Plattenlabel | : | Verglas Music / The Cage | Genre | : | Progressivrock |
Spieldauer | : | 58:58 min | Preis | : | 25 Niederländische Gulden |
Dass sich eine Band personell verändert, ist nichts ungewöhnliches. Auch dass sie die Position ihres nach außen hin wichtigsten Mitgliedes, des Sängers, neu besetzt, läßt sich gelegentlich nicht vermeiden. Doch was die britische Progressivrock-Band "Arena" in ihrer noch jungen Geschichte diesbezüglich schon durchgemacht hat, kommt eher einer Neu- als einer Umbesetzung gleich. Nicht nur, dass sie bereits Ersatz auf den Positionen des Gitarristen und Bassisten suchen mußte. Auch John Carson, der dem hochgelobten Debütalbum "Songs From The Lions Cage" seine Stimme geliehen hatte, verließ die Band - und das noch vor den Aufnahmen zur zweiten CD. Aber alle Lücken konnten schnell wieder gefüllt und mit Paul Wrightson auch ein hervorragender Vokalist verpflichtet werden, so dass der Band spätestens seit der Veröffentlichung des brillianten Albums "The Visitor" (Rezensionen in "AmigaGadget"#36) und der sehr erfolgreichen nachfolgenden Tournee eigentlich eine ruhmreiche Zukunft prophezeit werden konnte. Doch Ende März 1999 überraschte die Band mit einer Pressemitteilung die staunende Fangemeinde. Man habe sich von Paul Wrightson getrennt, da es seit Beginn der Tournee zu "persönlichen Problemen" zwischen dem Sänger und den anderen Bandmitgliedern gekommen sei. Diese Andeutungen waren so überraschend wie vage und so verwunderte es nicht, dass auch diese Trennung nicht ohne das Waschen sehr viel schmutziger Wäsche über die Bühne gehen konnte. Im "Progressive News-Letter" nahm Wrightson Stellung zu den Vorgängen und zeigte sich äußerst verärgert. Er beschuldigte John Jowitt, hinter den Kulissen gegen ihn intrigiert und maßgeblich zu seiner "Entlassung" beigetragen zu haben. Als Außenstehender blieb einem da nur ein verwundertes Schulterzucken und der Blick nach vorne. Und dass dieser sich nicht im Trüben verlieren würde, wurde durch das schnelle und entschlossene Handeln der vier verbliebenen Band-Mitglieder sichergestellt. Ohne erst eine zeitaufwendige Rekrutierungskampagne zu starten, präsentierten "Arena" bereits zeitgleich mit der Meldung der Trennung von Paul Wrightson dessen Nachfolger. Mit Rob Sowden, der bislang praktisch noch gar nicht im Musikgeschäft von sich hat reden machen können, rekrutierte man einen persönlichen Bekannten von "Arena"-Gitarrist John Mitchell, da man sich nicht erneut auf eine Allianz mit einem völlig Fremden einlassen wollte. Doch natürlich wurden so die Befürchtungen geschürt, dass in musikalischer Hinsicht "Arena" vielleicht einen spürbaren Verlust erlitten haben könnten. Um diese Zweifel zu zerstreuen, verfiel die Band auf einen kleveren Einfall und präsentierte der verunsicherten Fangemeinde gut ein Jahr vor dem vorgesehenen Veröffentlichungstermin des neuen "Arena"-Albums, das nach derzeitigem Stand der Dinge den Titel "Chosen" tragen wird, eine nur über den Fanclub "The Cage" erhältliche CD namens "The Visitor - Revisited".
Diese besteht musikalisch aus drei unterschiedlichen Teilen. Zunächst wird der neue Mann in der "Arena" vorgestellt. Zusammen mit John Mitchell und Clive Nolan hat Rob Sowden für die Fanclub-CD fünf Stücke aus dem Fundus der Band in einer "Acoustic session" eingespielt. Dabei beginnt "The Visitor - Revisited" obskurerweise ausgerechnet mit einem Titel, der nicht vom Album "The Visitor" stammt. Dennoch macht bereits "Medusa" zwei Dinge sehr deutlich. Zum einen verfügt Rob Sowden über eine ausgezeichnete Stimme, so dass es "Arena" wohl auch diesmal gelungen sein dürfte, die Band auf einer vakanten Position mit fähigem Ersatz zu ergänzen. Und zum anderen klingt Sowdens Stimme völlig anders als die seiner beiden Vorgänger, die ja beide unter dem Vorwurf leiden mußten, nicht mehr als zweitklassige "Fish"-Imitateure zu sein. Sowden klingt hingegen härter als Carson, Wrightson oder "Fish", mit seiner Stimme dürfte er das Potential für einen klassischen Rock'n'Roll-Shouter haben, ohne dass das zu Lasten der Zwischentöne und höheren Stimmlagen ginge. Sowden wagt sogar einige kleinere Variationen, betont insbesondere auch das Wort "Medusa" selbst ganz anders als es noch Wrightson praktizierte. Dazu streut Clive Nolan immer wieder feine Klaviertriller ein und John Mitchell zupft die akustische Gitarre. Bei dieser zurückhaltenden, aber doch stimmungsvollen Instrumentierung bleibt es auch während der folgenden vier akustischen Variationen von "Pins And Needles", "(Don't Forget To) Breathe", "Tears In The Rain" und "Crying For Help IV", aus denen insbesondere die erstgenannte dank einer reizvollen Rhythmisierung des Refrains positiv heraussticht. Alles in allem ist es der Band gelungen, mit den fünf auch produktionstechnisch rundum überzeugenden Liedern der "Acoustic Session" Appetit auf mehr Material mit dem neuen Sänger zu machen. Freunde des bombastischen Progressivrock-Sounds der Band sind vielleicht ob der durchgehend eher ruhigen Stücke ein wenig enttäuscht, hier mußte aber wohl schlichtweg den Gesetzen der akustischen Einspielung Tribut gezollt werden.
Den zweiten Teil der CD bildet nun ein ebenfalls aus fünf Songs bestehender Mitschnitt vom letzten Konzert der "Visitor"-Tournee aus dem Amsterdamer "Paradiso" vom 29. November 1998. Bedauerlicherweise ist die Tonqualität hier nicht mehr so brilliant wie noch zuvor, insbesondere verfügen die Live-Aufnahmen von "Double Vision", "Elea", "The Hanging Tree", "Jericho" und "Solomon" über eine wesentlich niedrigere Grundlautstärke als die eingangs vorgestellten akustischen Songs. Davon abgesehen darf aber Paul Wrightson noch einmal beweisen, dass er hervorragend zur Musik der Band paßte und in der Lage war, mit ihr zusammen ein musikalisches Feuerwerk abzubrennen. Das gilt zwar nicht so sehr für die ersten drei Stücke, die allesamt vom Konzeptalbum "The Visitor" stammen und eher die ruhige, melodische Seite "Arena"s zeigen. Doch beim Live-Kracher "Jericho" und auch bei dem brillianten Epos "Solomon" geht richtig die Post ab - so sehr, dass den Musikern gelegentliche Verspieler unterlaufen. Für ein nicht schadensfrohes Schmunzeln sorgt dann noch ein kurzes Intermezzo Wrightsons, der die Band just an dem Punkt von "Jericho", an dem das Tempo erheblich an Fahrt gewinnt, für ein paar Sekunden anhalten läßt und dann gravitätisch die Fortsetzung des Spektakels gestattet: "Mr. Nolan, you may proceed." Und Mr. Clive Nolan ist es dann auch, dem im wahrsten Sinne des Wortes das letzte Wort der CD gehört. Während der Aufnahmen zu "The Visitor" spielte das musikalische Universalgenie einige der Stücke mit sich als Sänger ein, um so Paul Wrightson zu verdeutlichen, wie er sich die Vokalarbeit im jeweiligen Lied vorstellte. Einer dieser "ghost tracks" hat nun als "Demo" seinen Weg auf "The Visitor - Revisited" gefunden. Und "Enemy Without" überrascht in dieser Version mit ungeahnten Qualitäten. Obwohl Nolan bei "Shadowland", einem seiner zahlreichen Bandprojekte, auch für den Gesang verantwortlich ist, meistert er dort seine Aufgabe bei weitem nicht so bravourös wie hier. Die Vokallinien von "Enemy Without" scheinen geradezu auf Nolans Stimme zugeschnitten zu sein. Hinzu kommt die Lockerheit, mit der diese Demoversion eingespielt wurde, und die alleine schon geeignet ist, dem Hörer ein Lächeln auf die Lippen zu zaubern. Wenn dann Nolan noch gelegentlich ein paar Kommentare zu dem Stück abgibt, steht fest, dass wir es hier mit dem heimlichen Höhepunkt dieses Albums zu tun haben.
Dabei stellt "The Visitor - Revisited" für sich genommen ohnehin eine klevere Kreativanstrengung der Band und des Fanclubs dar. Denn mit dieser CD wurde nicht nur der neue Sänger zum frühestmöglichen Termin den Fans vorgestellt. "The Cage" verbanden dieses Vorhaben zugleich geschickt mit der Realisierung der Wünsche der Fanclub-Mitglieder, die in einer Umfrage starkes Interesse gerade an akustischen Versionen von "Arena"-Stücken, Liveaufnahmen aus dem "Visitor"-Repertoire und unveröffentlichtem Material aus den Plattenaufnahmen geäußert hatten. Erfreulicherweise hat man das ganze, obwohl es sich um eine nicht für den öffentlichen Verkauf gedachte Fanclub-Veröffentlichung handelt, auch äußerlich mit der erforderlichen Mühe und Sorgfalt gestaltet. Der schwedische Künstler Mattias Norén bastelte mit Hilfe des Computers aus zwei Fotos und einer Zeichnung der "Visitor"-Figur ein äußerst stimmungsvolles Cover, das in Grautönen eine sich bis zum Horizont erstreckende Straße zeigt, auf der das umgestürzte Einrad des "Visitor"s sowie sein Hut liegen. Den "Visitor" selbst sieht man am Horizont, abseits der Straße wandelnd. Das achtseitige Booklet ist dann zwar weniger kunstvoll gestaltet, für eine Fanclub-Veröffentlichung, die keine neues Songmaterial enthält, aber allemal angemessen. Im Mittelteil enthält es eine Collage farbiger Fotos, die vermutlich während der "Visitor"-Tournee aufgenommen wurden. Davor wendet sich der Fanclub in einem Grußwort an den "Arena-fan", demzufolge die auf der CD zu hörende "Crying For Help IV"-Version diejenige ist, mit der sich Rob Sowden bei "Arena" um den Posten als Frontmann beworben hatte. Abgerundet wird das Booklet dann mit einem Schlußwort aus der Feder von Clive Nolan, in dem er Paul Wrightson nochmals seine Anerkennung zollt, andererseits aber begeistert von Sowdens musikalischem Potential schwärmt. Dass dieser über ein solches verfügt, hat er auf "The Visitor - Revisited" bewiesen. Wer nicht auf "Chosen" warten will, um den neuen Vokalisten zu hören, und "Arena" auch nicht auf deren Kurztournee in diesem Herbst wird sehen können, kann sich die CD ohne langes Nachdenken zulegen. Die-Hard-Fans müssen sie ohnehin haben, und sei es nur wegen der herrlichen Demoversion von "Enemy Without". "The Visitor - Revisited" zeigt das Originalalbum nicht in einem völlig neuen Licht. Für eine Stunde guter Unterhaltung für "Arena"-Fans ist die CD aber in jedem Falle gut. Der Band selbst hat das akustische Experiment übrigens so gut gefallen, dass Sowden, Nolan und Mitchell im Mai ein ganzes Fanclub-Konzert in dieser Form bestritten - ergänzt um eine freche Interpretation der ersten anderthalb Minuten des "Genesis"-Klassikers "Supper's Ready". Dem neidischen Fan, der diesen Auftritt verpaßt hat, bleibt angesichts solcher Schmankerl nur die Hoffnung auf weitere Fanclub-CDs.