Tests

Test: GIMP - kurz & gut

Autor : Sven Neumann Verlag : O'Reilly Verlag Köln
ISBN-Nr. : 3-89721-215-3 Preis : 12.80 DM

Der Nachteil von frei kopierbarer Software ist das Fehlen eines gedruckten Handbuches. Besonders eklatant wird das bei komplexen Programmen, für deren Bedienung die bewährte "Trial & Error"-Methode nicht mehr ausreicht. Offenkundig wurde dieses Problem vor allem mit dem Erfolg von Linux. Inzwischen kann es die Menge der über die Installation, Konfiguration und Bedienung dieses freien Betriebssystemes verfaßten Bücher durchaus mit den Bibliotheken aufnehmen, in denen die kommerzielle Konkurrenz aus dem Hause Microsoft erläutert wird. Noch ziemlich übersichtlich, insbesondere im deutschsprachigen Raum, gestaltet sich jedoch die Literaturlage, wenn es um die hochkomplexe und daher eigentlich besonders erläuterungsbedürftige Bildbearbeitungssoftware "GIMP" geht - ein Engpaß, der wegen der Amiga-Portierung des Programmes (vgl. den Testbericht in diesem "Gadget") auch Amiga-Anwender betrifft. Zwar gibt es unter der URL

ftp://manual.gimp.org/pub/manual/

eine ausführliche Anleitung zu "GIMP". Doch nicht nur, dass man diese selbst ausdrucken (und gegebenenfalls binden) lassen muss. Sie ist überdies natürlich auch englischsprachig und vor allem von fast schon menschenrechtswidriger Größe - als gepackte HTML-Version nimmt sie 15 MByte ein, die PDF-Alternative hat eine Dateigröße von immerhin noch 13 MByte. Zum Glück verspricht jetzt ein Buch aus "O'Reillys Taschenbibliothek" Abhilfe. Sven Neumanns "GIMP - kurz & gut" hat sich zum Ziel gesetzt, "sowohl dem Einsteiger als auch dem erfahrenen Anwender die schnelle und effiziente Nutzung des komplexen Programms" zu ermöglichen. Große Worte im Klappentext eines (rein äußerlich) kleinen Buches.

Klein ist auch die Schrift des 72 Seiten langen Werkes, das der Autor mit dem sympathischen Nachnamen in einem Vortwort ausdrücklich als "Referenz" bezeichnet. Im 60 Seiten umfassenden Hauptteil des Buches behandelt Sven Neumann daher dann auch in konzeptioneller Konsequenz nach einer kurzen Vorstellung der von "GIMP" zur Verfügung gestellten "Werkzeuge" alle im Verlaufe der Programm-Benutzung relevant werdenden Menüs ("File", "Edit", "Select", "View", "Image", "Layers", "Filters", "Script-Fu", "Dialogs", "Extensions"), bevor er dann in einem letzten Kapitel noch kurz die Möglichkeiten diverser "Einstellungen" beleuchtet. Auch innerhalb der einzelnen Kapitel geht er streng der Reihenfolge nach ein Werkzeug nach dem anderen, einen Untermenüpunkt nach dem anderen, einen Effekt nach dem anderen durch. Dabei werden links der (Teil)Überschrift grafische Symbole, sofern solche zur beschriebenen Funktion existieren, dargestellt - als einzige grafische Elemente im Innenteil des Buches. Rechts von der Überschrift wird hingegen der zur Aktivierung dieser Funktion gehörende Tastatur-Shortcut angegeben, wobei Neumann hier (angeblich wegen des besseren Kontrastes zu "Shift") statt der bei PC-Nutzern im deutschen Raum üblichen Bezeichnung "Strg" das (Amiga-Anwendern entgegenkommende) Kürzel "Ctrl" verwendet. Die Beschreibungen selbst sind so knapp wie möglich gehalten. Die Filter und Script-Fu-Effekte werden fast ohne Ausnahme in jeweils einem einzigen Satz erläutert, bei den Werkzeugen und sonstigen Funktionen ist der Verfasser allerdings etwas redseliger. Erfreulicherweise geht Sven Neumann auch kurz auf die hinter den einzelnen Werkzeugen stehenden Konzepte ein und gibt kurze Empfehlungen, in welcher Situation beispielsweise welcher Weichzeichner den anderen vorzuziehen ist. In einem sechsseitigen Anhang werden dann schließlich noch ein paar Informationen zu den verschiedenen "Farbmodellen", "Mal- und Ebenenmodi" und "Dateiformaten" gegeben, wobei auch hier die Darstellung, wie es sich schon aus der Kürze der Erläuterungen ergibt, an der Oberfläche bleibt. Abgeschlossen wird das Buch dann von einem zweiseitigen Index, der leider nicht einmal die Namen aller vorgestellten Filter-Effekte beinhaltet und von daher nur bedingt gelungen ist, wenngleich man natürlich die Ausführungen zu dem gesuchten Effekt aufgrund des Aufbaus des Buches auch ohne die Hilfe des Indexes sehr schnell gefunden hat.

Wie es bei den Büchern aus O'Reillys Taschenbibliothek üblich ist, prangt auch auf dem Cover der "GIMP"-Referenz ein schwarz-weiß gezeichnetes Tier, in diesem Fall eine Art Springmaus. Doch nicht nur das ist possierlich. "GIMP - kurz & gut" ist insgesamt ein praktisches Büchlein, das als Kurzreferenz zuverlässige Dienste leistet, und in der Regel recht schnell die gewünschten Informationen (oder zumindest erste Hinweise) liefert. Man kann sich allerdings streiten, ob der Preis von 12.80 DM für ein so kurzes Buch, in dem letzten Endes ja nur die einzelnen Funktionen von "GIMP" einführend beschrieben sind, nicht vielleicht zu hoch ist. Für unter 10 DM wäre das Buch von Sven Neumann allemal eine unbedingte Kaufempfehlung wert. So bleibt es letzten Endes Geschmackssache, ob man für eine Kurzreferenz soviel Geld ausgeben möchte, wie bei einem angenommenen Seitenpreis von 10 Pfennig der Ausdruck von 128 DIN A4-Seiten des englischsprachigen Original-"Manuals" kosten würde. Wem "GIMP - kurz & gut" zu knapp ist, wer aber trotzdem auf den Erwerb einer erläuternden Veröffentlichung nicht verzichten will, hat hingegen Glück. Denn es sind für die nahe Zukunft gleich zwei weitere "neue GIMP-Büchen Auf Deutsch" (so die Meldung auf den offiziellen "GIMP"-WWW-Seiten unter <http://www.gimp.org>) über die GNU-Bildbearbeitungssoftware angekündigt. Während es sich bei "Jetzt lerne ich GIMP" aus dem Hause Markt und Technik (49,95 DM, ISBN-Nr.: 3827256143) vermutlich um die deutsche Übersetzung eines englischsprachigen Titels handelt, wird Jörg Osterberg mit "GIMP - Grafikbearbeitung mit freier Software" einen komplett neu verfaßten Titel im dpunkt-Verlag vorlegen (88 DM, ISBN-Nr.: 3932588460). Die Bücherflut für das "freie Photoshop" (Klappentext von "GIMP - kurz & gut") hat gerade erst begonnen.

(c) 1999 by Andreas Neumann

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