Auf diese CD bin ich durch die Zeitschrift "Zillo" gestoßen (wie so viele andere bevor). Besondere Aufmerksamkeit eregte bei mir das schöne Cover (ein sureallistischer Sonnenunter- oder -aufgang) sowie folgende Aussage: "...tragen einen in höhere Sphären, zu einer Bewußtseinsebene, zu der allenfalls Pink Floyd in großen Momenten gelangt sind, z.b. damals, als sie im Schatten des Mondes regierten". Für mich als erklärten Pink-Floyd-Fan ist da natürlich die Neugier geweckt. Eine Neuauflage von "Dark Side of the Moon" erwartet den Hörer allerdings nicht. Was auch gar nicht so zu erwarten war, weil eigentlich jede Band an dem Vorhaben, es diesem Album gleichzutun, kläglich scheitern muß. Was der Hörer bekommt ist ein ausgewogenes, kompositatorisch hervorragendes und exzellent produziertes Art-Rock-Album, gesegnet mit einer (was leider selten ist) ausgezeichneten Stimme. Das Album handelt vom Abschiednehmen und ist der Mutter des Sängers & Gitarristen sowie seinem Bruder, seines Zeichens Keyboarder und Gitarrist, gewidmet. Der Einstieg beginnt mit einer sanften Keyboard-Spur, die sehr bald von ruppigen, aber stets melodiebetonten Gitarren durchbrochen werden. Vor allem die Akustikgitarren sind perfekt. Alle Songs des Albums gehen ineinander über. "Pitless"/"Forgotten Hopes", Songs No 2 + 3 sind eigentlich ein Song. Schwere Gitarren, laute Vocals, das, was man in den frühen Achtzigern als "Wall of Sound" bezeichnete. Vor allem diese beiden Songs erinnern mich weitaus mehr an die guten alten Chameleons U.K. aus ihrer "What does anythink mean"-Phase (Hallo Mark B., ich mach mal ein bisschen Werbung für Dich, ich hoffe Deine "Invincible"-LP wird so gut wie die Vorab-"Internetsingle" ;-) ), elegische Gitarren, die vom schrillen Solo in akustische Ruhephasen wechseln und wieder aufbrausen, ein wummernder, dunkele Vorahnungen verbreitender Bass... Artrock-Herz, was willst Du mehr? "Destiny" ist ein kleiner instrumentaler Übergang, der tatsächlich ein wenig an die 73´er Liveversion von PF´s "On the Run " erinnert. Hiernach geht die CD etwas mehr ins Sphärische, das Intro zu "Make it right(ffs)" erinnert ein wenig an "The Cure", um später mit elegischen Gitarren/Keyboardwänden eine schwebende Atmosphäre zu kreieren. "One last goodbye" startet mit einer sanften Akustikgitarre, ein sehr ruhiger Song, getragen von dunklen Keyboards und verzerrt mit schönen Gitarrensoli. "Parisenne Moonlight" ist fast zu hundert Prozent keyboardorientiert (Klavier + synthetische Streicher) und von einer sehr verloren klingenden Frauenstimme gesungen. So richtig was zum Träumen oder Fühlen, und es sitzt an der richtigen Stelle in diesem Album. Nun kommt mein absoluter Favorit, der Titelsong "Judgement". Eine Rhythmusgitarre sowie eine gezupfte, die den Takt gibt. (Wer sich auskennt, der Anfang ist sehr stark von Pink Floyds "Don´t leave me now" geklaut, aber genial.) Das ganze steigert sich von Takt zu Takt im Tempo, E-Gitarren setzten ein... und nach dem Gesang folgt ein Inferno an Gitarren, kein chaotisches Inferno, nein, sogar in den schnellen Passagen können Anathema eine richtig gute Melodie halten. Das ganze endet wie so ein Song enden muß, abrupt mit dem Klang einer von der Schallplatte kratzenden Nadel...
Um das hier nicht zu lang werden zu lassen, auch die restlichen drei "Gesangsstücke" sind handwerklich perfekte Songs, etws ruhiger nun, halt ein perfekter Abschluß für ein perfektes Album. Den Abschluß bildet ein sehr schönes Instrumental, ein perfekter Ausklang für ein perfektes Album, das musikalisch hervoragend ist, und in dem die Texte 100% von der Musik unterstützt werden. Somit sei allen Lesern diese CD wärmstens ans Herz gelegt...
Wer im übrigen 2,-DM mehr ausgeben will und sich das optisch schönere Digi-Pack zulegen sollte, der wird mit einem schönen Akustik-Gitarrensong als Bonus belohnt.