informationen zur Frage, ob (und wenn ja welche) spezielle Software, wie etwa ein 3D-Spiel, zusammen mit der Voodoo-Erweiterung ausgeliefert werden soll ?
KB: Nein. Bevor ein laufender Prototyp existiert, sind Verhandlungen über ein eventuelles Bundling jedoch verfrüht, die aktuelle Performance und Kompatibilität auf der Hardware kann dann ja noch nicht verifiziert werden.
AG: Die Voodoo-Erweiterung wird den PCI-Slot der Picasso IV belegen und auch blockieren. Wird damit letzten Endes nur die Konsequenz daraus gezogen, dass dieser Slot von Anfang an ausschliesslich für eine aus dem eigenen Haus stammende Erweiterung gedacht war ?
KB: Nein. Der Slot wird nicht durchgeschleift sein, das hat jedoch nichts mit "ursprünglichen Absichten" zu tun, es ist einfach nur ein Resultat der Platzverhältnisse.
Einige werden uns nun vermutlich "verfehlte Planung" vorwerfen, es ist jedoch nicht trivial, die Platz- und Signal-Bedürfnisse zukünftiger Erweiterungen auf mehr als zwei Jahre im Voraus zu übersehen... Die PicassoIV ist zwar als Full-Size Zorro-Karte recht groß, trotzdem ist aber "kein Platz" für ausufernde Module vorhanden... Wir haben damals, im Laufe des Jahres 1996, als das Projekt wieder aufgenommen wurde, versucht, ein Maximum an Flexibilität vorzusehen, damit wir später keine Probleme bekommen.
Es waren jedoch nicht alle Eventualitäten abzuschätzen.

Die ursprüngliche Idee, ich sage "Idee", denn mehr als das war es nicht, eines PPC-Moduls wurde verworfen, da es massive mechanische Probleme (Platzbedarf mehrerer Zorro-Slots, dadurch Unmöglichkeit im A3000-Desktop) gab und auch die Funktionalität nicht über die der alten C=-PC-Bridgeboards hinausgekommen wäre.
Mit diesen Funktionen hätte es keine sinnvolle Anwendung und demzufolge auch keinen Markt gegeben.

Die Absicht, Entwicklerdokumentationen herauszugeben, ist nach wie vor vorhanden, es ist aber leider keine Zeit (im Sinne personeller Resourcen) vorhanden, diese zu erstellen und zu verifizieren...

AG: Soweit bekannt, sind derzeit keine weiteren Erweiterungen für die Picasso IV geplant. Wie sieht es mit Verbesserungen bestehender Erweiterungen aus, wie z.B. speziellen MPEG (Audio)-Funktionen für das Concierto-Modul ? Und kann man als Picasso IV-Benutzer auf Unterstützung fuer MPEG (Video) oder gar auf für DVDs erforderliche AC-3-Fähigkeiten hoffen - oder scheitert das nach wie vor an Unsicherheiten wegen fehlender Standardisierung ?
KB: Es war ein MPEG-Modul angedacht, im Laufe der Zeit veränderte sich die Spezifikation vom MPEG1-Decoder, über einen MPEG1-En/Decoder zu einem MPEG2/DVD-Decoder, der letztlich verworfen wurde.
Die Abkehr vom MPEG1-Decoder geschah aufgrund der Nichtverfügbarkeit entsprechender Chips, da diese Funktion im Mainstream (PC) in Software implementiert ist. Der En/Decoder scheiterte an Platzgründen, da der verfügbare Platz nur aus dem schmalen Streifen zwischen Pablo und Paloma/Concierto besteht.
Letztlich hatten wir uns dann für den STi3560 von SGS Thomson (jetzt ST Microelectronics) entschieden, der sowohl vom Funktionsumfang (AV MPEG2/DVD-Decoder) als auch vom Platzbedarf gepasst hätte. Leider wurde die Entscheidung, ob der Chip realisiert wird oder nicht, durch den Hersteller sehr lange hinausgezögert, bis sie schliesslich negativ ausfiel.
Damit einhergehend kann auch das Modul nicht realisiert werden.

Die Concierto hat nicht ganz die Form, in der sie geplant wurde, eine modifizierte Nachfolgeserie ist aber nicht geplant.

AG: Du selbst hälst die Entwicklung eines Nachfolgers für die Picasso IV für derzeit eher unwahrscheinlich. Macht sich Village Tronic mit dem Verkauf teurer (und leistungsfähiger) Erweiterungen für die Picasso IV nicht selbst den Markt für eine Picasso V kaputt ? Wovon hängt es ab, ob jemals mit der Entwicklung einer solchen Karte begonnen wird ? Wäre das dann eher ein Produkt für Amigas der neuen Generationen - oder zumindest rein PowerPC-basierter Amigas ?
KB: Die jetzige Marktsituation (s.o.) gibt eine Neuentwicklung zur Zeit nicht her. Ein Port der aktuellen Mac-Produkte (3Dfx Banshee) wäre aufgrund einiger Eigenheiten des Chips sehr aufwendig und ist entsprechend unattraktiv.
Ich denke nicht, dass wir durch die PicassoIV-Module den potentiellen Markt einer "PicassoV" beschneiden, denn eine solche Karte wäre preislich kaum unterhalb der PicassoIV angesiedelt und schon dieser Preis stößt auf einige Kritik.
Das Problem ist der Amiga-Bus, die Chips für das Businterface sind letztlich teuerer als der Grafikchip selber, so dass man auch mit neueren oder günstigeren Grafikchips am Preis nur wenig tun kann. Wenn es eine Nachfolgekarte gäbe (es gab Gedanken, die aber nicht realisiert wurden), würde man sie sicherlich so auslegen, dass möglichst viele der Module weiterverwendet werden könnten. Dies wäre einerseits eine Investitionssicherung für die Kunden, andererseits würde es den Entwicklungsaufwand reduzieren, da die bisherigen Softwareteile sehr modular und wiederverwendbar gehalten sind..
AG: Jüngst hat Village Tronic den Nachfolger der beliebten Ethernet-Karte Ariadne veröffentlicht. Auch die Ariadne II ist jedoch nach wie vor nur für 10Base-Verkabelungen ausgelegt. Warum ist Fast Ethernet für Amiga-Karten kein Thema ?
KB: Die AriadneI war nicht günstiger zu produzieren. Da vielfach der Ruf nach einer preiswerteren Netzwerklösung erschallte, suchten wir einen Weg, dies zu erzielen.

Die gängigen Fast-Ethernet-Chips arbeiten jedoch alle als PCI-Master ohne eigenen Pufferspeicher. Man müßte also eine PCI-Master -> Z3-DMA Umsetzung bauen oder eine PCI-Master -> lokaler Puffer <-> Zorro PIO Lösung realisieren. ZorroIII DMA ist bekanntermaßen mit einigen Problemen behaftet und die PCI-Lösung ist mit wesentlich höheren Kosten als ein einfaches ZorroII <-> ISA Interface verbunden. Ohne eine detaillierte Kalkulation kann man sagen, dass der Verkaufspreis einer solchen Karte jenseits vom DM 500.- gelegen hätte, ein Preissegment für das unsere Marktananlyse keine nennenswerte Nachfrage ausgewiesen hat. Wenn der Amiga serienmäßig masterfähige PCI-Slots hätte, wäre Fast-Ethernet kein (großes) Thema.

Ein Amiga-Konzept auf PCI-Basis wurde Ende '95 Amiga Technologies und '96 dem "Amiga Konsortium" vorgeschlagen, es stieß jedoch auf keinerlei Interesse.
Da dieses Konzept jedoch auch Änderungen am OS, und demnach Zugriff auf die Sourcen erfordert hätte, war es für Village Tronic alleine nicht durchführbar und wanderte daher in die Schublade.
Mittlerweile sind Zeit und Technologie auch darüber hinweggegangen...

AG: Im Bundle mit der Ariadne II wird eine modifizierte Version des relativ neuen TCP/IP-Stacks "Genesis" ausgeliefert. Wieso habt Ihr Euch für diese Lösung und gegen den erheblich weiter verbreiteten Konkurrenten "Miami" entschieden ?
KB: Ich war selber nicht in die Verhandlungen involviert, mir wurde als Ergebnis mitgeteilt, dass Holger Kruse unakzeptable Preisvorstellungen (für eine Bundlingversion) hätte. Mit den Entwicklern des AmiTCP-Nachfolgers "Genesis" kam man zu einer Einigung. Später hörte ich dann von Holger, dass er von einer universellen Vollversion ausging, da ihm nicht klar war, dass eine spezielle "AriadneII-only"-Bundling-Version gefragt war. Vom jetzigen Standpunkt kann man da nur "dumm gelaufen" sagen...

Einen Protokollstack irgendeiner Art wollten wir jedoch beilegen. Die alten AriadneI-Karten hatten Envoy dabei, jedoch hat Envoy als "Amiga-only"-Netzwerk heute nicht mehr die Bedeutung wie vor vier Jahren...
Eine haeufige Frage im Support war

"ich habe einen Amiga und einen PC und will die vernetzen, wie geht das?"

Die Standardantwort war dann "Samba aus dem Aminet", woraufhin ein

"hmm, da muss ich ja noch TCP/IP kaufen..."

etwas enttäuscht aus der Muschel drang.
Also entstand die Zielsetzung, einen TCP/IP-Stack beizulegen, damit dem Kunden für darauf aufbauende Dienste wie Samba, keine weiteren Kosten entstehen...

AG: Ende letzten Jahres hieß es offiziell noch, AmigaOS 3.5 werde auch über RTA- und RTG-Unterstützung verfügen. Dabei wurde weithin davon ausgegangen, dass als Basis fuer die RTG-Implementierung die unter der Ägide von Village Tronic entwickelte Software Picasso'96 zum Einsatz kommen würde. Inzwischen zählt RTG nicht mehr zu den für AmigaOS 3.5 vorgesehenen Features. Wie kam es dazu ? Und was hälst Du davon, wenn Jürgen Haage verkündet, er sehe keinen Nutzen darin, RTG im Betriebssystem selbst zu verankern ?
KB: Zum Thema RTA war wohl ursprünglich das ARTAS-System von ACT (Marc Albrecht) eingeplant. Die Gründe, warum dieses System zur Zeit nicht zur Verfügung steht, hat Marc Albrecht schon in diversen Statements genannt.
Um OS 3.5 in einem überschaubaren Zeitrahmen überhaupt fertigstellen zu können, halte ich es für akzeptabel, RTA auf eine mögliche spätere Version des Betriebssystems zu verschieben.

Zur Zeit gibt es zwei RTG-Systeme, CyberGraphics und Picasso96, die beide ihre Stärken und Schwächen haben.

Eine Entscheidung, einfach das eine oder das andere System ins OS zu integrieren, wäre wohl auch mit zu viel Adaptionsarbeit verbunden, als dass sie in der gegebenen Zeit vollbracht werden könnte.
Es wurde bisher seitens der jeweiligen Rechteinhaber einfach zu viel Zeit inaktiv verbracht, als dass jetzt all das eingebaut werden könnte, was sinnvoll und notwendig ist.
Nach meiner Ansicht ist das OS 3.5, wie es jetzt kommen soll, ein Kompromiss zwischen vertretbarer Zeit, erreichbaren Zielen und wünschenswerten Features.

Es ist aber ein Signal, dass nach mehrjährigem Stillstand überhaupt etwas kommt. Nach den Statements auf der H&P- sowie der Amiga-Homepage, sind ja weitere Revisionen geplant, in denen dann diese Features integriert sein könnten, man wird sehen.

AG: Village Tronic gehört zu den größten und bedeutendsten Hardware-Herstellern, die noch für den Amiga produzieren. Wurdet Ihr im Vorfeld der Planungen zu AmigaOS 3.5 und dem "Next Generation"-Amiga von offizieller Seite kontaktiert ? Wie funktioniert der Informationsaustausch mit der Truppe des Triumvirats Collas/Schindler/Tyschtschenko ?
KB: Nein. Wir sind bisher (Stand Ostern '99) nicht von von offizieller Stelle kontaktiert worden.
AG: Eine der Kernfragen, wenn es um die Zukunft des Amigas geht (so er denn eine hat), ist die Entscheidung zwischen hochspezialisierter proprietärer Hardware oder preisgünstigen Standardkomponenten. Was würdest Du bevorzugen ? Wäre ein auf jedwede Spezialhardware verzichtender Rechner überhaupt noch ein Amiga ?
KB: Da stellt sich zunächst einmal die Frage "WAS ist ein Amiga?", bzw. "was macht den Amiga aus?"

Wenn man sich heute einen "aktuellen" Amiga ansieht, dann finden sich darin Netzwerkkarten, Grafikkarten, IDE/SCSI-Hostadapter, Soundkarten, I/O-Karten usw., alle basieren in der einen oder anderen Form auf Standardchipsätzen, die zumeist aus dem PC-Bereich stammen, trotzdem sind diese Maschinen Amigas.
Daher macht wohl die Hardware nicht den größten Teil des Amiga aus.

Wenn ich höre, dass ein aktueller PC mit UAE etwas über dem Level eines A1200 liegt, kann es auch nicht alleine das Betriebssystem sein.

Ich denke, ein Amiga definiert sich über das "Feeling", d.h wie sich das System beim Arbeiten "anfühlt", wie schnell es auf Eingaben reagiert, wie stabil es läuft und dass es nicht durch irgendwelche "merkwürdige Eigenheiten" auffällt.
Arbeitsbedingt habe ich auch mit Macs und PCs zu tun, aber das Arbeiten und Entwickeln macht am Amiga mehr Spaß.
Ein zukünftiger Amiga solle sich also vom Charakter ähnlich verhalten, und wenn er noch einen Teil der alten Software ausführen kann, dann wäre das kein Negativpunkt.

AG: Du hast ja auch bereits Treiber-Software für NetBSD geschrieben und bist gelegentlich ein gern gesehener Gast auf *ix-Treffen. Verwendest Du privat primär Unix-Derivate - und auf welcher Plattform ?
KB: Ich habe hier privat einen A3000T, einen A2000 und einige PCs, sowie zur Zeit noch leihweise einen Mac stehen.
Der 3000er ist mein primäres "Arbeitsgerät" und läuft unter AmigaOS oder NetBSD, der 2000 ist mein erster Amiga und stellt jetzt ein Testsystem (z.B Netzwerke) dar. Ein PC (unter Win95) ist eine Entwicklungsmaschine für programmierbare Logik und anderes, was es Amiga-basiert nicht gibt, ein PC ist ein Fileserver unter Novell Netware und ein weiterer unter NetBSD ist als Commserver vorgesehen.
Der Mac dient zur Heimarbeit an Firmen-Projekten, wenn man gerade zur Unzeit einen Geistesblitz hat...

Ich habe nichts gegen Linux, aber mir persönlich erscheint NetBSD, zumindest auf dem Amiga, "reifer" und runder, insbesondere überzeugt mich das Grafikkarten-Handling unter Amiga-Linux nicht. Angesichts des Umfangs der *ix-Systeme möchte ich mir aber auch die Festplatten nicht mit im Grunde redundanten Daten zukleistern. Die Entscheidung "Linux oder *BSD" ist aber jedem selbst überlassen. Der A2000 hat auch noch ein altes AmigaUNIX installiert, das ich in nostalgischen Momenten nochmal hochfahre, dafür habe ich ich ja X11/Gfx/SCSI/Netz-Treiber geschrieben (auf der Gateway! Vol.2 CD).

AG: Freut Dich vor diesem Hintergrund der Siegeszug von Linux in der PC-Welt besonders ? Und kann man angesichts dieser Entwicklung einem AmigaOS 5.0, so es denn tatsächlich kommen sollte, überhaupt irgendwelche nennenswerten Marktchancen einraeumen ?
KB: Gerade als Server-Betriebssystem hat Linux oder allgemein *ix eine große Berechtigung, in der Firma laufen unsere IP-Server auch unter Linux. Ob *ix als Desktop-Betriebssystem Windows oder MacOS ablösen kann ist schwer zu sagen. Fuer "Joe User" ist die Installation und Verwaltung in meinen Augen noch zu aufwendig, das mag sich in Zukunft ändern, andererseits gehen Windows und MacOS ja auch in die Richtung, einen *ix-ähnlichen Kern und darauf aufbauend das eigene OS zu verwenden, während im *ix-Bereich komfortablere und einfachere Desktops in Entwicklung sind. Letztlich bewegen sich die Lager aufeinander zu...

Die Position eines AmigaOS 5.0 (oder wie auch immer es letztlich heißen wird) ist da schwer einzuordnen, es gibt/gab ja auch z.B. BeOS und Nextstep für x86-Systeme, sie haben sich aber nicht als Mainstream durchsetzen können.
AmigaOS 5.0 (und ein neuer Amiga) muß sich eine Nische suchen, als zukünftiges Mainstream-OS sehe ich es nicht.
Heutzutage wird ein Rechnersystem aber nicht mehr wegen des OS oder der Hardware, sondern als "Komplett-Lösung" gekauft, d.h. wenn ich in eine bestehende Domaine einbrechen will, brauche ich eine "Killer-Applikation", wie es im Video-Bereich damals der Amiga mit dem Toaster (zumindest für Länder mit NTSC-Fernsehen) war. Zur Zeit sehe ich eine solche Lösung aber nicht.

AG: Lobenswerterweise meldest Du Dich des öfteren auch im Usenet zu Wort, wenn es um Village Tronic-Entwicklungen geht. Doch trotz kompetenter, verständlicher und freundlicher Erklärungen nutzen einige die Gelegenheit, um Dich oder Village Tronic zum Teil sehr aggressiv anzugreifen. Ist das das übliche Usenet-Risiko - oder sind die Sitten in der Amiga-Gemeinde noch ein bisschen rauher ? Hast Du schon einmal mit dem Gedanken gespielt, Dich deswegen öffentlich überhaupt nicht mehr zu Deiner Arbeit zu äußern ?
KB: Das übliche Usenet-Risiko ist immer vorhanden, es gibt aber auch Einzelne, die meinen, sie können abstruseste Unwahrheiten verbreiten und/oder persönliche Angriffe unterster Schublade fahren und dann hinterher sagen "war'n Scherz" oder "ich meinte ja nur..." und damit wäre alles gegessen. Das kann einem die ganze Angelegenheit schon verleiden und ich hatte so einen Punkt erst vor ein paar Monaten auf der Picasso-Mailingliste. Einige Leute meinen, man müsse privat einen 24 Stunden pro Tag, 7 Tage die Woche vor-Ort Service leisten und am besten persönlich sofort vorbeikommen, nur weil jemand vor über drei Jahren mal ein Produkt gekauft hat.
Wenn man mir so kommt und ich vielleicht noch einen schlechten Tag hatte, dann kann es schon einmal auf gleichen Level zurückkommen, man ist ja selber auch nur Mensch. Da dies aber ja auch nichts bringt, beantworte ich solche Sachen mittlerweile zumeist mit der "Delete"-Taste.

Ich sehe es so, durch meine Arbeit habe ich in einigen Bereichen einen etwas fundierteren Background als "Joe User" und ich helfe gern mit Hintergrund-Infos oder kleinen Tips aus, ich möchte daraus aber keinen Hilfe/Antwort-Anspruch hergeleitet wissen, denn schließlich handelt es sich um *meine* Freizeit... :-)

AG: Deine e-Mail-Adresse läuft nicht über die Village Tronic-Domain. Warum diese "Distanzierung" ?
KB: Das ist rein historisch bedingt. Ich hatte die private e-mail-Adresse schon, bevor Village Tronic eine eigene offizielle Netzpräsenz bekam. Des weiteren geschieht meine Netzteilnahme auf privater Basis, d.h. ich tue dies in meiner Freizeit und freiwillig.
Da ich auch kein offizieller Sprecher für Village Tronic bin, würde bei einem Posten von einer Village Tronic-Adresse fälschlicherweise ein "offizieller" Eindruck erweckt.
Bei einer privaten Adresse ist dies nicht gegeben.
AG: Kannst Du uns nun noch ein paar Informationen über Dich persönlich geben ? Wie alt bist Du ? Wie bist Du zum Amiga und zu Village Tronic gekommen ? Stellt die Arbeit an Amiga-Produkten für einen erfahrenen Ingenieur eine befriedigende Herausforderung dar ? Womit beschäftigst Du Dich ausser "Babylon 5" und "Perry Rhodan", wenn Du Dich nicht (privat oder beruflich) gerade mit Rechnern herumschlägst ? Und was sonst muß man als "Mann von der Straße" von Klaus Burkert wissen ?
KB: Ich bin 31. Ich habe seit 1981 einen VC-20 und seit 1983 ein C-64 und später SX-64. Zum Amiga kam ich 1988 (kann auch schon 1987 gewesen sein) mit einem A2000, den ich auch heute noch besitze, in diesem Rechner sind übrigens die Domino und die PicassoII entwickelt worden, die GALs wurden auf einem A2286 Bridgeboard compiliert...
Zwecks Informatikstudium wurde 1988 ich von der ZVS nach Passau geschickt, da ich aus einem Dorf nördlich von Bremen stamme, war das nicht direkt mein Wunschort...
Dort lernte ich im Laufe der Zeit aber interessante Leute wie Georg Hessmann (PasTeX) und David Göhler kennen, mit denen zusammen die Idee einer Grafikkarte (primär um ein vernünftiges TeX Preview zu bekommen) heranreifte.
Da David als ehemaliger Redakteur noch gute Kontakte zur c't hatte und ich auch gelegentlich für das Magazin schrieb, hatten wir die Idee, die Sache als c't-Projekt zu realisieren.
Das sollte aber nicht sein, es kam jedoch ein Kontakt mit Village Tronic (die damals noch in anderer Form existierte) zustande und das Projekt Domino nahm ab Dezember '91 seinen Lauf...
Im Laufe des Jahres '92 realisierte ich, dass die Studienziele in Passau nicht meine Ziele waren und fing Ende des Jahre fest bei Village Tronic an, um die PicassoII fertigzustellen, der Rest ist Geschichte... :-)

Der Reiz an der Entwicklung ist eigentlich der Entwurf des Konzepts und der Test auf Realisierbarkeit. Die reine Umsetzung ist meist eher langweilig und zuweilen frustrierend, da man häufig bis regelmäßig auf irgendwelche Bugs in den verwendeten Chips aufläuft. Das ist aber kein Amiga-typisches Problem, dieser Spaß erwartet einen auf allen Plattformen...
Die Amiga-spezifische Entwicklung, gerade bei aufwendigen Projekten, gestaltet sich aus der oben beleuchteten Marktsituation jedoch zunehmend schwieriger, so dass ich immer häufiger auf anderen Plattformen tätig sein muß.

AG: Bleiben noch die beiden im wahrsten Sinne des Wortes allerletzten Fragen:
1. Kennst Du das "AmigaGadget" - und wenn ja, wie findest Du es ?
KB: Ich bin beim Browsen das eine oder andere Mal darüber gestolpert oder habe es gezielt angewählt, wenn ich in den News einen interessanten Hinweis gefunden habe.
AG: 2. Wird jemand dem FC Bayern München in dieser Saison noch den Meistertitel streitig machen können ?
KB: Ich habe mit Fußball nichts im Sinn, daher belastet mich diese Existenzfrage der deutschen Sportwelt nicht im Geringsten... :-)
AG: Vielen Dank für die Beantwortung unserer Fragen - und alles Gute für die Zukunft !
KB: Ja, danke, Dir auch.

[ Das Interview führte (an) für das "AmigaGadget". ]

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