Forum

Messenachlese: CeBIT 1999

In der guten alten Zeit (in der die durchschnittliche Lebenserwartung noch knapp 40 Jahre geringer war als heute) diente der dritte Monat im Jahr primär der landwirtschaftlich tätigen Erwerbsbevölkerung dazu, ihre Ernteeinbringungsvehikel durch zeitweilige Verbindung mit zu diesem Zwecke gehaltenen Nutztieren mobil zu machen. Doch im Deutschland am Ende des 20. Jahrhunderts spannt der Bauer im Märzen nur noch selten die Rösslein an. Viel mehr Menschen nutzen heutzutage den Monat für ein Erlebnis der anderen Art. Alljährlich öffnet dann in Hannover die Computermesse CeBIT für eine Woche ihre Pforten - und Hunderttausende treten ein. In diesem Jahr war vom 18. bis zum 24. März Showtime.

Seitdem man die CeBIT Home als gesonderte Messe für Heimanwender ausgegliedert und die professionellen Fachbesucher als Wunschzielgruppe ausgemacht hat, ist auch der Preis für Eintrittskarten auf ein äußerst professionelles Niveau angehoben worden. Lediglich an zwei Tagen - dem Messesonntag und dem letzten Messetag - gibt es für bestimmte Personengruppen, vor allem für Schüler und Studenten, ermäßigte Eintrittspreise. Da ich ganz im Sinne des neoliberalen Zeitgeistes auf meine Ausgabenpolitik achten muss und da die Kosten-Nutzen-Rechnung eines CeBIT-Besuches für einen Amiga-User eher ungünstig ist, seitdem Informationen zu diesem Rechnersystem auf der Messe ungefähr so häufig zu bekommen sind wie Tips zur Land- und Forstwirtschaft, entschied ich mich natürlich auch für einen dieser "Billig-Tage" und machte mich am Messesonntag auf zur Pilgerfahrt gen Hannover. Nach der Entrichtung des trotz Ermäßigung noch stolzen Eintrittspreises von 25 DM betrat ich dann das Messegelände. Der (analoge) Zeitmesser zeigte 12 Uhr. Highnoon. Die Luft flirrte vor Spannung, der Boben bebte unter den Füssen Abertausender dynamisch durch von einer Halle zur nächsten eilenden Jungmanagerinnen und Jungmanagern. Highnoon. Zeit für einen kurzen Imbiß, bevor es dann endlich richtig losgehen sollte.

Nachdem mir dann also auch beim Erwerb einer kleinen Zwischenmahlzeit einmal mehr bestätigt wurde, dass die CeBIT nichts für Arme ist, führte mich mein Weg konsequenterweise zunächst in die Halle, in der sich die ehemaligen Underdogs der Computerbranche präsentierten, die Firmen, die auf ein kostenloses Betriebssystem setzten - womit sie angesichts der Entwicklung der letzten Monate wohl richtig lagen. Linux, denn davon ist in diesen wirren Zeilen die Rede, hat sich inzwischen als ernstzunehmender Konkurrent in der bislang weithin unangefochten von Microsoft beherrschten Computerwelt etablieren können. Nachdem sich dieses unter der die kostenlose Nutzung garantierende "GNU Public License" vertriebene Unix-Derivat zunächst vor allem bei (Informatik-)Studenten, Computerfreaks und in Netzwerkumgebungen durchsetzen konnte, hat es inzwischen auch den gemeinen Endanwender erreicht. Augenfällig wurde das gerade bei dieser Messe, indem hier zahlreiche grosse Firmen, darunter etwa auch Giganten wie SAP, erstmals der Öffentlichkeit Linux-Portierungen ihrer Softwarepakete vorstellten. Doch diese "Newcomer" waren nicht das, was mich interessierte. Vielmehr wandte ich mich zunächst der Hamburger Firma StarDivision zu, die jüngst Furore damit machte, dass sie die Verison 5.0 ihres Anwendungs-Paketes "StarOffice" für private Endnutzer kostenlos zur Verfügung stellte. Da das "StarOffice" nicht nur eine Datenbank, eine Tabellenkalkulation, einen Terminplaner, ein Zeichenprogramm und einen integrierten WWW-Browser, sondern mit dem "StarWriter" auch eine leistungsfähige Textverarbeitung enthält, handelt es sich alleine deshalb um eine sehr reizvolle Alternative zum kommerziellen Marktführer "Microsoft Office". Und zu allem Überfluß gibt es dieses Office-Paket nicht nur für die verschienen Windows-Spielarten. Die StarDivision bietet vielmehr vor allem auch eine Linux-Version an - womit wir wieder beim Thema wären. Bis dato existiert jedoch lediglich ein Kompilat für Linux/i386, so dass schon aus diesem Grund Amiga-Anwender davon nicht profitieren können. Aber das kann sich ja möglicherweise ändern, und so lag es nahe, sich einfach mal über die Pläne für zukünftige "StarOffice"-Versionen zu informieren. Der befragte StardDivision-Mitarbeiter wußte allerdings nur, dass an einer Mac-Konvertierung gearbeitet würde. Dass weitere Linux-Kompilate vorgesehen wären, war ihm nicht bekannt. Doch natürlich sei er gerne bereit, gute Ideen zu notieren und weiterzuleiten. Auf einem Notizblock vermerkte er daraufhin "Linux/68k", war damit jedoch noch nicht zufrieden und meinte, da könne man ja auch noch an andere Plattformen denken. Mitgerissen von der eigenen Kreativität spann er die Liste weiter - "Sparc ! Alpha !" Meinen Vorschlag, doch auch noch den C64 mit aufzunehmen, griff er dann aber doch nicht auf.

Dass Linux-Software mitnicht mit "umsonst" gleichzuseten ist, weiss jeder, der sich ein wenig mit der Materie beschäftigt hat. In direkter Nachbarschaft zum StarDivision-Stand wurde hier der praktische Beweis dafür angetreten. Die Firma Applix Inc. bietet schon seit Jahren ihr Anwendungs-Paket "Applix Office" (auch bekannt als "Applix Ware") für Linux an - zwar nicht kostenlos, für nur knapp über 100 DM aber dennoch zu einem akzeptablen Preis. Auch hier wusste der befragte Mitarbeiter jedoch nichts von Plänen einer Portierung für Linux/68k, meinte aber, dass das im Prinzip kein Problem sei - "Kaufen Sie 5.000 Stück und wir machen eine solche Version." Zu dumm, dass ich ausgerechnet an diesem Tag mein Scheckheft vergessen hatte. Blieb also nur ein kurzer Blick auf die (natürlich ebenfalls existierende) Windows 95/NT-Fassung. Und die wirkte eher wie ein mit Extra-Textfähigkeiten versehenes DTP-Programm als wie eine professionelle Textverarbeitung, nicht unähnlich "WordWorth" auf dem Amiga. Als der Kommilitone (und PC-User), mit dem zusammen ich mir diesmal die Messe ansehen wollte, fragte, ob man mit "Applix Words" auch Projekte mit mehreren hundert Seiten Umfang sinnvoll bearbeiten könne, bekamen wir ein (hoffentlich) einmaliges Schauspiel geboten. Der Versuch des Applix-Mitarbeiters, den ein Namensschild immerhin als Diplom-Ingenieur auswies, eine Datei mit dem "Windows Explorer" unter Zuhilfenahme der Clipboard-Funktionen in ein anderes Verzeichnis zu kopieren, misslang kläglich. Doch es gab auch technisch Beeindruckenderes an diesem Stand zu erfahren. Unter dem Namen "Applix Anyware" hat die Firma eine Java-Version des Office-Paketes entwickelt, die mit jedem Java-fähigen Browser genutzt werden kann. Dabei dient der Browser auch insoweit nur als Client für die eigentlichen Applikationen, die auf einem über das Internet (oder nach Wahl natürlich auch über ein firmeninternes Intranet) erreichbaren Server verwaltet werden. Man benötigt also nur sein persönliches Kennwort für einen solchen Applikations-Server und einen Computer, auf dem ein Java-fähiger Browser läuft (womit jedoch Amiga-Anwender schon wieder außen vor wären), und kann dann jederzeit und überall auf der Welt die gewohnte Office-Umgebung nutzen. Ein kleverer Ansatz, der konsequent die Idee der Net-PCs aufgreift. Der Versuch, uns die Funktionalität des ganzen zu präsentieren, glückte jedoch nicht so recht. Nachdem er etwa die Hälfte der Java-Applikation geladen, hing sich Netscapes "Communicator" auf. Einen gewissen Unterhaltungswert konnte man Applix auf dieser Messe jedenfalls nicht absprechen.

Einen solchen besaß wohl auch der ebenfalls in derselben Halle angesiedelte S.u.S.E.-Stand. Die Firma ist in Deutschland quasi zum Synonym für PC-Linux-Distributionen geworden. Nachdem Ende 1998 die S.u.S.E.-CD-ROMs in der lang erwarteten Version 6.0 erschienen waren, konnte man durchaus auch für die CeBIT noch mit regem Besucherinteresse rechnen. Der tatsächliche Andrang hat dann aber wohl auch das Unternehmen selbst überrascht - der viel zu kleine Stand war jedenfalls überlaufen, ursprünglich angeblich vorhandene CD-ROMs und Anstecker vergriffen. Zu sehen gab es dafür enttäuschend wenig - lediglich eine Aussenstelle von Applix, an der die Linux-Version des "Applix Office" präsentiert wurde, schien die Drängelei wirklich wenigstens partiell rechtfertigen zu können. Und auch der hier aktive Applix-Mitarbeiter bewies, dass die im US-amerikanischen Westboro angesiedelte Firma Sinn für Humor hat - wenngleich diesmal für tiefschwarzen. Einem im Rollstuhl sitzenden Messebesucher empfiehl der gute Mann, er möge doch in Halle XY gehen. Und siehe, Lahme konnten wieder sehen, und Blinde konnten wieder gehen. Weitere Wunder (Die Verspeisung der 5000 ?) fürchtend, folgte ich jedenfalls diesem Rat und machte mich nun auf den Weg aus dieser Halle heraus, allerdings nicht, ohne mir vorher eine Broschüre zum diesjährigen "Linux Tag" gegriffen zu haben. Diese "größte Linuxmesse Deutschlands" (so die Eigenwerbung auf dem Titel der Broschüre), die zugleich "die größte Linux-Anwendershow in Europa" (so die Eigenwerbung in der Broschüre) ist, wird am 26. und 27. Juni 1999 in der Universität Kaiserslautern stattfinden. Der Eintritt ist frei und dürfte sich schon angesichts einiger sehr interessant klingender Vorträge ("Debian GNU", "Linux auf PowerPC", "SAMBA - Wanderer zwischen den Welten ?" und natürlich auch Lutz Donnerhackes Beitrag "OpenPGP: Einbindung in eigene Programme") lohnen. Wer sich auch nur periphär für Linux interessiert, sollte mit einem Besuch der "größten Linuxmesse der Welt" (böse Unterstellung durch den Verfasser) nicht unbedingt einen Fehler machen.

Wer geglaubt hat, dieser Messebericht würde sich mit dem Betreten einer neuen Halle nun sofort vom Betriebssystem mit dem Pinguin ab- und einem anderen Thema zuwenden, sieht sich übrigens getäuscht. Auch in Halle 5, der "Zeitschriftenhalle", war der Emporkömmling allgegenwärtig. So gab es beispielsweise am Stand des Grasbrunner AWi Verlages nicht nur kostenlose Exemplare älterer Ausgaben der von ihm herausgegeben Fachmagazine "Unix Open", "NT Magazin", "Systeme" und "LAN line" zum Mitnehmen, sondern auch eine ebenfalls kostenlose Leseprobe der "Linux Open". Dabei handelt es sich um einen "Newsletter der Unix Open", der ab September für stattliche 14 DM pro Ausgabe im monatlichen Turnus als reguläres Magazin erhältlich sein soll. Bleibt zu hoffen, dass sich dann auch der Umfang nicht minder spürbar erhöht. Die auf der CeBIT verteilte Leseprobe war jedenfalls gerade mal acht Seiten dick, dafür aber durchaus interessant und sogar mit einer gewissen Amiga-Relevanz versehen. Nicht nur dass die gut verständlichen Erläuterungen zu den Systemeinstellungen in /etc natürlich auch für Linux/68k gültig sind - in der Vorstellung des neuen Linux-Kernels 2.2.x wird der Rechner auch explizit genannt:

"In Sachen Filesysteme gibt es neben der Komplettierung bestehender Lösungen (UFS-Filesysteme können jetzt auch `geschrieben' werden, der Amiga-FFS-Code ist jetzt nicht mehr als experimentell gekennzeichnet) auch Neuzugänge."

Soviel Amiga-Messepräsenz war selten. Doch damit nicht genug. Der Artikel lenkt den Blick im unmittelbaren Anschluß sogar - wenn auch grammatikalisch leicht missglückt und nur indirekt - auf die Zukunft des Amiga:

"Erstmals kann auf NTFS zugegriffen werden, obwohl einstweilen erst in Lesemodus. Der Schreibzugriff wird zwar angeboten, aber als `dangerous' gekennzeichnet. Entsprechendes gilt für die Unterstützung von QNX-Filesystemen."

Doch bevor ich nach weiteren Hinweisen auf die Existenz von QNX suchte, sah ich mich zunächst noch ein wenig in Halle 5 um. Natürlich war auch der Heise-Verlag ("iX", "c't") hier anwesend - und wie schon im Vorjahr sorgten die Hannoveraner mit ihrer Kryptokampagne, bei der sie Zertifikate für öffentliche PGP-Schlüssel ausstellen und so die korrekte Zuordnung zum Träger des im Schlüssel angegebenen Namens bestätigen, für reges Publikumsinteresse. Für den eigentlich als Inbegriff des Seriösen geltenden Verlag ungewöhnlich albern wirkte dabei jedoch die Verwendung eines "gläsernen Rechners" zur Schlüsselgenerierung - wenn schon ein durchsichtiges Gehäuse einen transpartenten Datenverarbeitungsvorgang garantieren könnte, hätte sich der Datenschutz hierzulande seit Jahren in die falsche Richtung entwickelt. Als weitaus gelungener stellte sich hingegen das "CeBIT-Special" der "iX" zum Thema "Internet/Intranet" heraus, das man am Heise-Stand mitnehmen konnte. Mit kurzen, kompetenten Texten und einer themenbezogenen Auflistung der das jeweils behandelte Gebiet abdeckenden CeBIT-Aussteller hob sich das immerhin 44 Seiten dicke Heftchen deutlich von der Menge der regelmäßig weitaus gehaltloseren Konkurrenzpublikationen ab. Als Messebesucher ärgert man sich bei so etwas zu Recht, nicht schon während der Messe sondern erst wieder in der heimischen Stube einen Blick hineingeworfen zu haben...

Die auffälligste unter den kostenlosen Messeveröffentlichungen stammte jedoch, wieder einmal, von der "Computerwoche". Gleich in mehreren großformatigen Sonderdrucken, die praktisch überall auf der CeBIT in Regalen zum Mitnehmen auslagen, berichtete die "Computerwoche"-Redaktion über neueste Trends und deren CeBIT-Manifestation. Neben durchaus interessanten Beiträgen, in denen man u.a. Siegmar Mosdorf, den zum parlamentarischen Staatssekretär beim Bundeswirtschaftsministerium aufgestiegenen IuK-Experten der SPD, interviewt oder das Lieblingsthema der diesjährigen CeBIT, den e-Commerce, madig gemacht hat, wurden die Gratisexemplare auch mit sehr viel Werbung und vielen Stellenanzeigen aus dem IT-Bereich gefüllt. Was in einer regulären Publikation eher lästig ist, ermöglichte auf der CeBIT kompetente Information zum Nulltarif und eine Bestätigung des derzeitigen Arbeitskräftemangels in der Computerbranche. Keinen Mangel, sondern einen Überfluß gibt es hingegen seit Ende letzten Jahres im Bereich der Amiga-Zeitschriften - ohne dass sich natürlich auch nur für eine von ihnen die Anwesenheit in Hannover gelohnt hätte. Ein wenig Hoffnung hatte ich deshalb von Anfang an nur bezüglich des "Amiga-Magazins", da der herausgebende Weka-Verlag dank eines riesigen Sortimentes an PC-Titeln mit einem großen Stand Präsenz zeigte. Doch vor die Auskunft hat der Herr, in diesem Falle die Weka-Geschäftsleitung, das Gewinnspiel gesetzt. Ein solches nämlich verursachte wahre Massenaufläufe vor dem Weka-Stand und verhinderte minutenlang mein Vordringen an die Informationstheke. Dort angekommen erhoffte ich mir Auskunft über die Pläne des Verlages mit dem "Amiga-Magazin", das ja inzwischen nur noch als Abonnenten-Beilage zur "PC go!" erscheint, seit dem Verschwinden als eigenständiger Verkaufstitel aber erstaunlicherweise erheblich an Qualität gewonnen hat. Aber nachdem die ersten befragten Stand-Mitarbeiter überhaupt keine Ahnung hatten und mich einfach weiterverwiesen, verkündete die angeblich allwissende Fachkraft zu meiner Überraschung, dass das "Amiga-Magazin" schon seit Monaten komplett eingestellt sei. Ich revanchierte mich mit der Frage, wieso denn dann die aktuelle Ausgabe nach wie vor in Auszügen im WWW veröffentlicht werde, was sie dazu brachte, wie ihre Kollegen/-innen jedweden Auskunftsanspruch mit Nichtwissen zu bestreiten. Soviel zum Interesse der Weka-Verlagsgruppe am Amiga.

Weiter ging's - rückwärtsrum - in Richtung Halle 6. Dort befand sich der schon im Vorjahr wenig begeisternde Internet-Park, in dem kleinere Unternehmen der Online-Branche Präsenz, aber aufgrund der vereinheitlichten Standgestaltung nur wenig Profil zeigen konnten. Eher zufällig stieß ich dabei auf einen der beiden Messestände der Firma GMX ("Global Message Exchange"). Das Unternehmen hat sich zu einem der führenden Anbieter eines kostenlosen WWW-Maildienstes hochgearbeitet. Über komfortable WWW-Menüs kann man so seine elektronische Post lesen - oder auch nur eine automatische Weiterleitung an einen anderen e-Mail-Account einstellen, um so über die für die Ewigkeit gedachte GMX-Adresse wechselnde Adressen (wie z.B. der Uni, des Arbeitgebers, etc.) mehr oder weniger elegant und zukunftssicher zu verwalten. Da auch GMX kein Ableger der Caritas und von daher darauf angewiesen ist, hartes Geld zu verdienen, müssen neue GMX-Kunden einen Fragebogen ausfüllen, in dem sie unter anderem Auskunft über ihren Beruf und ihren Familienstand geben müssen. Diese Daten werden laut GMX zur besseren Information der das Angebot letztlich finanzierenden Werbekunden benötigt, ohne dass sie an diese weitergegeben würden. Da ich vor einiger Zeit in der Newsgroup de.soc.recht.datennetze als Advocatus diaboli an einer heftigen Diskussion über die Zulässigkeit der Erhebung solcher Daten beteiligt war, wollte ich mir die Gelegenheit natürlich nicht entgehen lassen und erkundigte mich vor Ort, ob die so erhobenen Daten zusammen mit dem Namen und der Anschrift des Kunden oder - was datenschutzrechtlich allemal besser wäre - von ihnen getrennt gespeichert würden. Und wider Erwarten bekam ich, nachdem ich nur einmal weiterverwiesen wurde (was bei lediglich zwei Standmitarbeitern andererseits aber auch gar nicht mehr zu überbieten gewesen wäre) sogar fachkundige Auskunft, auch wenn diese so ausfiel, wie ich es befürchtet hatte. Ja, die Daten werden zusammen in einer Datei gespeichert. Aber man gebe sie wirklich nicht weiter. Vertrauen ist gut. In Zeiten des Internets wäre vorbeugender Datenschutz durch Datenvermeidung aber wohl sogar noch besser.

Das war es dann aber auch schon im wesentlichen mit Halle 6 gewesen. Neben dem Internet-Park und einer ähnlich strukturierten USA-Abteilung hatten zwar auch noch diverse große Firmen aus der Welt des Netzes hier ihre Zelte, bzw. Stände aufgeschlagen. Doch bei den großen Internet-Providern wie Xlink oder Schlund & Partner begnügte ich mich mit diversen Informationsbroschüren. Jetzt galt es, meinen Kommilitonen kurz quer über das gesamte Messelände zum Siemens-Stand zu begleiten, wo er die Gelegenheit zu einem kostenlosen Update der Software seines Mobiltelefons nutzte. Überhaupt zeigte sich die im Handy-Markt zuletzt doch eher in Bedrängnis geratene Traditionsfirma auf der CeBIT ungewohnt kulant und führte wohl auch kompliziertere Reparaturen an Messebesuchers liebstem Statussymbol durch. Uns interessierte dann jedoch weniger die Gegenwart des Telekommunikationsmarktes als seine Zukunft. Und so legten wir am Stand von Nortel/DASA (einer Kooperation zwischen einem kanadischen TK-Unternehmen und dem deutschen Luftfahrtkonzern) einen kurzen Zwischenstopp ein. Wichtigstes Thema war dort nämlich die sogenannte Internet-Telefonie, der mittels des Internet-Protokolls gesteuerte Transport von Sprachdaten über Telekommunikationsverbindungen. Obwohl wir ersichtlich nicht zur zahlkräftigen Zielgruppe der Messepräsentation zählten, gab uns der Standmitarbeiter freundlich und kompetent Auskunft. Ziel ihres Internet-Telefonie-Engagements seien sowohl Privat- als auch Geschäftskunden, wobei es ihnen nicht so sehr um die im Zusammenhang mit dem "Web-Phoning" oft zitierten billigen Ferngespräche ginge, sondern vielmehr um die Konvergenz der Kommunikationsinfrastruktur weg von einem Sprachtelefonnetz, über das gelegentlich auch sonstige Daten transportiert werden, hin zu einem IP-Datennetz, über das gelegentlich auch Sprachtelefoniedaten transportiert werden. Deshalb sei man auch nicht über die nach wie vor fallenden Preise für Ferngespräche besorgt. In Zukunft werde der Kunde die Wahl haben, ob er seine Gespräche über das qualitativ (noch) nicht ganz so hochwertige IP-Netz oder über herkömmliche Telefonverbindungen führen möchte - wobei auch letztere ja zunehmend paket- statt leitungsvermittelt geschaltet werden. Unsicher wurde der Nortel/DASA-Mann lediglich bei der Frage, inwieweit ihre Gatewayrechner und Router schon auf das Ende letzten Jahres endlich verabschiedete neue IPv6 vorbereitet seien. Aber, und auch das zeichnet einen guten Ansprechpartner aus, er wies ausdrücklich darauf hin, dass er hier keine sichere Auskunft geben könne. Das neue Internet-Protokoll werde aber seines Wissens unterstützt.

Derart gut informiert eilten wir in das TCM-Messezentrum. Dort fand um 15:15 Uhr nämlich ein Vortrag zum Thema "Revolution der deutschen Internetgebühren durch die neuen Telefonanbieter" statt, der angesichts stets dreistelliger Telefonrechnungen interessant zu werden versprach und zudem Gelegenheit bot, sitzend den müden Beinen etwas Erholung zu verschaffen. Doch zunächst mußten wir uns um eine digitale Visitenkarte bemühen, die man nur erhielt, wenn man einen ausführlichen Fragebogen zur Person ausfüllte. Auf meine Frage, wozu denn dies diene, antwortete mir die leicht irritierte Messeangestellte, die Firmen, die diese ja nicht ganz billigen Vorträge finanzierten, wollten im Gegenzug eben wissen, wer sich denn so für ihre Themen interessiere. Solch ein Wissensdrang wäre auch mit Blick auf datenschutzrechtliche Verpflichtungen wünschenswert gewesen - das auszufüllende Formular enthielt jedenfalls keinerlei Hinweise über Zweck und Empfänger der anzugebenenden Daten. Seitdem warte ich jedenfalls schon in gespannter Vorfreude auf die Zusendung von Werbematerial, das erkennbar auf diese CeBIT-Anmeldung zurückzuführen ist. Was gibt es schöneres, als empörte Beschwerde-Schreiben abzufassen ? In Hannover konnten wir jedenfalls nun die Besucherschleuse passieren und uns in den "Saal Leipzig" begeben. In gepflegter Atmosphäre machten wir es uns zusammen mit etwa 60 anderen Zuhörern bequem und harrten der Dinge, die da kommen mochten. Schon mit den ersten Worten der erfreulich kurz berockten Dozentin wurde klar, wer diese Veranstaltung, auf der übrigens auch ein Simultanübersetzer (vermutlich ins Englische) zum Einsatz kam, finanzierte. Die Mitarbeiterin der bislang ja noch eher glücklos auf dem liberalisierten Telekommunikationsmarkt agierenden Viag Interkom nutzte den Vortrag, um die Preisstruktur bei der Internet-Kommunikation über das Telefonnetz zu verdeutlichen und dabei aufzuzeigen, wie sehr doch die Telekom-Tarife günstigere Preise verhinderten und wie wenig die armen ISPs (Internet Service Provider) dabei verdienten. Dass die mittels Overhead-Projektor an die Wand geworfenen Schaubilder gelegentlich grobe logische Brüche enthielten, in denen dann beispielsweise Teilbeträge der angeblichen Tarifstruktur spurlos verschwanden, wurde durch das vor Anglizismen nur so strotzende Vokabular der jungen Dame nur mühsam verdeckt. Aber dass in der sich selbst für modern und dynamisch haltenden TK-Branche sprachliche Verwirrungen inhaltliche Substanzlosigkeit kaschieren sollen, ist ja nichts neues. Nachdem der optisch ansprechende, in der Sache aber belanglose Vortrag dann eine halbe Stunde später vorbei (und einer der Zuhörer schlichtweg eingeschlafen) war, nutzten wir den Übergang zur anschließenden Fragestunde, um uns - nun wieder etwas ausgeruht - aus dem Staub zu machen.

Unser Weg sollte uns jetzt in die Halle 4 führen, in der sich vor allem diverse Dienstleister aus den Bereichen Bankwesen, Recht und Wirtschaft präsentierten. Die Hoffnung auf zahlreiche kostenlose Probeexemplare ansonsten exorbitant teurer juristischer Fachpublikationen zerschlug sich jedoch schon bald. Am Stand des Dr.-Otto-Schmidt-Verlages gab es lediglich eine Testversion der "Computer und Recht"-CD-ROM, die laut Werbeprospekt nach 60 Tagen den Dienst verweigern und so zur Anschaffung des knapp 800 DM teuren Vollproduktes animieren soll. Voraussetzung für den Spaß ist aber ein IBM-kompatibler PC mit Windows. Auch die Sichtweise einer "führenden Fachzeitschrift" (Selbsteinschätzung der CR) kann durchaus verengt sein. Dass es am Stand der Gesellschaft für Datenschutz und des Datakontext-Fachverlages nichts umsonst geben würde, war hingegen aufgrund der Erfahrungen des Vorjahres zu erwarten gewesen. Erfreulicherweise konnte man aber auch 1999 für eine im Vergleich zum eigentlichen Preis von 42 DM kaum ins Gewicht fallende Schutzgebühr in Höhe von fünf Mark die aktuelle Ausgabe der immer wieder lesenswerten Zeitschrift "Recht der Datenverarbeitung" erstehen. Das Schnäppchen entschädigte ein wenig dafür, dass die Gesellschaft für Datenschutz mit ihrer CeBIT-Präsenz auch ansonsten primär auf das gedruckte Wort und weniger auf moderne Technologie setzte. Auch auf datenschutzspezifische Fragen war leider keine fachkundige Auskunft zu erlangen, lediglich ein vager Verweis auf die diversen Publikationen des Hauses. Dass man schon eher den Anschluß an die Technologie unserer Zeit geschafft hat, zeigte man hingegen am Stand des C.H.-Beck-Verlages. Obwohl die Münchener im Markt der juristische Verlage in etwas das sind, was Microsoft für die PC-Welt ist, begnügten sie sich in diesem Jahr in Hannover mit einer nur wenige Quadratmeter großen Standfläche. Dafür gab es zum einen endlich etwas Kostenloses zum Mitnehmen (nämlich eine ein paar Monate alte Ausgabe des "NJW-Computerreport") und zum anderen auch etwas zu sehen. Mit dem "Musielak", einem Kommentar zur Zivilprozeßordnung, wagt der Beck-Verlag den Sprung ins kalte Wasser und präsentiert ein Werk von solchem Umfang komplett auf CD-ROM gebrannt. Ein Stand-Mitarbeitern führt uns das ganze vor - und es sah durchaus reizvoll aus. Die meisten Querverweise sind anklickbar, selbst diejenigen, die auf Stellen außerhalb des Kommentares verweisen. Dank eines "Beck Connectivity" genannten Systems ist es so möglich, direkt Dokumente auf anderen CD-ROMs des Verlages anzuspringen, also etwa aus der Kommentierung eines Gesetzesparagraphen direkt zu einem dort erwähnten Urteil, das in einer Zeitschrift des Beck-Verlages publiziert wurde, oder zu einer Vorschrift eines anderen Gesetzes in der ebenfalls bei C.H. Beck erschienenen Gesetzessammlung des "Schönfelder". Zusammen mit intelligenten Such- und Sortierroutinen wirkte das ganze System recht ausgereift und vielversprechend. Und auch das Kundeninteresse scheint gegeben zu sein. Der "Musielak" verkaufe sich jedenfalls, so wurde mir auf Nachfrage versichert, überraschend gut. Leider verbindet die "Beck Connectivity" bislang nur Wintel-Nutzer mit den Vorzügen der Synergie. Marktbeherrschende Unternehmen unter sich... (Der Fairness halber sei jedoch gesagt, dass das Beck'sche System angeblich auch anderen Verlagen offen steht, von diesen jedoch nach Auskunft des Stand-Mitarbeiters bislang nicht angenommen worden sei.)

Weiter ging es nun, die Pargraphen und Urteile zurücklassend, in Halle 3. Dort gab es für mich nur ein einziges Ziel - QNX. Zwar war nicht zu erwarten, dass die Amiga-Partner, deren Echtzeit-Betriebssystem das Fundament für die nächste Generation des AmigaOS abgeben soll, hier auf der CeBIT irgendwelche für Amiga-Anwender unmittelbar interessanten Neuigkeiten präsentieren würden. Dennoch wollte ich natürlich einen genaueren Blick auf die kanadische Firma werfen. Auf mehreren Rechnern lief, wie nicht anders zu erwarten, die (X)Windows-ähnliche grafische Benutzeroberfläche Photon. Zu sehen gab es außer einigen Demo-Programmen jedoch nicht allzu viel. So traf es sich gut, dass schon bald ein QNX-Mitarbeiter auftauchte und sich erbot, auf Fragen Rede und Antwort zu stehen. Ja, es würden durchaus einige Firmen Programme für QNX entwickeln - mehrere tausend, um genau zu sein. So etwas wie ein Office-Paket sei jedoch nicht dabei, bei QNX ziele man auf andere Märkte. Jeder CeBIT-Besucher, so die überraschende Auskunft, habe beispielsweise beim Betreten der Messe ein QNX-System benutzt. Die automatischen Drehkreuze, die nach Einführen der Eintrittskarte den Weg freigeben, würden von einem QNX-Programm gesteuert. Auf den Amiga angesprochen reagierte der gute Mann weitaus zurückhaltender. Er dürfe da nichts sagen. Es bestehe eine Verabredung, nach der in dieser Hinsicht einzig und allein die Firma Amiga befugt sei, Informationen preiszugeben. Aber, so wie er das sehe, sei die Zusammenarbeit vielversprechend. Der neue Mann bei Amiga (Jim Collas) sei in der IT-Welt durchaus bekannt und für seine Fähigkeiten geschätzt. Und man könne wohl davon ausgehen, dass Amiga in absehbarer Zukunft weitere Informationen zu dem gemeinsamen Projekt veröffentlichen werde und es spätestens im Herbst auch etwas zu sehen geben dürfte. Viel Konjunktiv, aber inhaltlich und in der Form, in der er es erzählte, durchaus ermutigend. Zu guter Letzt wollte ich den QNX-Stand natürlich nicht ohne Souvenir verlassen und griff mir eine QNX-Plastiktüte. Doch ich hatte die Rechnung ohne den freundlichen Stand-Mitarbeiter gemacht. "Momentchen, ich habe da etwas besseres." Sprach's und verschwand hinter den Kulissen, um wenig später mit einer sehr praktischen QNX-Juta-Tragetasche zu erscheinen. Nicht nur deswegen hatte sich der Besuch an diesem Stand gelohnt - offensichtlich betrachtet wenigstens die seit immerhin weit über zehn Jahren im Geschäft mit Echtzeitbetriebssystemen tätige Firma die Zusammenarbeit mit Amiga als ernsthaftes Engagement in einem für sie neuen Geschäftsfeld.

Mein Weg führte mich nun jedoch zurück in die Welt der Wintel-Systeme und hinein in Halle 2. Dort zeigten die Großen der Branche Flagge, darunter auch Netscape, an deren Stand eine Gratis-CD-ROM mit Version 4.5 des "Communicator" für Windows, MacOS und verschiedene Unix-Derivate unters Volk gebracht wurde. Da uns jetzt die Zeit so langsam knapp wurde, beschleunigten wir unsere Schritte und suchten auch nur noch ganz gezielt diverse Stände heim. Bei Corel wurde u.a. "Word Perfect 8" vorgestellt. Die neueste Version der mächtigen Textverarbeitung ist jüngst auch in einer Linux-Portierung veröffentlicht worden, die als leicht abgespeckte "Personal Edition" von Privatanwendern sogar kostenlos genutzt werden kann. Allerdings meint natürlich auch hier "Linux" bislang nur "Linux/i386". Und das wird sich wohl auch nicht so schnell ändern, wie ein, allerdings ob der Frage leicht verwirrt wirkender, englischsprachiger Stand-Mitarbeiter meinte. Nur oberflächlich nahm ich dann auch den Microsoft-Stand wahr, der mit seinen riesigen Ausmaßen die Marktmacht der Firma aus Redmond trefflich widerspiegelte. Mein Kommilitone versuchte zu erkunden, ob denn etwas an den Gerüchten dran sei, dass demnächst möglicherweise mit einer Linux-Version von "Microsoft Office" zu rechnen sei, und brachte dabei erstaunliches zu Tage. Ja, meinte der Microsoft-Angestellte, der angeblich für Fragen zu "Office" zuständig war, es existierten solche Überlegungen. Allerdings verhandele man derzeit noch mit "den Leuten von Linux". Auf die verwunderte Nachfrage, wer das denn wohl sei, antwortete der gute Mann, auch bei Linux müßten schließlich diverse lizenzrechtliche Fragen beachtet werden, und es sei ja nicht so, wie man oft hörte, dass es bei Linux keine zentrale Koordinierungsinstanz gebe. Aber damit nicht genug. Als sei schon wieder Rosenmontag fuhr er fort, dass die Konvertierung selbst wohl kein Problem wäre, da ja "Office" schon von jeher plattformunabhängig gewesen sei. Im nächsten Jahr würde man hier sicherlich mehr wissen. Wenn, und hier zeigte er dann doch wieder etwas Sinn für die Realität, es die Firma dann in dieser Form überhaupt noch geben sollte. So ganz spurlos gehen die in den USA gegen den Quasi-Monopolisten laufenden Verfahren wohl auch an der deutschen Dependance nicht vorbei. Wieder etwas aufgeheitert begaben wir uns nun zum zentralen Stand der Sparkassen, der sich aus nicht erfindlichen Gründen auch in Halle 2 befand. Die kommunalen Geldinstitute bieten ja nun auch schon seit einiger Zeit die Möglichkeit zum Online-Banking an, wobei der Zugriff auf das eigene Konto über das WWW abgewickelt wird. Zumindest theoretisch. Denn das erforderliche Browser-Plugin gibt es nur für Wintel-PCs, wie der zuständige Mitarbeiter auf der CeBIT meinem Kommilitonen und mir bestätigte. Allerdings handele es sich dabei vor allem auch ein regionales Problem - nur die Sparkassen Hessens setzten dieses System ein. Auch durchaus aufschlußreich geriet dann die Antwort auf die anschließende Frage meines Kollegen zur Anonymität der von der Sparkasse massiv - und bislang reichlich erfolglos - in den Markt gedrückten Geldkarte, die man an Terminals aufladen muss und mit der man dann in entsprechend ausgestatteten Läden bargeldlos einkaufen kann. Natürlich garantiere das System die Anonymität des Kunden und sei datenschutzrechtlich unbedenklich. Sicher, die Berichte, dass zu jeder Geldkarte ein "Schattenkonto" bei der ausgebenden Sparkasse geführt werde, in dem jeder Zahlungsvorgang gespeichert wird, träfen zu. Doch das diene ausschließlich der internen Kontrolle. Man nennt das wohl ein marktangepaßtes Datenschutzverständnis. Beim Verlassen dieser "Halle der Schrecken" nahmen wir dann im Vorübergehen noch je ein "kostenloses Probe-Exemplar zur Cebit 1999" des aktuellen "Stern" mit. Von dessen Cover blickte nachdenklich Herbert Grönemeyer, der dem Magazin "das erste Interview nach dem Tod seiner Frau" gab. "Seine Trauer" (so der Titel des Aufmachers) in einem Heft zu offenbaren, das als Gratis-Werbegeschenk zum Mitnehmen, Durchblättern und Wegwerfen unter die Leute gebracht wird, ist sicherlich keine alltägliche Art der Trauerarbeit.

Für uns ging es nun in Halle 1, die wohl größte Halle der Messe. Hier hielt unter anderem die Firma Sun Microsystems Hof, die mit ihrer Jini-Technologie für eines der Highlights der diesjährigen CeBIT sorgte. Die u.a. von Epson oder Seagate unterstützte Innovation verspricht, den Anschluß und Betrieb von Peripheriegeräten drastisch zu vereinfachen. Durch simples Einstöpseln in ein Netzwerk soll das Gerät dann mit allen anderen Geräten in diesem Netz kommunizieren können. Die Treibersoftware sowie weitere Informationen werden dabei zentral in einem "Lookup"-Server gespeichert, und können von dort jederzeit abgerufen werden. Entfernt man das Gerät wieder aus dem Netzwerk, wird es automatisch abgemeldet. Das ganze System basiert, und hier wird es für Sun wohl interessant, auf der Programmiersprache Java - welche ja bekanntlich ebenfalls aus dem Hause Sun stammt. Wie es der Zufall so wollte, trafen wir gerade rechtzeitig am Messestand 8a2 ein, um eine dort zu jeder vollen Stunde stattfindende Präsentation mitzuerleben. Doch leider entpuppte sich die fleischgewordene Jini nicht als, wie auch das Titelbild der Sun-Werbebroschüre eigentlich suggerierte, exotische junge Dame, sondern als ein männlicher Animateur in ulkigen Klamotten. Da er aber in beiden Händen Körbe voller Werbegeschenke (Sun-Kugelschreiber mit orientalisch gestaltetem Druckknopf, Süssigkeiten und Sun-Kaffeetassen) hielt, wollten wir ihm eine Chance geben. Doch dass diesen Flaschengeist nicht allein der Wunsch, dem Menschen zu Diensten zu sein, umtrieb, merkten wir schon bei der Begrüßung: "So, das ist die letzte Vorstellung für heute. Jini will nach Hause." Dementsprechend zackig ging es zur Sache. Werbegeschenke verteilen (ich erwischte einen Kugelschreiber), die Jini-Technologie anpreisen, Werbegeschenke verteilen. Dann suchte sich der Teufel in Dschinn-Gestalt einen etwas korpulenten Messebesucher raus und befahl ihn zu sich auf die Bühne. Er solle jetzt mal ein Gerät ans Netzwerk anschließen, zu Deutsch: einfach ein Kabel in eine zugehörige Buchse stecken. Und siehe da - schon war das Gerät mit dem Computer in dem Netzwerk verbunden. Zur Belohnung gab es Werbegeschenke für das Opfer und einen Witz auf seine Kosten. Aber damit nicht genug. Kaum wieder an seinem alten Platz angelangt, musste der rundliche Zeitgenosse umkehren und noch ein Gerät anmelden - für eine Handvoll Werbegeschenke. Jini machte derweil ein Foto von einer Messebesucherin und transferierte das Bild von der digitalen Kamera über das Jini-Netz in den Rechner, was ohne jeglichen Aufwand klappte. Nun musste der reich(lich) beschenkte, aber vor Verlegenheit schwitzende Gehilfe erneut auf die Bühne und auch noch einen Drucker ins Netzwerk einstöpseln. Etwas ins Stottern geriet die durchaus unterhaltsame Show dann jedoch, als der (unter Windows'XX laufende) Rechner - statt das Foto über das Jini-Netzwerk auszudrucken - einfach kommentarlos abstürzte. Den inzwischen reichlich genervt wirkenden Jini-Darsteller warf aber auch das nicht aus der Bahn. Wir sollten uns einfach vorstellen, das Bild würde ausgedruckt. Und wieder: Werbegeschenke. Durch den Computer-Crash wurde dann leider auch die Demonstration einer via Jini ansteuerbaren Kaffeemaschine unmöglich gemacht, dafür kam der Jini-Mensch aber endlich nach Hause.

Da die CeBIT nun nur noch ungefähr eine Dreiviertelstunde geöffnet haben würde, gingen mein Kommilitone und ich jetzt getrennte Wege, um wenigstens punktuell noch einige vermeintlich interessante Aussteller aufzusuchen zu können. Ich wandte mich dabei zunächst dem Stand der Met@box AG zu, der sich ebenfalls in Halle 1 befand. Das früher unter dem Namen Pios AG bekannte Hildesheimer Unternehmen, Ex-Arbeitgeber von Dr. Peter Kittel, hatte auch in diesem Jahr die inzwischen namensgebende Met@box dabei, die sie schon auf der CeBIT 1998 (damals noch als Pios AG) vorgestellt hatten. Diesmal legte man jedoch Wert auf die Feststellung, dass die eigentliche technische Errungenschaft weniger in dieser Set-Top-Box sondern vielmehr in der ihr zugrundeliegenden BOT (Broadcast Online TV)-Technologie liege. Inzwischen hat man deren Konzept dergestalt modifiziert, dass BOT vor allem für die Informationsübermittlung von einer zentralen Stelle an eine nahezu unbegrenzte Zahl von Empfängern genutzt werden kann. Dabei ist die Adressierung einer beliebigen Öffentlichkeit, wie sie bei der Met@box als Set-Top-Box im "klassischen" Sinne erfolgt, wohl nicht einmal die primär beabsichtigte Anwendung. Vielmehr hängt es von den Benutzerrechten ab, die dem Besitzer einer BOT-Empfängerkarte eingeräumt sind, welche Informationen er aus dem über die horizontale Austastlücke des analogen Fernsehsignals verbreiteten BOT-Datenstrom filtern kann. Somit zielt das System auch auf große Unternehmen, die große Informationsmengen an ihre Mitarbeiter oder Kunden verteilen wollen - Hotelketten, Banken, Handelsketten, Franchise-Unternehmen oder Bildungsinstitute wurden ausdrücklich als Beispiele in einem der aufwendig gestalteten Flyer genannt. Die Met@box selbst stellt sich da nur als eines von vielen Anwendungsbeispielen dar. Mit der Met@box DVD-PLUS führten die Hildesheimer des weiteren eine um ein DVD-Laufwerk ergänzte Variante der Box vor, mit der man auch DVDs und CDs abspielen kann. Das einzige Exponat am Met@box-Stand, das nichts mit der BOT-Technologie zu tun hatte, war eine joeCARD, eine von der Fachpresse gelobte PPC750 (G3)-Beschleunigerkarte für Mac-Rechner. Was ich noch nicht wissen konnte, und worauf auch in Hannover nichts hindeutete: Nur einige Tage später sollte die Met@box AG die Entwicklung einer joeCARD für den Amiga ankündigen. Ich hingegen versuchte nun, etwas über das Schicksal des Pions One in Erfahrung zu bringen, an dem ja u.a. auch Amiga-Guru Dave Haynie mitgearbeitet hatte und der mal als inoffizieller Amiga-Nachfolger gehandelt wurde. Zu meiner Überraschung informierte mich der Met@box-Mitarbeiter, dass das Gerät technisch fertig sei - es handele sich nur mehr um eine Frage des Betriebssystems. Für weitere Erkundungen fehlte mir leider die Zeit, so dass ich weitereilte und mich beim Versuch, die Halle 1 zu verlassen, prompt verlief.

Fünf kostbare Minuten und zahlreiche Treppen später war ich dann endlich wieder auf dem Weg in Richtung meines nächsten Zieles - der Halle 16, in der sich diesmal die Universitäten und Forschungseinrichtungen befanden. Ein Blick auf die unerbittlich tickende Uhr offenbarte mir jedoch, dass ich für diese immer äußerst interessante Halle lediglich zwei Minuten Zeit haben würde, wenn ich wenigstens noch in aller Kürze beim Stand von Apple vorbeisehen wollte. Das mußte selbst für einen trainierten Zapper und internetgeschädigten Informationsdauerkonsumenten wie mich eher knapp werden. Sogar der Uni Marburg, deren CeBIT-Beiträge in der Vergangenheit immer sehr amüsant waren, konnte ich diesmal nur einen kurzen Blick widmen - diesmal durften (oder mußten ?) wohl die Mediziner ran, denn mit CONRAD, so der Name des Projektes der Philipps-Universität, stellte man ein datenbankbasiertes Internet-Lehrsystem vor, über das angehende Mediziner umfassende Krankheitsverläufe studieren und so ihre diagnostischen Fähigkeiten schulen können. Das klingt erstaunlich anspruchsvoll und praxisbezogen, so dass lediglich die Namensgebung für die gewohnte humoristische Komponente sorgen konnte. CONRAD steht nämlich für "Computer Online Netz Radiologische Didaktik". Ein Mediziner ist eben kein Sprachwissenschaftler. Schnell noch eine Jutetasche am Stand der "hessen media"-Initiative der ((vermutlich nicht (nur) dafür) abgewählten) Hessischen Landesregierung abgegriffen und weiter in Richtung der Halle 13 gehetzt. Als ich dort am Stand von Apple ankam, blieben mir gerade mal zehn Minuten bis zum Messeschluß. Außer ein paar spontanen Eindrücken konnte ich deshalb hier nicht mehr viel gewinnen. Der iMac ist schnuckelig, wirkt aber in vielerlei Hinsicht reichlich unpraktisch. Und wer Joysticks mit Vibration-Feedback, die einem bei Autorennsimulationen das Schütteln des Steuerknüppels fühlen lassen, für die Krone der Spieleschöpfung hält, sah sich am Apple-Stand eines Besseren belehrt. Ein komplettes Fahrzeuggestell hatte man hier aufgebaut und mit einem Apple-Rechner bestückt. Dank einer ausgeklügelten Hydraulik übertrug sich jede virtuelle Bewegung in dem im Computer stattfindenden Autorennen auf das Gestell, so dass der in ihm sitzende Spieler munter durchgerüttelt wurde. Fehlt nur noch eine Funktion, die auch Kollisionen realitätsnah vermittelt.

Als ich danach gerade den Stand verlassen wollte, lenkte dann doch noch etwas meine Aufmerksamkeit auf sich - die Firma Village Tronic war am Apple-Stand als Unteraussteller vertreten. Leider war nichts von der Amiga-Produktpalette des "Picasso IV"-Herstellers zu sehen, und den VT-Mitarbeiter, den ich befragte, schien das Thema auch nicht unbedingt zu begeistern. Ja, es gebe noch zwei, drei Fans in der Firma, die immer mal wieder noch ein wenig für den Amiga entwickeln würden. Und die Voodoo-3D-Erweiterung für die Grafikkarte werde jetzt ebenfalls noch gebaut. Das sei dann aber wohl das letzte Amiga-Produkt des Unternehmens. Warum ich denn unbedingt an diesem Rechner festhalten wolle - ein Mac sei doch viel reizvoller und der Amiga schlichtweg tot. Dass es wirklich etwas mit einem neuen Amiga-Modell klappt, glaube er nun wirklich nicht, solche leeren Versprechungen habe man doch nun schon zur Genüge gehört. Und die Amiga-Zeitschriften seien ja inzwischen nicht viel mehr als dünne Heftchen ohne Inhalt. Ein interessanter, wenngleich wenig motivierender Abschluß einer CeBIT, die alles in allem trotz der erneut praktisch unterhalb der Nachweisgrenze liegenden Amiga-Präsenz interessanter war als in den Vorjahren - auch wenn (oder weil ?) ich diesmal nur einen Bruchteil des Programmes geschafft habe, das ich mir eigentlich vorgenommen hatte.

Drei Dinge bleiben als Erkenntnisse der diesjährigen CeBIT festzuhalten. Zunächst einmal ist es der Firma Agfa gelungen, das wohl albernste Gewinnspiel der CeBIT-Geschichte zu veranstalten, indem sie - vorwiegend eher jüngere - Messebesucher dazu brachte, sich in der Hoffnung auf den Gewinn eines Scanners einen Pappkarton für die Dauer ihrer Anwesenheit in den heiligen Hallen des Hannoveraner Messegeländes als Hut-Ersatz auf den Kopf zu setzen. Noch positiver fällt die Bewertung des zweiten hier zu resümmierenden Trends der CeBIT 99 aus (wenngleich das feministisch bewegte Mitmenschen/menschinnen wohl anders sehen dürften): die Frauen werden wieder schöner und die Röcke kürzer. Und schließlich ist eine fundamentale Umwälzung bewährter Gepflogenheiten des IT-Sektors für das nächste Jahr bereits heute gewiß. Sie wurde in Hannover mit für die Branche ungewöhnlicher Entschiedenheit angekündigt. Die erste CeBIT, bei der die Fachleute um die tatsächlichen Auswirkungen des Jahr-2000-Problems wissen werden, findet wegen der Expo-Weltausstellung nicht erst im Monat März sondern schon im Februar 2000 statt. Bis dann.

(c) 1999 by Andreas Neumann

Zurück