Nachdem die Commodore-Messe just in dem Jahr, als ich mein Studium in Hessen aufgenommen hatte, von Frankfurt am Main nach Köln ins Rheinland verlegt wurde, war mein ganzes Handeln von dem Streben durchdrungen, eines Tages wieder in der Nähe dieses großartigen Ereignisses leben und wirken zu können. Das stimmt zwar nicht, ist aber als Einleitung für den Bericht von der diesjährigen Kölner Messe allemal geeignet. Das nicht nur deshalb, weil in der Veranstaltung, die in den vergangenen Jahren unter dem wenig einfallsreichen Titel "Computer '9x" firmierte, zuletzt vieles passierte, was mit der Realität nur noch lose verbunden war, sondern vor allem auch deshalb, weil ich seit kurzem (auch) in Bonn arbeite und dort mit Nebenwohnsitz gemeldet bin. Die Aussicht, die Kölner Messe quasi vor der Haustüre zu haben und nicht mehr stundenlange Bahnfahrten in überfüllten Abteilen ertragen zu müssen, war zweifelsohne verlockend. Leider gab es jedoch nach den Geschehnissen der letzten Monate ausreichend Grund für die Befürchtung, dass diese Kölner Amiga-Messe möglicherweise auch die letzte sein könnte.
Dabei hatte alles so dynamisch und vom offensichtlichen Bemühen um Innovation und Veränderung getragen begonnen. Die PRO Concept GmbH, die erstmals ohne den ICP-Verlag als Veranstalter fungierte, hatte dem "Messeevent für ein neues Jahrtausend" getreu dieser millenniumsvorausschauenden Perspektive einen neuen Namen spendiert. Wohl um die im nächsten Jahr zu erwartende "Computer '00" und damit jeden Eindruck einer Messeveranstaltung für Sanitäreinrichtungen zu vermeiden, taufte die Firma von Geschäftsführer Peter Meiß die Messe kurzerhand in "HOME electronics world" um, wobei die doch reichlich sinnentleerte Mischung aus radikaler Groß- und Kleinschreibung wohl, bzw. hoffentlich, nur deshalb gewählt wurde, weil man mit diesem Konzept jedenfalls bezüglich der Großschreibung des ersten Namensbestandteiles bereits bei der eigenen Firmenbezeichnung so grandios gescheitert war.
Ich hatte jedenfalls beschlossen, der HEW '99 unter Umgehung des traditionell überfüllten Messesamstages am Freitag und am Sonntag einen Besuch, respektive zwei Besuche, abzustatten. Doch obwohl Freitag der 12. und demzufolge erst Samstag der 13. war, versprach schon der Beginn des diesjährigen Messebummels nichts Gutes. Denn natürlich hatte die Straßen-, oder Stadtbahn, wie sie in der Bundesstadt Bonn sinnigerweise heißt, ein paar Minuten Verspätung. Und genauso natürlich war der Zug offensichtlich auf die Sekunde pünktlich gewesen, so dass mir als nächste Verbindung in die Nachbarstadt nur die deutlich langsamere Stadtbahnlinie dorthin blieb und ich trotz geographischer Nähe insgesamt doch wieder alleine für die Hinfahrt deutlich über eine Stunde in öffentlichen Verkehrsmitteln verbringen durfte. Aber damit natürlich nicht genug. Anstatt die nun zur Verfügung stehende zusätzliche Zeit halbwegs sinnvoll mit der Lektüre irgendwelcher hochgeistiger Printmedien ("SPIEGEL", "NJW" oder "computer easy") nutzen zu können, durfte ich mir fast den ganzen Weg lang das Schreien eines - die Eltern unter den Lesern mögen mir die Beueichnung verzeihen - Blags anhören, das von seiner nasenringtragenden und hennarotgefärbten Mutter in beinahe schon menschenverachtender Gefühlskälte direkt mir gegenüber platziert wurde. (Um W. C. Fields zu zitieren: "Anyone who hates dogs and kids can't be all bad.") Demgemäß schwante mir natürlich auch für den Rest des Tages Schlimmes. Zug verpasst, dem Babygeheulterror ausgesetzt - das konnte ja nichts mehr werden. Und, das als arrogantes Statement vorweg, wie so oft sollte ich recht behalten. Zumindest fast.
Dass trotz geänderten Namens die Messe an mehr oder weniger bewährte Traditionen anknüpfen sollte, kam nicht zuletzt in der Wahl der Messehalle zum Ausdruck. Wie schon in den Jahren zuvor fand man sich auch 1999 in der Halle 11.2 zusammen. Doch auch wenn es nicht sonderlich überraschend war, dass dem darbenden Messevolk im letzten Messejahr mit vorangestellter "19" eine Wiederherstellung der Grenzen von 1994, als die Messe noch in zwei Hallen stattfand, nach wie vor verwehrt bleiben würde, so war doch der Anblick, der sich mir am Freitag an der Messefront bot, mehr als nur ernüchternd. Selbst die eine Halle hatte man nicht einmal annähernd füllen können, so dass, um die Schmach wenigstens optisch ein wenig zu mindern, die Halle mit Hilfe mobiler Trennwände künstlich verkleinert worden war. Angesichts der lilliputgleichen Ausmaße der Veranstaltung verwunderte es auch nicht, dass bei der Erstellung der zwölfseitigen Messebroschüre auf einen Hallenplan verzichtet werden konnte. Bezeichnend in diesem Zusammenhang überdies, dass offensichtlich noch nicht einmal eine lokalpolitische Größe zur Abfassung eines Grußwortes überredet werden konnte. Zur Erinnerung: In der Vergangenheit lächelten dem Leser noch bekannte Gesichter aus der nordrhein-westfälischen Landespolitik auf Seite 3 entgegen. Symptomatisch für den komatösen Zustand des Amiga-Marktes schließlich auch, dass die einzige Werbung, die die Broschüre enthielt, von Software 2000 stammte, einem Unternehmen, das schon vor Jahren den Absprung ans kommerziell rettende PC-Ufer geschafft hatte.
Auf eines war jedoch zum Glück auch 1999 Verlass. Der unverwüstliche Computerclub und -vertrieb APC&TCP war selbstverständlich auch in diesem Jahr mit einem eigenen Stand präsent. Ebenfalls schon fast traditionell verbarg dieser sich erneut schon beinahe schamhaft am hinteren Hallenende, so dass man sich des Eindrucks nicht erwehren konnte, es gebe für den Standplatz womöglich einen Stammplatz. Und auch in einem dritten Punkt bewies der APC&TCP Kontinuität. Wie in den Jahren zuvor stellte der stolze Club- und Firmenchef Andreas Magerl auch 1999 gleich mehrere Neuerscheinungen zur Kölner Messe vor - ein Engagement, das man eigentlich gar nicht laut genug loben kann. (Auf einem ganz anderen Blatt steht jedoch leider nur zu oft, ob man dem APC&TCP die jeweils vorgestellten Produkte ebenfalls danken sollte. Oder auch nur kann.) Diesmal sollten vor allem drei CD-ROMs die Herzen und vor allem die Geldbörsen der Messebesucher öffnen. Während die neunte Silberscheibe der "Scene Archives" und die "Best of Airsoft Softwair"-CD-ROM aufgrund der jeweils enthaltenen Datenmengen vor allem die Datenjäger und Bytesammler unter den Amiga-Nutzern ansprechen dürften, hat der APC&TCP mit "SeaSide" mal wieder Nachschub für die zuletzt so knapp gehaltenen Spielesüchtigen, äh, Spielefreunde vorgelegt. Wobei es das Wort "vorlegen" hier ziemlich genau trifft, da der Programmierer noch an der englischen Fassung arbeitete und von daher in Köln nur eine rein deutschsprachige Sonderpressung verkauft wurde. Die machte zwar einen sehr soliden Eindruck, wirkte sowohl von Spielidee und -design als auch der gestalterischen Umsetzung her jedoch auch eher altbacken. Rolf-Glau-Fans werden's sicher mögen, bei 3D-verwöhnten Spielefreaks dürfte "SeaSide" hingegen wohl höchstens im Wasserglas Begeisterungsstürme auslösen. Ganz anders wären die Reaktionen auf das schon seit langem angekündigte dreidimensionale Ballerepos "Phoenix" ausgefallen, wenn, ja wenn der APC&TCP sich auch hier nicht treu geblieben wäre. Wie schon 1998, als man ja noch wenige Monate vor dem Messetermin unter der Hand die Hoffnung auf eine bis zum November fertiggestellte verkaufsfertige Vollsversion weckte, konnte auch 1999 das Team um Projektleiter Emmanuel Henne und Programmiermastermind Markus Pöllmann nur eine spezielle Messedemonstration abliefern. Dass die Endfassung möglicherweise noch ein paar Tage auf sich warten lassen wird, konnte der Messebesucher dem das Programm gelegentlich am APC&TCP-Stand vorführenden Markus Pöllmann ansehen, was nicht einmal im übertragenen Sinne gemeint ist. Denn der Münchner Informatiker trug ganz demonstrativ einen Haage & Partner-Pullover, der ihn als (frisch rekrutierten) Mitarbeiter der Softwareschmiede auswies. Dass er sich deswegen in nächster Zeit vielleicht - allen Dementis zum Trotz - nicht mehr so intensiv mit "Phoenix" beschäftigen kann, wie er es angesichts des unfertigen Zustandes des Produktes wohl schon zuvor hätte machen sollen, ist umso bedauerlicher, als die Demoversion, die am APC&TCP-Stand zu bewundern war, äußerst vielversprechend aussah. Zwar beschränkte sich das Bildschirmgeschehen - von einem Entschuldigungsscrolltext abgesehen, der standardmäßig abgespult wurde und um Vergebung für die Nichtfertigstellung des Spieles bat - auf ein Raumschiff, welches Pöllmann durch ein 3D-Universum und an einem anderen, weitaus größeren Raumschiff vorbeisteuern konnte. Doch die Geschwindigkeit, in der die Bewegung sauber und erstaunlich realistisch dargestellt wurde, ließ schon erahnen, dass die "Flyin' High"-3D-Engine noch einmal deutlich tiefergelegt wurde. Man darf gespannt sein.
Das war allerdings nicht das Motto für den Rest der Messe. Denn schon im Vorfeld zeichnete sich ab, dass die Zahl der Neuveröffentlichungen bescheiden sein würde, zumal von mehreren namhaften Amiga-Firmen unklar war, ob sie überhaupt den Weg nach Köln gehen würden. Ein erster Rundgang durch die gelichteten Flure bestätigte dann auch die schlimmsten Befürchtungen. Selbst von den ja ohnehin nur noch spärlich vorhandenen Amiga-Firmen war tatsächlich nur ein Bruchteil zur HEW gekommen. Vermisst wurden natürlich in erster Linie drei der vier Hersteller der angekündigten G3-/G4-Prozessorkarten - weder Escena, noch phase 5 oder Met@box zeigten als Aussteller oder auch nur als Unteraussteller Präsenz. Darüber hinaus fehlten jedoch auch weitere (zumindest halbwegs) klangvolle Namen - Eternity, Vesalia, Village Tronic, um nur einige zu nennen. Besonders schwer wiegt das bei den beiden erstgenannten, da deren Firmensitz sozusagen im Kölner Umland liegt, die Messe also nur einen Boing-Ball-Sprung entfernt gewesen wäre. Hier dürften die Änderungen des Messekonzeptes (negative) Auswirkungen gezeitigt haben. Dass Messe-Veteranen wie Conny Figge, Micronik und Oberland nicht anwesend waren, war zwar nicht minder bedauerlich, aber immerhin zu erwarten gewesen, da sich diese Unternehmen bereits aus dem Amiga-Markt zurückgezogen haben. Immerhin zeigte, was ja in den letzten Jahren auch nicht immer der Fall gewesen war, die Firma Amiga selbst Flagge - mit dem wohl größten amigaspezifischen Messestand der HEW, an dem allerdings auch wieder zahlreiche Unteraussteller Unterschlupf gefunden hatten. (Darüber hinaus, und damit verdient sich Petro Tyschtschenko, der Amiga-Retter vom Dienst und von eigenen Gnaden, ein aufrichtig gemeintes Lob, hat Amiga International auch zumindest einem weiteren Aussteller finanziell unter die Arme gegriffen, der sich sonst den eigenen Messestand nicht hätte leisten können. Ab und an scheint man ja mit den Einnahmen aus dem A1200-Resteverkauf und dem Vertrieb von Merchandising-Artikeln doch etwas Sinnvolles zu vollbringen.)
Aber auch außerhalb der implodierenden Welt des Amiga waren offensichtliche Ausdünnungserscheinungen nicht zu leugnen. Die Zahl der Aussteller aus dem PC-Bereich war im Vergleich zum Vorjahr zurückgegangen und konnte durch die Anbieter von Telekommunikationsgeräten und Videoschnitt- sowie -bearbeitungstechniken für den privaten und semiprofessionellen Einsatz nur bedingt kompensiert werden. Sollten die Veranstalter wirklich beabsichtigt haben, den Schwerpunkt der Kölner Messe auf alle (jugendfreien) elektronischen Anwendungen, mit denen der jung gebliebene, technikbegeisterte Hausherr heutzutage nach Feierabend herumspielt, zu erweiteren (oder zu verlagern), und dafür spricht nicht nur der neue Titel der Veranstaltung, dann ist dieses Konzept dorthin gegangen, wo inzwischen auch schon einige elektronische Helferlein, vom Handy zum PDA, aufbewahrt werden (können) - nämlich in die Hose. Zwar mag es gewisse Schnittmengen zwischen den einzelnen Zielgruppen geben. Für den fünfzigjährigen Heimregisseur, der seine Filme mit einem "Casablanca"-Schnittsystem bearbeitet, sind die Neuveröffentlichungen des APC&TCP aber genauso uninteressant wie das Angebot an PC-Literatur. Und Amiga-Nutzer fahren, bzw. pilgern in den seltensten Fällen nach Köln, um sich nach einem Handy oder dem neuesten PC-Spielehit umzusehen. Damit ist für den durchschnittlichen Messebesucher die ohnehin schon recht kleine Veranstaltung aber lediglich zu einem Bruchteil auch nur im Entferntesten von Interesse. Demgemäß glichen auch die nicht der Amiga-Szene angehörenden Aussteller einem bunten Flickenteppich unterschiedlichster Branchen, wobei die Zahl der Aussteller in einigen Themenbereichen noch nicht einmal die kritische Masse erreichte, die erforderlich ist, um an dem jeweilgen Bereich interessierte Anwender zum Messebesuch zu motivieren. Noch relativ gut vertreten waren die Hersteller von Systemen im Bereich der Videonachbearbeitung, die überdies an Standfläche und Mitarbeiterpräsenz nicht gespart hatten. Und auch der PC-Sektor war noch recht gut vertreten, wobei sich die Zahl der Stände von Software-Herstellern, Hardware-, Software- und Fachliteratur-Verkäufern in etwa die Waage hielt, wenngleich "Software 2000" mit dem wohl größten Stand der Messe (und dem RTL-Lizenztitel "Gute Zeiten, schlechte Zeiten" als Hauptattraktion) schon ein wenig aus der Reihe fiel. Die sonstigen, neu hinzuer- und beworbenen Bereiche waren hingegen gänzlich unterrepräsentiert. Zwar hatte TechniSat zusammen mit teleropa TV & Sat auch einen großen Stand im wahrsten Sinne des Wortes aufgefahren - das war dann aber auch schon alles, was die HOME elextronics world an "Satellitentechnik" zu bieten hatte. Und die zu besichtigende "Telekommunikation" beschränkte sich auf zwei, drei Stände mit Mobiltelefonen und entsprechendem Zubehör. Selbst profilneurotischsten Handy-Besitzern dürfte das zu wenig gewesen sein. Ganz an den Rand gedrängt wurde schließlich der früher für die "Kölner Atmosphäre" nicht unerhebliche "Ereignis-Faktor", der nur noch von einer fast verwaisten Torwand erzeugt werden sollte.
Nachdem ich mir die Misere in ihrem ganzen schrecklichen Ausmaß vor Augen geführt hatte, begab ich mich erstmal zum traditionellen "Konferenzbereich" (bei gesteigertem Hipness-Bedürfnis auch "Event-Bühne" genannt), in dem 1999 wieder die Hupf-Dolls von "Annex" zu den Klängen der diversen Amiga-Hymnen mit den Hüften rollen und anderen Körperteilen wackeln sollten. Die Vorfreude hatte wohl auch den Geist und die Sinne des für die Hallendurchsagen zuständigen Messemitarbeiters verwirrt, denn obwohl es auf 12.30 Uhr zuging verkündete der Mann, dass um 11 Uhr eine Show der Gruppe "Annex" stattfinden werde und man dazu doch ganz herzlich eingeladen sei. Aber möglicherweise war das auch nur eine verklausulierte Warnung. Der Konferenzbereich war dann jedenfalls allen Irrtümern und Abschreckungsversuchen zum Trotz recht gut besucht, wenngleich der Andrang doch deutlich geringer war als am Messesamstag des Vorjahres. Aber die Bühne war ebenfalls spärlicher bevölkert als noch 1998, da "Annex" wohl einige personelle Umbesetzungen erlebt hat, was u. a. zu Trennungs- und Auflösungsgerüchten im Kreise solcher Personen, die "Annex" als ein der Gerüchtebildung und -verbreitung wertes Thema ansehen, geführt hatte. Nach einer glücklicherweise angemessen kurz gehaltenen Einführung, in der noch einmal die Geschichte des inzwischen reichlich höhnisch klingenden offiziellen Amiga-Songs "Back For The Future" erzählt wurde, der vor der öffentlichen Präsentation damals von Petro Tyschtschenko testweise erst Amiga-Nutzergruppen in Skandinavien und Südeuropa vergestellt worden war, ging es dann zur Sache. Zu den wenig abwechslungsreichen Klängen der schon leidlich bekannten Titel "Back For The Future" und "Keep The Momentum Going" und der nicht minder unspektakulären Neuvorstellung "The Spirit" gaben die beiden Tänzerinnen und der für welche Zielgruppe auch immer gedachte Tänzer ihre durchaus akzeptabl choreographierte und mit erstaunlichem Einsatz dargebotene Show zum besten. Doch leider kann alles Engagement nicht verdecken, dass alle drei Songs musikalisch ungefähr so viel zu bieten haben wie eine liebevoll betätigte Klospülung, was mit Sicherheit auch dem einfallslos wiederverwendeten Schema aus einem langsamen, dramatischen Beginn und dann einsetzendem uninspirierten Rhythmus-Einerlei zu verdanken ist. (Dem Komponisten, der all drei Songs angeblich auf einem Amiga komponiert und produziert hat, kann das im übrigen allerdings kaum vorgeworfen werden, folgt er damit doch lediglich einem aus viel zu vielen Discolautsprechern dröhnenden Zeitungeist. Hörenswert macht das das ganze deshalb aber noch lange nicht.) Doch im Prinzip hätte man auch wirklich die Klospülung durch die Lautsprechern rauschen lassen können - wegen der Musik dürfte ohnehin niemand gekommen sein. Die Anziehungskraft dürfte sich wohl mehr aus der Mischung aus Freak- und Fleischbeschau ergeben, mit welcher man es hier angesichts der obskuren Idee einer "systemeigenen" Hymne und den zweifelsohne appetitlich anzuschauenden und nur geringfügig bekleideten Tänzerinnen zu tun hatte. Und "Annex" verdienen großen Respekt dafür, dass sie trotzdem nach wie vor ersichtlich versuchen, dem ganzen einen gewissen ernsthaften Anstrich zu verleihen. So viel Professionalität wünschte man sich nicht (nur) für die Showtruppe, sondern (vor allem) auch für das Management der Firma Amiga.
Nach etwa einer Viertelstunde war der Spuk dann vorbei und die drei "Annex"-Aktivposten machten sich auf den Weg zum Amiga-Stand, um dort ihren Fans (?) heiß ersehnte (?) Autogramme zukommen zu lassen. Da die HEW nicht den Eindruck machte, dass man vor lauter Attraktionen nicht alles zu sehen bekommen könnte, entschloss ich mich, nachdem ich nun schon zum ersten Mal einen "Annex"-Auftritt von Anfang bis Ende durchgestanden hatte, auch noch ein weiteres traditionelles Messeereignis mitzuerleben, auf welches ich in den Vorjahren zugunsten interessanterer Alternativen verzichtet hatte. Denn ein treuer Begleiter der Amiga-Szene hatte es sich auch 1999 nicht nehmen lassen, sein Scherflein zur alljährlichen Kölner Messe beizutragen - der Münchener Rechtsanwalt Günter Freiherr von Gravenreuth, der es durch sein Engagement in zahlreichen EDV-spezifischen Rechtsstreitigkeiten und Abmahnfällen zu gewisser Berühmtheit und äußerst kritischer Würdigung durch die Medien (von der "c't" bis zum "SPIEGEL") gebracht hat. Und wie bei "Annex" ist auch beim "Freiherrn" nicht alles nur schwarz oder weiß. So bedenklich man sein Vorgehen in manchen Fällen finden mag, so sehr muss man andererseits auch sein Engagement in der Computer-Szene loben, vor der er sich nie versteckt hat und der er sich inzwischen auch im Usenet, in der Newsgroup "de.soc.recht.datennetze", stellt. Doch das Internet ist inzwischen nicht nur sein Tätigkeitsfeld, es ist auch sein Thema geworden. So hielt er in Köln einen Vortrag über die rechtlichen Regeln, die (auch) auf der Datenautobahn berücksichtigt werden müssen. Oder zumindest wollte er diesen Vortrag halten. Denn zunächst einmal ging gar nichts - der benötigte und angeforderte Overhead-Projektor war noch nicht angekommen. Und während alles wartete, veranstaltete der Rechtsanwalt seine persönliche Bescherung, indem er mehrere Dutzend Exemplare seines Rechtsberater-Taschenbuches "Computerrecht von A-Z" unter den Anwesenden verteilte. (Der allumfassend formulierte Titel sollte jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass es in der Sache stark auf zivilrechtliche Fragestellungen zugeschnitten ist. Etwa bei den Ausführungen zum "Verschulden" vermißt man doch ganz erheblich klarstellenden Hinweise auf die Unterschiede zwischen den zivil- und den (eben sachlich mitnichten) parallelen strafrechtlichen Begrifflichkeiten.) Inwieweit angesichts des schnellen Wandels, dem die behandelte Materie unterworfen ist, eine solche Publikation, die sich auf dem Stand von Spätsommer 1992 befindet, noch über einen über dem reinen Altpapierwert liegenden realen Marktwert hat, wird man sich zwar wohl mit Fug und Recht fragen dürfen. Eine nette Idee war es aber dennoch, die man sich bei Amiga mal zum Vorbild nehmen sollte. Wird höchste Zeit, dass die A1200-Restbestände nicht mehr für viel Geld (nach Südosteuropa) verkauft, sondern auf Amiga-Messen kostenlos verteilt werden. Doch während ich noch dieser und ähnlichen Träumereien nachging, wurde endlich der lang ersehnte Projektor angeliefert und die Gravenreuth-Show konnte beginnen. Aus praktisch allen denkbaren Rechtsgebieten klatschte der Rechtsanwalt seinem Publikum Beispiele aus der Praxis vor den Latz - und jeweils eine neue Folie auf den Overhead-Projektor. Damit gelang es ihm zwar, praktisch alle relevanten Fälle der Vergangenheit vorzustellen, wie so oft bei reiner Kasuistik kam dabei jedoch der für zukünftige Entwicklungen so wichtige Blick für die hinter den einzelnen Entscheidungen stehenden Wertungen (vorausgesetzt, die Urteile sind wirklich auf der Grundlage rechtlicher Wertungen und nicht durch Münzwurf ergangen) ein wenig zu kurz. Überdies peitschte der Rechtsanwalt unter dem Druck der nur knapp bemessenen Zeit seine Beispiele in einem solchen Tempo durch, dass der interessierte Laie mit Sicherheit überfordert war - und tatsächlich leerten sich zusehends die Reihen, bis am Ende nur noch vielleicht gerade mal zwanzig Zuhörer übrig waren. Denen war dann neben einigen interessanten Anekdoten (etwa zum Fall krupp.de), misslungenen Scherzen (als Ausnahme sei die sehr elegante Umschreibung von jugendschutzgefährdenden Bildmotiven als "Pärchen in arterhaltender Tätigkeit" genannt) und fehlerhaften Folien ("Netze in den Maschen der Gesetzte", "erstkassiges Obst und Gemüse") ein reiches Panoptikum an Rechtsprechung vom Arbeitsrecht bis zum Urheberrecht dargeboten worden. Leider konnte sich der ehemals als "Raubkopiererjäger" gefürchtete Freiherr dabei überflüssige Lobhudeleien auf Gerichtsurteile nicht verkneifen, an denen er eine der beteiligten Parteien anwaltlich vertreten hatte. Besonders angetan hatte ihm dabei das fatale "Eagle"-Urteil (vgl. die Urteilsschelte in "AmigaGadget"#29). Wegen der Bemerkung, bei der Verpackung der von seinem Mandanten (der Firma "Eagle") verkauften Tower-Gehäuse käme "Müll" zur Verwendung, habe man damals eben das Abfallrecht "rauf und runter" durchexerziert - mit dem Ergebnis, dass das Gericht die Aussage als falsche Tatsachenbehauptung wertete, weil es sich ja in Wirklichkeit um "Wertstoffe" gehandelt habe. Ganz davon abgesehen, dass diese Argumentation angesichts der klaren Vorgaben des Verfassungsgerichtes, welches zuletzt im "Soldaten sind Mörder"-Urteil in erfreulicher Klarheit die Anforderungen an die Auslegung von Aussagen dargelegt hatte (das im "Eagle"-Fall urteilende Münchener Gericht hätte, seine Zuständigkeit vorausgesetzt, wohl auch in diesem Fall die Aussage als falsche Tatsachenbehauptung gewertet...), unhaltbar ist, kommt ihr nur ein beschränkter Erkenntniswert zu. Den meisten dürfte es egal sein, ob sie das "Eagle"-Urteil nun "Schrott" nennen dürfen oder "zur Entsorgung bestimmtes Altpapier" nennen müssen. Auf ein aktuelles Mandat ging der Anwalt übrigens leider nicht ein - das Thema "Webspace" schien ihm dann wohl doch ein wenig zu heikel, zumal hier ja die Rechtsprechung (außerhalb der bayerischen Landeshauptstadt) nicht unbedingt gänzlich auf seiner Linie zu liegen scheint. Doch alles in allem war Gravenreuths Vortrag nicht uninteressant, die Achterbahnfahrt durch die netzspezifische Rechtsprechung der letzten Jahre vielleicht nicht unbedingt in juristischer Hinsicht über die Maßen wertvoll, jedoch allemal kurzweilig. Jedenfalls waren am Ende der Reise die noch anwesenden Zuhörer aufgrund des hohen Tempos kräftig durchgeschüttelt. Als kleine Anekdote am Rande bleibt noch zu vermelden, dass man ausgerechnet das Stichwort "Internet" in Gravenreuths "Computerrecht von A-Z" vergeblich sucht, obwohl es das "Netz der Netze" Ende 1992 schon seit fast einem Vierteljahrhundert gab.
Ich machte mich nach dem Ende der Gravenreuth-Show jedenfalls wieder auf den Weg nach Neuigkeiten und Sensationen aus der Amiga-Welt - und traf dabei schon fast zwangsläufig auf Sebastian Brylka, den inzwischen in (freien) Diensten der "amigaOS" stehenden Mann hinter der "FunTime" (World). Obwohl er offensichtlich in der Nacht zuvor kaum geschlafen und dementsprechend hundemüde war, haben wir uns gemeinsam nochmal die wichtigsten Stände angesehen und uns (mal wieder) ausführlich unterhalten, wobei Sebastian erfreulicherweise zu der Gruppe der Amiga-Anwender gehört, deren Horizont nicht am Rande der Workbench endet. Bevor sich unsere Wege wieder trennten, versuchte Sebastian natürlich noch, mich zum Kauf der (von ihm betreuten) "amigaOS"-CD-ROMs zu überreden, scheiterte aber auf ganzer Linie (leider konnte ich nicht gegenhalten, da mir der Verkauf der wenigen vielleicht noch vorhandenen "1990"-Amiga-Versionen finanziell nichts mehr einbringt). Lediglich zum Erwerb einer neue Ausgabe der "amigaOS" konnte ich mich durchringen, die es zum nur leicht ermäßigten Messepreis, dafür aber "mit 40&37; mehr Auflage" gab. Ob das nach Gravenreuthschem Sprachverständnis mit "40% mehr Rücklauf" gleichzusetzen ist ? (Oder, wahrscheinlicher, noch mehr, wenn man davon ausgeht, dass die Nachfrage nach der "amigaOS" bereits durch das bisherige Angebot überproportional abgedeckt wurde.) Jedenfalls führte einem das November-Heft wieder einmal zwei ungern zur Kenntnis genommene Tatsachen vor Augen. Zum einen konnten sich die hohen Erwartungen, die man vor einem Jahr noch in das vielversprechend gestartete Zeitschriftenprojekt gesetzt hatte, nicht erfüllen. Statt dessen darf Chefredakteur Thomas Raukamp nun in bester Amiga-Evangelisten-Manier im Editorial ungestraft behaupten, der Amiga sei "ein den heutigen Ansprüchen nach wie vor genügendes Rechnersystem", oder davon schwadronieren, die "Innovation Amiga" werde "den Amiga noch weit ins nächste Jahrtausend tragen". Aua. Und zum anderen gaukelt einem das eben diesem Editorial beigefügte Foto des Chefredakteurs einen Thomas Raukamp vor, der mit dem auf der HEW in freier Wildbahn zu besichtigenden nicht viel gemeinsam hat. Die langen Haare sind ab, bzw. nur noch halblang. Ob dieses unverzeihlichen Frevels musste ich mich in Köln abwenden und bitterlich weinen.
Eine ähnliche Reaktion provozierte bedauerlicherweise auch das Konkurrenzprodukt aus dem ICP-Verlag. Doch war bei der "Amiga Plus" keine Diskrepanz zwischen dem Foto des Chefredakteurs und seinem wahren Äußeren für diese Reaktion verantwortlich, sondern allzu oft ein wenig begeisternder Inhalt, der gelegentlich den Eindruck erweckte, als wäre der der "Plus" zufließende Werbeetat die primäre Determinante für die Bestimmung der Testergebnisse. In der jüngsten Vergangenheit kursierten denn auch immer wieder Gerüchte über eine mögliche Einstellung der "Plus", selbst eine Übernahme durch ehemalige Redaktionsmitglieder der inzwischen von der "amigaOS" assimilierten "Amiga Fever" wurde kolpotiert, aber dann doch nicht realisiert. (Wer hat da "Zum Glück !" gerufen ?) Jedenfalls befand sich die "Amiga Plus" 1999 in einer selten prekären Situation - und konnte prompt auch zum ersten Mal nicht als Mitveranstalter der Messe auftreten. Statt dessen hatte es nur für einen Stand am äußersten Hallenrand direkt neben der Kölner APC&TCP-Dependance gereicht. Und Gerhard Bauer bewies Nehmerqualitäten. Anstatt dem Ganzen fernzubleiben, machte der "Plus"-Chefredakteur gute Miene zum bösen Spiel und verkaufte an vorderster Front "Amiga Plus"-CD-ROMs, Amiga-Kaffeetassen und natürlich auch die neueste (Dezember-) Ausgabe seines Magazins, von dem ich ein Exemplar zum ermäßigten Messepreis von 8 DM erstand. Zwar war auch diesmal die beigefügte Diskette so überflüssig wie AmigaOS 3.5, äh, wie ein Kropf, doch inhaltlich hatte ich schon (viel zu) viele weitaus schlechtere "Plus"-Ausgaben gesehen. Mit einer interessanten Mischung aus (allerdings nach wie vor viel zu positiven) Testberichten, Hintergrundartikeln und Workshops schien die "Plus" das tiefe Tal der Tränen langsam durchschritten zu haben. Es blieb natürlich das ungute Gefühl, dass es dafür eventuell schon zu spät sein könnte. Auf die Spekulationen um eine mögliche Einstellung der "Plus" oder einen Abschied ihres Chefredakteurs angesprochen, tat Gerhard Bauer diese als altbekannte Gerüchte ohne Substanz ab. "Die Plus", so sein im kämpferischen Ton eines kurz vor der Entlassung seines Trainers stehenden Fussballmanagers vorgebrachtes Statement, "wird es noch sehr lange geben." Ein verzweifelt um Optimismus bemühter Gerhard Bauer vor einem Stapel "Amiga Plus"-Zeitschriften, eingerahmt von Amiga-Kaffeetassen an einem ansonsten vor Kargheit schon beinahe klinisch sterilen Stand mit direktem Blick auf den Eingang des gegenüber der Messehalle abgeschirmten Schmuddel-Standes eines Anbieters von Erotik-Software - ein beinahe schon Mitleid erregendes Bild. (Besucher des gegenüberliegenden Standes mögen allerdings von Erregungen anderer Art berichten.)
Ein altbewährtes Patentmittel gegen Depressionen und Frustrationen ist ja bekanntlich das neudeutsch "Shoppen" genannte irrationale Einkaufen. Und so griff denn auch ich nach diesem Erlebnis zur Brieftasche (ja, meiner eigenen) und erstand den "Director's Cut" der Echtzeitsimulation "Foundation", der nach dem unrühmlichen Abgang der früheren "Foundation"-Distributoren unlängst bei Epic Marketing erschienen war. Für 45 DM ist die von Paul Burkey überarbeitete und fehlerbereinigte "Foundation"-Neufassung ein echtes Schnäppchen, auch wenn die CD sehr nach Eigenbau-Produktion aussieht (was aber angeblich auf Schwierigkeiten mit dem CD-Presswerk zurückzuführen war). Nachdem ich in den Vorjahren stets vergessen hatte, meine "Turbo Print"-Originaldisketten mitzubringen, und von daher nie in den Genuss eines Messeupdates auf die praktisch zu jeder Messe erschienene neue Programmversion gekommen war, hatte ich diesmal an alles gedacht und nicht nur die gesamte "Turbo Print Professional"-Version 5 dabei, sondern überdies auch meine "Voyager NG"-Originaldiskette, in der Hoffnung, auf der Messe würde an irgendeinem Stand vielleicht das Update auf die erheblich überarbeitete neue Version 3 erhältlich sein und mir somit der unbeschränkte Zugriff auf einen Browser mit Javascript- und Shockwave-Unterstützung eröffnet werden. Doch weder von den "Turbo Print"-Machern IrseeSoft noch von Oliver Wagners Firma Vaporware war auf dieser Messe etwas zu sehen. (Dass man Irseesoft-Updates am COOL bits-Stand erwerben konnte, habe ich erst später erfahren. Wieder einmal vom Leben bestraft worden...) Statt dessen gab es bei RBM unerwarteterweise die Möglichkeit, ein Update auf eine neue "Scan Quix"-Version zu erwerben. Es ist wohl überflüssig zu erwähnen, welches Original ich zu Hause gelassen hatte. Doch andererseits hätte ich wohl ohnehin deutlich über 50 DM ausgegeben, um in den Genuss der Neuerungen gegenüber Version 4 zu kommen, die vor allem eine Unterstützung des ICS-Farbmanagement-Systems, eine automatische Platzierung des Auswahlrahmens um das zu scannende Objekt und weitere eher Details betreffende Verbesserungen umfassen. Interessanter waren da schon einige andere Neuvorstellungen, die es am Stand des "Scan Quix"-Distributors rbm digitaltechnik zu sehen gab. Zwar warf der "AmstroNG", ein Gerät, welches den (zeitlich allerdings eng begrenzten) Weiterbetrieb eines Amigas im Falle eines Stromausfalles sicherstellen soll, vor allem die Frage auf, an welche Zielgruppe sich ein solches Produkt richtet. Und auch der "Quaddddroport", der wirklich so heißt und aus dem Uhrenport eines A1200 deren vier macht, dürfte nur von wenigen wirklich gebraucht werden und vor allem Hochachtung ob der dahinter steckenden ingenieurtechnischen Leistung verdienen. Die wirklich faszinierende Neuvorstellung bei rbm stammte von "UltraConv"-Programmierer Felix Schwarz, dem es nicht nur gelungen ist, eine Produktankündigung zeitplangemäß Wirklichkeit werden zu lassen, sondern dessen "fxPaint" dem ersten Augenschein zufolge darüber hinaus auch in der Lage sein könnte, als Erbe von "Deluxe Paint" und "Scala" das künftige Referenzprodukt für den Amiga zu werden (was nicht heißen soll, dass seine Funktionalität und sein Einsatzbereich denen der beiden genannten Softwarepakete entspricht). Obwohl sein Name zunächst anderes verspricht, ist "fxPaint" doch eher ein Bildbearbeitungs- als ein bloßes Malprogramm. Die Geschwindigkeit, mit der hier unzählige Effekte ausgeführt, Alpha-Kanal-Manipulationen und sonstige spektakuläre Modifikationen ausgeführt werden, ist beeindruckend - und soll auch auf einem nicht vor PowerPC-Kraft strotzendem Amiga noch außergewöhnlich hoch sein. Selbst obskure Systemerweiterungen, wie AmigaOS 3.5, werden unterstützt. Nicht minder reizvoll als die Fähigkeiten von "fxPaint" ist im übrigen sein Preis, der noch nicht einmal die Hälfte des 300 DM teuren Konkurrenten "Art Effect" beträgt und dessen Distributor Haage & Partner dementsprechend ziemlich alt aussehen läßt. Wenn nichts dazwischen kommt, folgt im nächsten "Gadget" ein ausführlicher Testbericht, in dem auch die qualitativen Unterschiede der beiden Opponenten näher beleuchtet werden.
Doch in Köln wandte ich mich nun erstmal anderen Dingen zu. Natürlich war es an der Zeit, dem Amiga-Stand endlich erhöhte Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Da erst wenige Wochen vor Messebeginn mit der Auslieferung des Betriebsystemupdates AmigaOS 3.5 begonnen wurde, hätte man eigentlich damit gerechnet gehabt, dass dieses Produkt nach der Einstellung der Pläne für einen selbst produzierten AmigaMCC zentrales Thema am Amiga-Messestand sein würde. Doch bis auf einige Vorführgeräte, an denen man vor allem die neuen bunten Icons bewundern konnte, hielt sich die Tyschtschenko-Truppe bei der Präsentation des Updates sehr zurück. Statt dessen beherrschte, von einigen Rechnerplätzen, von denen aus man mit Unterstützung des lokalen Telekommunikationsanbieters netcologne die, Vorsicht: Ironie, nachgerade sensationellen Internetfähigkeiten des Amigas auf der Datenautobahn ausprobieren konnte, die Vergangenheit den Messestand - die Aufreihung früherer Amiga-Modelle erinnerte allerdings stark an eine Freakshow. Interessanterweise hatte man nicht nur die tatsächlich verkauften Amiga-Rechner in den Glasvitrinen zur Schau gestellt. Auch Designstudien wie der viel geschmähte "Walker" und selbst das mysteriöse "WonderTV", ein in China entwickeltes MPEG-Video-Abspielgerät im Heimelektronikdesign und auf Amiga-Basis, welches dann aufgrund von Lizenzstreitigkeiten niemals in Serie ging, weckten nostalgische Erinnerungen, wenngleich in diesen die Firma Amiga (oder wer auch immer zum Zeitpunkt der jeweiligen Fehlentscheidung gerade die Entscheidungsgewalt inne hatte) auch nicht immer die allerbeste Figur machte. Der einzige Blick in die Zukunft wurde wohl nur wenigen aufmerksamen Besuchern gewährt (unter denen ich mich natürlich nicht befand (ja, dieser Hinweis war überflüssig)). Mehreren gewöhnlich gut informierten Quellen zufolge hatten Amiga und ihre linke Hand, Haage & Partner, einen PowerPC-Rechner auf dem inzwischen von IBM sehr großzügig lizenzierten "CHRP"-Plattform-Standard herumstehen. Man ist also wieder da, wo phase 5 und Konsorten schon vor über zwei Jahren hinwollten. Doch statt offensiv einen Aufbruch in eine bessere Zukunft abzufeieren bewies man bei Amiga in diesem Jahr ungewohnte Bescheidenheit und beschränkte sich weitgehend auf das, was man auch in der Vergangenheit bis zum Erbrechen gemacht hatte - man verkaufte diverse Merchandising-Artikel, wobei das Sortiment diesmal auch die Amiga-Cola (bei der es sich dem Herstelleraufdruck zufolge nicht um eine der beiden weltmarktführenden schwarzen Brausen, sondern um das Produkt eines kleinen deutschen Herstellers handelt), Amiga-Wasserbälle und, zur Abschreckung etwaiger realer Freundinnen, auch Amiga-Unterhosen umfasste. Es gab ja schon immer sarkastische Mitmenschen, die den Amiga für ein groß angelegtes psychologisches Forschungsprojekt hielten.
Ungebrochen war jedenfalls das Engagement der meisten Unteraussteller, wenngleich (oder weil ?) hier der interessanteste Beitrag nicht aus deutschen Landen stammte. Eine neue Amiga-Zeitschrift schickt sich an, das mit der Einstellung der "CU Amiga" entstandene, auch von so manchem deutschen Amiga-Anwender bedauerte Amiga-Vakuum auf dem britischen Zeitschriftenmarkt wieder aufzufüllen. Zwar ist die Zeitschrift das erste Projekt des jungen und finanziell nicht allzu üppig ausgestatteten Verlages Pinprint, dafür, dass die "AmigActive" keine Totgeburt wie die bei der Vorjahres-Messe vorgestellte "Amiga Fever" wird, sollte jedoch - von der fehlenden Konkurrenz auf dem britischen Zeitschriftenmarkt einmal abgesehen - die Redakteursmannschaft sorgen, die zu einem Großteil aus erfahrenen Autoren inzwischen eingestellter Print- und Online-Publikationen besteht, mit Andrew Korn von der "CU" und "Amiga Report"-Mastermind Jason Compton als (zumindest halbwegs) prominenten Aushängeschildern. In Köln konnte man die beiden Erstausgaben zu einem besonderen Messepreis erwerben - und dürfte das nicht bereut haben. Denn auch wenn die "AmigActive" in punkto Layout nahtos an die grell-bunten Unsitten der "CU Amiga" anknüpft, führt das neue Magazin doch auch inhaltlich deren Traditionen fort. Durch die Bank hinweg sehr fundiert geschriebene Artikel, die ein breites Themenspektrum abdecken, dürften auch mit britischer Zurückhaltung gesegnete Gemüter erfreuen und die Macher der deutschsprachigen Amiga-Printpublikationen beschämen. Das mit einer sorgfältig zusammengestellten (Free-/Shareware-)CD-ROM ausgelieferte, monatlich erscheinende Heft kann man auch außerhalb des Vereinigten Königreiches abonnieren - und zwar für allerdings nicht ganz unerhebliche 72 britische Pfund pro Jahr. Wer es mehr mit Sparschweinen, Schwaben und sozialdemokratischen Finanzministern hält, wird an einem anderen Produkt, welches ebenfalls von einem Amiga-Unteraussteller präsentiert wurde, wohl mehr Freude haben. Das Amiga Zentrum Thüringen (AZT) e. V. stellte wieder einmal Linux APUS vor, jene Linux-Version, die den PowerPC einer Amiga-PowerPC-Karte als primären Prozessor nutzt. Das ist zwar eine nette Idee und ermöglicht den Einsatz auch ressourcenhungriger Linux-Applikationen wie "Netscape" oder "GIMP" ohne allzu drastisch erhöhte Nervenzusammenbruchsgefahr, eine ganz andere Frage ist hingegen, ob es sinnvoll ist, sich für viele tausend Mark einen HighEnd-Amiga zusammenzubasteln, um dann mit Linux zur selben Funktionalität zu gelangen, die man auch auf einem Aldi-PC haben kann. Der von mir entsprechend befragte AZT-Mitarbeiter war sich der Problematik offensichtlich bewusst. Nein, irgendwelche Vorteile gegenüber dem Einsatz eines x86-Linux sehe er auch nicht. Außer dass man seine Amiga-Hardware weiter verwenden könne. Diese begrenzte Sinnhaftigkeit tat jedoch dem Interesse an Linux APUS keinen Abbruch, die Rechner des AZT waren jedenfalls immer von einigen Schaulustigen umstellt, vermutlich auch, weil hier die Benutzeroberfläche mal etwas anderes versprach als den kindlich-naiven Charme der AmigaOS 3.5-"GlowIcons". Meistens verwaist war hingegen der Unterausstellerplatz der DAUG. Alles, was die Dachorganisation der Amiga-User-Gruppen zu bieten hatte, war denn auch nur mal wieder eine Ankündigung. Diesmal stellte man eine auf PowerPC-Software zugeschnittene CD-ROM in Aussicht, die es irgendwann einmal im Jahre 2000 geben soll. Aus dem 1998 mit viel Schaumschlägerei gestarteten DAUG-Adler, der Amiga vor sich her treiben wollte, ist, man ahnte es ja fast, nur ein weiteres Brathähnchen auf dem Grill an der Realität gescheiterter Initiativen geworden.
"Maybe we all are mad, but we like to dream. It's the Amiga way."
Nach wie vor recht gut im Geschäft ist jedoch ein Oldtimer des Amiga-Marktes, dessen wenig rühmliche Vergangenheit im PD-Markt heute praktisch vergessen ist. Statt dessen ist Stefan Ossowskis "Schatztruhe" eine der wenigen Firmen, die noch neue Produkte veröffentlicht, vertreibt und zumindest halbwegs professionell vermarktet. Und so geizte der Essener auch 1999 nicht mit Attraktionen, wobei natürlich in erster Linie die auf Datenträger gebannten zu nennen sind. Neben der unvermeidlichen neuesten Aminet-CD (Nummer 33) und dem allerdings nicht mehr ganz taufrischen Aminet-Set 8, dem Verkaufsschlager "DirOpus 5 Magellan II" (mitsamt "DOpus Plus CD") und unverzichtbaren Klassikern wie der Grafikkartentreibersoftware "CyberGraphX v4", der Netzwerksoftware "Envoy 3" oder der Tabellenkalkulation "TurboCalc 5" gab es auch einige Neuerscheinungen zu erwerben - vorneweg selbstverständlich das neue "AmigaOS 3.5", gefolgt von dem AFS-Nachfolger "PFS 3", einem leistungsfähigen Dateisystem, der neuesten Version 3.0 der hervorragenden Amiga-Emulator-CD-ROM "Amiga Forever" von Cloanto, dem NetBSD, Linux/68k und Linux APUS vereinigenden "Amiga Unix-Compendium" und der Astronomie-Software "Amiga Universe". Doch für den eigentlichen Glanz in Ossowskis Hütte sorgten auch 1999 wieder die anwesenden Größen aus der kleinen Amiga-Welt. So gehört Aminet-Erfinder und -Administrator Urban D. Müller schon quasi zum Inventar eines "Schatztruhe"-Standes in Köln, wenngleich er in diesem Jahr mehr damit beschäftigt zu sein schien, händchenhaltend mit seiner Freundin durch die Gänge zu streifen oder an ihr die Grundlektionen der Mund-zu-Mund-Bearbeitung zu trainieren. Mit Heinz Andreolla war es Ossowski aber auch gelungen, einen derjenigen für sich einzuspannen, die für die sichtbarsten Veränderungen am Amiga-Betriebssystemupdate verantwortlich zeichneten, was hier im wahrsten Sinne des Wortes zu verstehen ist. Denn der Schweizer Andreolla hatte in erheblichem Maße - zusammen mit seinem Partner Oliver Tacke - an den neuen Icons im "GlowIcons"-Stil mitgearbeitet. Klar, dass er auf seinem Vorführrechner denn auch in erster Linie die bunten isometrischen Bildchen präsentierte. Doch offensichtlich befanden sich auch noch ganz andere grafische Hochgenüsse auf seiner Festplatte. Denn als Andreolla für ein paar Minuten den Rechner verlassen hatte, ergriff ein Messebesucher die frei zugänglichen (und scheinbar der öffentlichen Verwendung gewidmeten) Eingabegeräte und förderte nach wenigen Mausklicks ein nicht wirklich jugendfreies Foto auf den 17-Zoll-Bildschirm, was bei dem in Panik aus dem Hintergrund heranhechtenden Andreolla nicht wirklich für Begeisterung sorgte und ihn zu leicht angesäuerten Bemerkungen über sein Recht auf Privatsphäre veranlasste, die aber niemand so recht verstehen konnte, da der Icon-Künstler tiefstes Schwyzerdütsch spricht. Das durften dann auch zwei jugendliche Amiga-Freunde feststellen, die sich von Andreollas einfallsreich und halbwegs stilvoll lackierten Tower begeistert zeigten und versuchten, die verschließbare Frontabdeckung zu öffnen. "Drüöckchn", krähte ihnen der Schweizer entgegen, "drüöckchn", mit offenkundig geringem Erfolg, da die beiden dennoch versuchten, die Abdeckung durch mehr oder minder vorsichtiges Ziehen zu öffnen. "Drüüüüüüööckcccchhhhn !" Doch da war es schon zu spät und den beiden Jugendlichen mit roher Gewalt gelungen, die Klappe auch ziehenderweise zu öffnen. Das konnte Andreolla natürlich nicht auf sich beruhen lassen - und so schloss er die Klape gleich wieder, um die korrekte Vorgehensweise zu demonstrieren, was dann auch schon beim siebten Drück-Versuch gelang.
Der wohl interessanteste "Gaststar" oder "Stargast" Ossowskis war aber in diesem Jahr wohl Greg Perry - und das nicht nur, weil den Programmierer des Dateimanagers "DirOpus Magellan II" ein Doktortitel schmückt, sondern auch aufgrund der großen Entfernung, die der Australier für seine Anwesenheit bei dieser Messe zurückgelegt hatte. Dementsprechend gefragt war der Programmierer, der als einer der wenigen im Amiga-Bereich mit "DirOpus" wohl nicht nur ein sehr professionelles, sondern vor allem auch durchaus profitables Produkt in seinem Portfolio hat. Und auch als ich jetzt eine Perry-Begegnung der dritten Art ins Auge fasste, war er schon von einem anderen Messebesucher in Beschlag genommen, so dass ich mich erstmal nur dazu stellte, der Konversation lauschte und überlegte, woher ich den anderen Perry-Interessierten kannte. Nachdem ich das Gespräch über die neue Icon-Library in AmigaOS 3.5, Programmierfehler und die Anpassung von "DirOpus" an das Betriebssystemupdate ein wenig verfolgt hatte, fiel es mir wie Schuppen aus den Haaren. Der immer wieder leicht nervös mit seiner Brille spielende rucksacktragende Zeitgenosse war natürlich kein Geringerer als Olaf "Olsen" Barthel, einer der aktivsten und genialsten Programmierer der Amiga-Szene, der auch zentrale Funktionen des renovierten AmigaOS implementiert hatte. Und natürlich konnte ich nicht an mich halten und musste mich in das Fachgespräch der beiden einmischen, mit der ketzerischen Aussage, dass man gelegentlich einen Programmfehler hinnehmen und unausgemerzt lassen muss, um die Veröffentlichung eines Produktes nicht allzu sehr zu verzögern, was gerade auf sterbenden Märkte wie dem Amiga-Sektor fatale Folgen haben könnte. Und wieder einmal kam mir die Erkenntnis zu Gute, dass Blicke nicht töten können, da ich sonst Messehalle 11.2 nicht lebend verlasen hätte. Sowohl "Olsen" als auch Greg Perry widersprachen energisch. Das sei ja eine inakzeptable Philosophie. Und wenn ich Wochen gebraucht hätte, um allerletzte Byte-Reads aufzuspüren, dann sei das mein Verschulden gewesen. Bei modularer Programmierung könne das nicht passieren. Höchstens dreieinhalb Stunden, meinte Olaf Barthel, habe er gebraucht, um Bugs zu "tracken", die man ihm im Rahmen der Entwicklung des Betriebssystemupdates gemeldet habe. (Ob das die Versionsnummer 3.5 erklärt ?) So geschuriegelt beschränkte ich mich dann im Wesentlichen auf eine passive Rolle, was aber nicht minder interessant war, da sowohl Barthel als auch Perry aus dem "Nähkästchen" plauderten und sich u. a. über ihre Lieblingsprogrammfehler (natürlich ausschließlich in Werken anderer Programmierer) austauschten.
Nach diesem Einblick in die Amiga-Gegenwart wandte ich mich nun mal wieder der Vergangenheit des Rechners zu. Eine wichtige Rolle für den Amiga spielte vor gar nicht allzu langer Zeit noch die Firma MacroSystem, die nicht nur mit der "Toccata" den Klassiker unter den Amiga-Soundkarten gebaut hatte, sondern deren semiprofessionelles Grafikrechnersystem "Draco" auch der erste Amiga-Clone überhaupt war. (Die letzten Dracos wurden übrigens mit diversen Videospielereien versehen von einem MacroSystem-Vertriebspartner in Köln für unter 4000 DM verkauft, was einem Kenner der Materie zufolge ein durchaus günstiger Preis gewesen sein soll.) Inzwischen hat die GmbH aus Wetter den Absprung geschafft und produziert nun erfolgreiche Stand-Alone-Systeme für die Grafiknachbearbeitung. In dem äußerlich wie ein Videorekorder wirkenden "Casablanca"-Komplettsystem verrichtet, trotz der verblüffenden Ähnlichkeit des Systemzeichensatzes der "Casablanca" mit dem guten alten Amiga-"Topaz" mittlerweile ein Intel Pentium mit MMX-Technologie seine Arbeit. Das ermöglicht wohl auch erst den verhältnismäßig geringen Preis von 2800 DM für das Einsteigersystem Casablanca Avio (mit 20 GByte großer Festplatte). Mit diesem ist auch Computerlaien die beinahe schon semiprofessionelle nichtlineare Videonachbearbeitung möglich, zumal das System bereits von Hause aus zahlreiche interessante Bearbeitungseffekte mitbringt. Doch so richtig leistungsfähig wurde die Kiste, für die sich scheinbar vor allem Messebesucher in gesetzterem Alter interessierten, erst mit einer Erweiterung, die von den MacroSystem-Mitarbeitern als wohl jüngste Ergänzung des Casablanca-Systems voller Stolz präsentiert wurde. Schon der Name kam mir seltsam bekannt vor, doch erst als ich die auf Alpha-Masken basierenden 3D-Grafiken sah, wurde die Ahnung zur Gewissheit - offensichtlich erschließt sich im Kielwasser von MacroSystem auch die Softwareschmiede MotionStudios neue Märkte abseits des Amigas. Denn die "Candy Effects" sind nichts anderes als eine Casablanca-Variante der von Titan Computer vertriebenen 3D-Effekt-Software "Candy Factory (Pro)". Doch während die Amiga-Version für unter 100 DM zu haben ist, müssen Casablanca-Nutzer stolze 298 DM hinlegen, um in den Genuss des "Power-Effekt(es) für coole Videos" zu kommen. Bleibt nur zu hoffen, dass die offensichtliche Attraktivität des Videonachbearbeitungs-Marktes nun nicht auch noch die Abkehr der "Candy Factory"-Macher vom Amiga nach sich zieht. Denn geschehen ist dies bereits in nicht allzu ferner Vergangenheit mit einer noch weitaus bedeutenderen Amiga-Firma. proDAD, die sich um Grafik-Software für den Amiga mit Klassikern wie dem "Monument Titler", "Cavin" oder "ClariSSA" verdient gemacht haben, kehrten dem Amiga vor etwa zwei Jahren den Rücken und konzentrieren sich heute auf eben die Märkte, die auch MacroSystem bedient. Neben Schulungsvideos, die mit fragwürdigen Sprüchen "als optimale Ergänzung zum Bestseller von Walter Friedhuber `Eine Nacht mit Casablanca'" auf nicht minder fragwüdrig layouteten Flugblättern beworben werden, konnte der interessierte Messebesucher auch einen alten Bekannten im Angebot der Immendinger Grafikspezialisten entdecken, den "Monument Titler Deluxe" - natürlich nur "für Casablanca". Durch den recht radikalen Schnitt mit der Amiga-Vergangenheit war damals auch das wohl ehrgeizigste proDAD-Projekt dem Vergessen anheim gefallen. Da das als Betriebssystem der nächsten Generation konzipierte und auf Portabilität angelegte "p-OS" aber schon in seiner Beta-Version einen recht vielversprechenden Eindruck gemacht hatte und heute ja ein gesteigerter Bedarf nach einem zukunftsfähigen Betriebssystem, welches das AmigaOS-Flair bewahrt, besteht, wurde schon gelegentlich der Hoffnung Ausdruck verliehen, dass proDAD ihr "p-OS" eventuell als ein letztes Geschenk an die Amiga-Gemeinde als Open-Source-Software freigeben könnten. Darauf von mir angesprochen meinte ein Standmitarbeiter, dass dies nicht passieren werde, da "p-OS" sehr viele interne Routinen enthalte, die auch heute noch in aktuellen proDAD-Projekten Verwendung fänden und daher der Konkurrenz nicht unbedingt auf dem silbernen Tablett präsentiert werden müssten. Bedauerlich, aber allemal nachvollziehbar.
Einen anderen Ansatz, um den Amiga in das einundzwanzigste Jahrhundert zu retten, verfolgt das von Aaron Digulla ins Leben gerufene AROS-Projekt. Der an der Konstanzer Universität ausgebildete Informatiker stellte in Köln die aktuelle Version der inzwischen in "Amiga Research Operating System" umgetauften AmigaOS-Nachprogrammierung auf einem Linux-PC vor. Viel mehr als ein paar Linien zeichnen kann das ganze zwar nach wie vor nicht, angeblich sind jedoch bereits über die Hälfte der Exec- und Intuition-Routinen unter Wahrung voller API-Kompatibilität zum Original fertiggestellt. Auf die Frage, wie lange man denn wohl noch bis zu 100 Prozent brauche, zuckte Digulla resigniert mit den Schultern und stellte die Gretchenfrage: "Wir brauchen unbedingt noch Programmierer, die mitarbeiten. Du kennst nicht zufällig jemanden, der in Frage käme ?". Eins muss man ihm lassen - das ist eine elegante Methode, um ein Gespräch recht schnell zu beenden. Dafür gab es am Stand des "Amiga Club im BTX & Internet", an welchem eben auch AROS zu finden war, noch einiges andere zu sehen, wobei ein selbstgebauter Amiga-Laptop von Volker Mohr wohl das spektakulärste Ausstellungsstück gewesen sein dürfte. Zwar ist das gute Stück alles andere extradünn (und mit ungefähr fünf Kilo wohl auch nicht allzu leicht), dafür verrichtete ein echter Amiga mit VGA-Grafik in dem abenteuerlich zusammengestellten Gerät seinen Dienst - ein imposantes Beispiel der Heimwerker-Fähigkeiten eines bastelfreudigen Amiga-Anwenders, auch wenn man sich natürlich ein echtes, in Serie produziertes Amiga-Laptop noch sehentlicher wünschen würde. Aber für solche Dinge sind natürlich, leider, andere zuständig.
Mein letzter großer Erkundungsfeldzug (in Wirklichkeit war ich vorher schon einmal längere Zeit dort gewesen - das sei nur aus rein dramaturgischen Gründen zu einer einzigen Stippvisite zusammengefasst) des Messe-Freitages führte mich nun zu Haage & Partner, einer Firma, die seit der Betrauung mit der Weiterentwicklung des Amiga-Betriebssystems leider inzwischen endgültig für zu viele Dinge im Amiga-Sektor zuständig ist. Denn die Mannen von Haage und seinem geheimnisvollen Partner arbeiteten schon vorher an so vielen Projekten, dass darunter die Sorgfalt der Umsetzung bisweilen gelitten hat. Nicht ohne Grund übersetzten schließlich nicht nur gewohnheitsmäßig gehässige Zeitgenossen das Firmenkürzel "H&P" am liebsten mit "Hack & Patch". Hinzu kommt die nach wie vor nicht vergessene Privatfehde, die sich Haage & Partner überflüssigerweise mit einem der wenigen noch ernstzunehmenden Amiga-Hardware-Hersteller, der Oberurseler Firma phase 5, lieferten, welche nicht unerheblich die Verbreitung der PowerPC-Technologie auf dem Amiga behinderte. Dass diese zweifelsohne dank ihrer Applikationen zweifelsohne verdienstvolle Firma nun auch offiziell für die Weiterentwicklung des Amiga-Betriebssystems zuständig ist, ist daher durchaus nicht unkritisch. Und die Tatsache, dass AmigaOS 3.5 dann tatsächlich diverse H&P-Lösungen als offiziellen Standard implementierte (z. B. den PPC-Kernel "WarpUp"), war nicht unbedingt geeignet, diese Befürchtungen zu zerstreuen. Man stelle sich nur vor, auf dem Wintel-Markt würde ein- und diesselbe Firma zugleich marktführende Applikationen und das Betriebssystem selbst produzieren. Äh. Hm. Ich ziehe diese Vorstellung zurück. Jedenfalls zeigte man trotz AmigaOS 3.5-Beteiligung mit der gesamten Produktpalette in Köln die Firmenflagge und hatte auch erneut zahlreiche Programmierer selbst zur Produktpräsentation zwangsverpflichtet. Mein erster Blick galt natürlich der mit großen Versprechungen angekündigten und dann mit zahlreichen Enttäuschungen auf dem harten Boden der Realität aufgeschlagenen Textverarbeitung "AmigaWriter" (Rezension in "AmigaGadget"#37). Nachdem man eine bessere Betaversion als Version 1 verkauft und den Käufer zugleich mit der Möglichkeit eines kostenlosen Updates auf Version 2 beschwichtigt hatte, war nun schon seit Monaten nichts mehr in Sachen Weiterentwicklung passiert, geschweige denn, dass sich Version 2 an einem auch noch so fernen Horizont abgezeichnet hätte. Da der mit wesentlichen Teilen der Programmierung betraute Jochen Becher auch für die Arbeit an AmigaOS 3.5 eingespannt war, ist das nicht weiter verwunderlich. Man hofft bei Haage & Partner aber hoffentlich nicht, dass die "AmigaWriter"-Kunden deswegen vor Begeisterung in die Hände klatschen und Luftsprünge vollführen (am besten noch gleichzeitig). Wie im Vorjahr erklärfreudig und äußerst jovial gestand Becher dann auch gleich ein, dass die Entwicklung der Textverarbeitung zuletzt nur suboptimal vorangekommen sei. Und, ja, die Fußnotenverwaltung bei Dokumenten über 20 Seiten sei wirklich unbenutzbar und immer für Systemabstürze gut. Wann und wie sich das alles bessern würde, konnte er dann aber auch nicht sagen, obwohl man natürlich tolle Pläne für die Zukunft habe. (Durchaus glaubhaften Gerüchten zufolge arbeiten Haage & Partner bereits an einer nativen PowerPC-Version des AmigaOS, so dass man sich ausrechnen kann, wo die Firma ihre Ressourcen konzentriert und wann der Kunde über einen praxistauglichen "AmigaWriter" verfügen wird.) Noch beeindruckender war aber ein anderes Softwareprodukt aus dem Hause H&P, welches im Vorfeld ob der zu erwartenden Neuerungen bereits groß angepriesen worden war. Doch leider war die 4.0-Vorführversion von "PageStream" nicht in der Lage, PDF-Dateien zu exportieren, bzw., das sei der Ehrlichkeit halber erwähnt, dergestalt zu exportieren, dass die erstellte PDF-Datei nicht unabhängig von der Quelle stets gerade mal 10 Bytes groß war. Wer das bereits für eine beeindruckende Leistung moderner Komprimierungstechnik aus dem Hause Haage & Partner hielt, wird über die Möglichkeit, auch HTML-Dateien direkt aus "PageStream" 4.0 abzuspeichern, so richtig aus dem Häuschen geraten. Diese Dateien waren in Köln nämlich noch jeweils exakt 0 Bytes groß. Wären da nicht die tatsächlich fertiggestellte Version 4 der Fax- und Anrufbeantwortersoftware "ST Fax Professional" und die Developer-CD-ROM 2.1 gewesen, auf der sich neben den Entwicklerunterlagen für AmigaOS 3.5 u. a. auch eine Light-Version des C-Compilers "StormC" (von welcher Firma dieser stammt, darf gerne geraten werden - nur soviel: ihre Initialien sind ein H und ein P) befindet, hätte man meinen können, dass es 1999 doch Vapor-Ware in Köln gab. Wenngleich es sich dabei nicht unbedingt um die gleichnamige Firma von Oliver Wagner gehandelt hätte.
Der Messe-Freitag war für mich damit zu Ende - und eigentlich hatte ich auch von der HEW '99 bereits die Schnauze voll. Während ich auf der Rückfahrt nach Bonn (in einer überfüllten Regionalbahn) die zwei trendigen Berufsjugendlichen, die mir gegenüber saßen, dabei beobachtete, wie sie ihren jeweiligen Freundinnen und/oder Freunden Nachrichten auf winzig kleinen Handy-Tastaturen schrieben, spielte ich mit dem Gedanken, mir einen zweiten Besuch der Messehalle 11.2 zu sparen. Dass ich am Sonntag dann aber dennoch ein zweites Mal gefahren bin, ist der Progressive Metal-Band "Dream Theater" zu verdanken, die am Abend im Kölner "Palladium" auftrat. Da die Eintrittskarte zur HOME electronics world gleichzeitig als Tageskarte im VRS-Verkehrsverbund galt, kam der Erwerb (und die entsprechende Verwendung) einer solchen Karte im Vorverkauf preisgünstiger als es Hin- und Rückfahrt zum VRS-Tarif gewesen wären. Es gab sicherlich schon schlechtere Gründe, sich eine Amiga-Messe anzutun. Und ich sollte die Entscheidung nicht bereuen, da der Messe-Sonntag weitaus interessanter wurde als der Freitag. Zwar war in der Halle selbst etwas mehr los als noch am Freitag, richtig begeisternd war der Publikumszuspruch jedoch nach wie vor nicht. Das sei aber, ließ ich mir sagen, am Samstag ganz anders gewesen. Da wurde wohl eine an alte Zeiten erinnernde Besucherzahl pro Quadratmeter Gang gemessen. (Und erneut gratulierte ich mir selbst zu meiner offensichtlich ganz hervorragenden Entscheidung, auf den Messe-Samstag verzichtet zu haben.) Doch noch weitaus interessanter waren andere Nachrichten, die mir zu Ohren kamen. Zwar hatte sich das Gerücht, eine Investorengruppe um Bill McEwen wolle Gateway den Amiga noch während der Messe abkaufen, ein entsprechendes offizielles Statement sei bereits formuliert, als falsch erwiesen (wenngleich McEwen möglicherweise wirklich in Verhandlungen mit Gateway steht). Doch dafür war eine andere bereits am Freitag "unter dreien" vorausgesagte "Acquisition", wie die Übernahme eines Unternehmens durch ein anderes auf Neudeutsch so hübsch heißt, erfolgreich gewesen. Am Samstag wurde über die Zukunft der "Amiga Plus" entschieden, mit dem Ergebnis, dass die Zeitschrift keine hat. Statt dessen wird sie, wie schon zuvor die "Amiga Fever", mitsamt Abonnentenbestand in die "amigaOS" integriert werden, wobei, das wurde jedoch erst nach der Messe bekannt, diese dabei ihren Namen ablegen und den traditionsreicheren Titel der übernommenen Zeitung fortführen wird. Mit anderen Worten: Ab Februar 2000 wird es eine Zeitschrift namens "amigaOS" nicht mehr geben. Statt dessen wird sich die Reaktionsmannschaft von "amigaOS"-Chefredakteur Thomas Raukamp in der "Amiga Plus" austoben, deren Aufmachung wohl auch noch einer erheblichen Überarbeitung unterzogen werden dürfte. Die "Amiga Future" und die CD-ROM-Reihe der "Plus" werden vom Falke-Verlag, der neben der "amigaOS" auch noch die "ST-Computer" herausgibt, weitergeführt werden. Offen bleibt nur eine Frage - wird dann auf dem Cover der neuen "Amiga Plus" das "Amiga Fever"-Logo (und eventuell auch noch das "amigaOS"-Logo) prangen ? Der bisherige "Amiga Plus"-Chefredakteur Gerhard Bauer, der sich in Zukunft wohl "neue Aufgaben suchen" darf, war jedenfalls schon in Richtung der Comdex verschwunden, der "Amiga Plus"-Stand vom Standnachbarn APC&TCP übernommen, welcher nun eine ganze Palette Dezember-Hefte der "Plus" sowie mehrere Kartons der Amiga-Developer-CD-ROM 1.2 (Stand: Frühjahr 1998) zu absoluten Niedrigstpreisen (5 DM pro Stück) verramschte. Dass sich der beinahe schon prophetische Titel des Dezember-Editorials der "Plus" so schnell bewahrheiten würde, hätte wohl auch dessen Verfasser, Gerhard Bauer, nicht erwartet. "Jetzt sind wir dran" - und weg.
Sehr präsent war hingegen natürlich der frisch gebackende Quasi-Monopolist auf dem Markt für deutschsprachige Amiga-Anwender-Printveröffentlichungen. Doch da in der Wirklichkeit auch nicht immer alles so läuft, wie es sich selbst ein Thomas Raukamp vorstellt, war die Ankündigung einer eigenen Amiga-Messe, welche der "amigaOS"-Chefredakteur im Vorjahr noch in Aussicht gestellt hatte, bis dato unerfüllt geblieben. (Von der Tatsache, dass der Auftritt als Unteraussteller des für die Systempolitik verantwortlichen Rechnerherstellers einem um die Vermeidung jeglichen Zweifels an kritischer Distanz bemühten publizistischen Medium nicht unbedingt gut zu Gesichte steht, einmal ganz abgesehen.) Grund genug für mich, einmal nachzufragen. Ja, so die Auskunft von höchster Stelle, die Idee habe man nicht aufgegeben. Im Gegenteil, angesichts der desolaten HEW-Premiere dürfe wohl viel für eine von jemand anderem veranstaltete, auf den Amiga-Markt zugeschnittene und beschränkte Veranstaltung sprechen - eine Feststellung, der zu widersprechen selbst ein gewohnheitsmäßiger Advocatus Diaboli (wie ich) sich nicht erdreistete. Genaueres könne man jedoch noch nicht sagen, zunächst einmal müsse man sich mit den Händlern unterhalten. Bevor es ihm gelang, sich auch noch das "Gadget" unter den Nagel zu reißen (die Behauptung, ich hätte im Gegenteil verzweifelt versucht, ihn zur Übernahme des vorgenannten Magazines zu überreden, sind genauso schamlos und infam wie Berichte, denenzufolge ich zur Untermauerung dieses Wunsches vor dem großen Vorsitzenden, äh, Thomas Raukamp auf die Knie gefallen sei), verabschiedete ich mich dann auch schon wieder vom frisch gebackenen Citizen Kane der deutschen Amiga-Zeitschriftenwelt und stattete dem nahe gelegenen "Epic"-Stand einen erneuten Besuch ab. Nachdem noch vor zwei Jahren an diesem Stand fast ausschließlich Gastarbeiter sowohl aus dem britischen Mutterland der Softwarefirma als auch aus dem benachbarten (und inzwischen ja auch befreundeten) Ausland anzutreffen waren, beschloss ich, mich zur Durchführung des Erstkontaktes der Weltsprache Englisch zu bedienen. Und als der schwarzbezopfte Standmitarbeiter auf meine mit distinguiertem Manchester-Dialekt vorgetragene Frage "Speak German ?", die in ihrer schlichten Eleganz jedem "native speaker" ein höhnisches Grinsen, bzw. stumme Bewunderung abgenötigt hätte, mit einem "Ei, freilisch." antwortete, wusste ich, dass ich das alltägliche Fettnäpfchen in Schwarze, respektive Gelblich Schimmernde getroffen hatte. Oder zumindest eines der vielen Fettnäpfchen und -näpfe. Das nachfolgende Gespräch wurde dann weitaus erfreulicher für mich, wenngleich eher auf die Menge der erhaltenen Informationen denn als auf ihren Inhalt bezogen. Denn eine mögliche Fortsetzung des satirischen Grafikadventures "Sixth Sense Investigations" wurde vorerst auf Eis gelegt. Und auch bezüglich anderer Epic-Projekte klang der gute Mann eher zurückhaltend, wenngleich er voller Stolz darauf hinwies, dass Paolo Cattani, der Programmierer der noch recht frischen Rennsimulation "Virtual Grand Prix", so detailvernarrt ist, dass das Spiel beinahe realistischer als die Realität sei und jede noch so kleine Veränderung in der Streckenführung der einzelnen Parcourse von ihm postwendend in das Programm implementiert wurde. Recht angetan war er überdies von einer Aktion, die Epic erst zur HEW gestartet hatte. Unmittelbar vor Beginn der Messe hatte die Softwareschmiede nämlich die Erlaubnis zur Portierung des zweiten Teiles des Grafikadventures "Simon The Sorcerer" erhalten. Allerdings benötigte man zur Sicherstellung der Finanzierung der erforderlichen Lizenz 500 Vorbestellungen, von denen bis zum Zeitpunkt unseres Gespräches alleine in Köln jedoch bereits 150 erfolgt waren. Offensichtlich stört es echte Amiga-Fans nicht, dass die Fortsetzung des humoristischen Abenteuerspieles, dessen erster Teil auch auf dem Amiga ein großer Erfolg war, schon nicht mehr taufrisch ist und daher nicht unbedingt als neues Vorzeigeprodukt für die Renaissance des einstigen Spiele-Computers taugt.
In ganz andere Gefilde führte mich mein nächster Gang. Oder zumindest sollte er es. Denn da ich zurzeit beruflich viel mit Fragen der Satellitentechnik zu tun habe, war die Gelegenheit, sich mit den Fachleuten der anwesenden Firma Technisat zu unterhalten, allemal verlockend. Doch noch vor meiner ersten Frage, noch während des einleitenden Halbsatzes, "Technisat hat ja vermutlich vor allem mit geostationären Satelliten zu tun", gingen die Standmitarbeiterin und der von ihr gleich voller Panik zur Hilfe gerufene Kollege ersichtlich in den "Dummy-Modus". "Geo... was ?" Na ja, soviel zu diesem Thema. Nach dieser recht ernüchternden Erfahrung hielt ich mich dann doch lieber wieder an Bewährtes und statte Dr. Perry noch eine Heimsuchung ab. In Anknüpfung an meinen Lauschangriff vom Freitag unterhielten wir uns ein wenig über Programmiertechniken, den Amiga und die Zukunft der Kölner Messe, wobei der "Magellan"-Programmierer sich hier als Kassandra betätigte. Der Amiga-Markt habe wohl die zur lebenserhaltenden Kettenreaktion aus Hard- und Softwareproduktion und -konsum erforderliche kritische Masse unterschritten. Und er rechne auch nicht damit, die in den Vorjahren gepflegte Tradition, im November nach Deutschland zur Amiga-Messe zu kommen, fortsetzen zu können, was er bedauere, da er die Treffen mit Amiga-Anwendern und -Programmierern immer sehr genossen habe. Dass das Ende (zumindest der Messe) schon begonnen hatte, zeigte sich dann im übrigen vor allem in dem nicht vom Amiga okkupierten Teil der Messehalle. Ein Stand, an dem am Freitag noch eine Zeitschrift für den Heimvideowerker verkauft wurde, war am Sonntag bereits gänzlich verwaist. Und auch an so manchem anderen Messestand außerhalb des Amiga-Bereiches war die Motivation der Mitarbeiter sichtlich gering. Die existenzialistischen Selbstzweifel einer Standmitarbeiterin, welche in dem von mir aufgeschnappten Satz, "Was machen wir eigentlich noch hier ?" kulminierten, dürften hier kein seelischer Ausnahmezustand geblieben sein. Für ein wenig Messestimmung sorgte dann aber erfreulicherweise ein Aussteller in der Nähe des Halleneinganges, der am Freitag wohl noch nicht anwesend (oder aktiv) gewesen war (oder den ich schlichtweg übersehen, verdrängt, vergessen hatte). Auf einem ziemlich großen, in keiner Weise verzierten oder mit Firmenintarsien und ähnlichem versehenen Stand wurden dort zwar nur ein paar wenige verschiedene Peripheriegeräte angeboten. Die Drucker, Monitore und Scanner gab es dann aber gleich stapelweise und zu attraktiven Preisen, so dass die Messebesucher, die sich von der Befürchtung, das Sortiment könnte vielleicht "konkret vom Laster gefallen" sein, nicht abeschrecken ließen und ihre Geldbörse und den Lagerbestand entsprechend erleichterten, wie in alten Kölner Messe-Zeiten mit den frisch erworbenen Kartons durch die Gänge zogen.
An Amiga-spezifischen Konsumgütern interessierte Messebesucher hatten es da schwerer. Reine Verkaufsstände, bei denen also nicht selbst Hard- oder Software produzierende Firmen maus- oder federführend tätig waren, gab es praktisch überhaupt nicht. Lediglich das reichlich mitgenommen wirkende Team von Bühler-Electronic und vor allem der stets eifrig umherflitzende Martin Strobl mit seiner COOL bits-Mannschaft bekannten einigermaßen unverwüstlich noch (die rot-weiß karierte) Flagge. Die Entwickler waren also deutlich in der Überzahl - und unmittelbar neben dem "KALTE stücke"-Stand befand sich auch gleich wieder ein solcher. Jens Schönfelds Firma individual Computers stellte dort ihr neuestes Produkt, die "X-Surf" vor. Anders als die ebenfalls präsentierte Uhrenport-Hochgeschwindigkeits-Schnittstellenkarte "Silversurfer" war die "X-Surf", obwohl angeblich bereits in Produktion, noch Zukunftsmusik - wenngleich eine durchaus wohlklingende. Denn die Zorro-Karte soll einen Vollduplex-Ethernet-Betrieb mit Übertragungsraten bis zu 20 MBit ermöglichen (IEEE802.3, 10Base2 und 10Base-T). Und das zu einem allemal verlockenden Preis von 189 DM. Weitaus unklarer als die ausführlichen Informationen, die man zu den individual Computers-Produkten erhalten konnte, war in Köln der Stand der Dinge in Sachen G3-/G4-Prozessorkarte. Unter der Hand war zu erfahren, dass die phase 5-Lösung noch einige Zeit, eventuell sogar bis zum Frühjahr 2000, auf sich warten lassen würde. Sogar gänzlich ungesichert ist die Zukunft der als Gemeinschaftsproduktion von ACT Electronic und Titan Computer angekündigten "Twister"-Karte für den A1200. Während man bei Titan davon ausging, dass ACT das Interesse an dem Projekt völlig verloren habe und der "Twister" damit den Amiga-Markt nicht durchwirbeln dürfte, hielt man sich bei ACT selbst alle Optionen offen. Ja, zurzeit habe man das Projekt auf Eis gelegt. Je nachdem, wie sich der Amiga-Markt entwickele, könnte man sich jedoch dazu durchringen, es eventuell auch weiterzuführen. Eine Auskunft, die wohl nicht ohne Grund so klingt, als glaubte ihr Urheber selbst nicht mehr an die mitgeteilte Möglichkeit. Bei Titan Computer wollte man sich jedenfalls offensichtlich nicht auf die Wiederkehr des Wirbelsturms verlassen. Denn an dem Stand der Bremer Software-Hersteller gab es nicht nur die etwas konventionell wirkende neue Autorennsimulation "Joyride" und die neuesten Versionen der "Candy Factory", der "Fantastic Dreams" und des CD-Brennprogrammes "BurnIt!" zu besichtigen, sondern auch einen Prototypen der "amiJOE" - jener G3-/G4-Prozessorkarte, mit deren Ankündigung sich die früher unter dem Namen Pios AG bekannte Firma Met@box vor etwa einem halben Jahr spektakulär im Amiga-Markt zurückgemeldet hatte. Als erstes der insgesamt vier angekündigten Produkte, die den Amiga zu einem reinrassigen G3-/G4-Rechner machen sollen (wobei der 68k-Prozessor aber nicht bei jeder der geplanten Lösungen völlig überflüssig werden soll), lag von dem Amiga-Ableger der Mac-Beschleunigerkarte "joeCard" ein lauffähiger Prototyp vor. Zwar konnte man am Titan-Stand (auch wenn man Glück hatte) nur die Verpackung des für den Einsatz im A1200 konzipierten Prototypen bewundern. Claus Herrmann, der Kopf hinter dem "PowerOS"-Projekt, welches unter der Ägide von Titan ein natives Betriebssystem für PowerPC-Prozessoren unter enger Anlehnung an das "Look & Feel" des AmigaOS aus dem Boden stampfen will, hatte diese Karte auf der Messe jedoch erhalten, so dass man davon ausgehen kann, dass sie zu mehr taugt als nur zu rein dekorativen Zwecken.
Dass der Amiga auch ohne die geballte Rechenkraft eines G3-/G4-Prozessors im wahrsten Sinne des Wortes schon einiges bewegen kann, konnte der interessiere Messebesucher ebenfalls am Stand der Bremer Software-Schmiede begutachten. Dort zeigte nämlich die Programmiertruppe Hyperion um Thomas und Hans-Joerg Frieden die fast verkaufsfertige Amiga-Portierung des immerhin noch halbwegs aktuellen PC-Hits "Heretic II", der in der Tradition seines unschwer namentlich zu erratenden Vorgängers und anderer Ego-Shooter steht. (Wohl zu Recht) Voller Begeisterung und stundenlang spielten die Frieden-Brüder dem ob der beeindruckenden 3D-Grafik staunenden Publikum ihr jüngstes (Programm-)Kind vor. Noch faszinierender wirkte das auf neutrale Beobachter durch die verblüffende Ähnlichkeit der beiden Friedens, dank der der Eindruck erstand, ein- und dieselbe Person würde ohne Unterlass und ohne Unterbrechung "Heretic II" demonstrieren. (Ich hatte in diesem Zusammenhang übrigens das Vergnügen, zu beobachten, wie sich ein Bekannter Hans-Joergs von dessen Bruder Thomas in der irrigen Annahme verabschiedete, es handele sich um Hans-Joerg Frieden.) Der Fertigstellung nicht ganz so nahe, aber doch bereits ebenfalls beachtlich weit fortgeschritten ist wohl die Entwicklung der Amiga-Portierung von "Shogo", einem weiteren 3D-Ego-Shooter, welche ebenfalls von Hyperion in Kooperation mit Titan übernommen worden war. In Köln bereits verkauft wurde hingegen die Amiga-Portierung eines Spielehits, für welche weder Hyperion noch Titan verantwortlich zeichneten. Und auch das Genre, in welchem das von digital images konvertierte "Wipeout 2097", welches nicht nur sensationelle 3D-Grafiken in atemberaubender Geschwindigkeit, sondern auch extrem hohe Hardwaremindestanforderungen zum Amiga bringt, angesiedelt ist, hat wenig mit "Heretic II" und "Shogo" zu tun. "Wipeout 2097" ist vielmehr eine gnadenlose Rennsimulation, bei der man ein Miniraumschiff steuert, das entfernt an die Fahrzeuge erinnert, mit welchen im Kinofilm "Star Wars - Episode I" auf dem Wüstenplaneten die wüsten Rennen ausgetragen wurden. Dass sich nicht nur der Endverbraucher, sondern auch die bekannteren Gesichter der Amiga-Szene von dem Spiel begeistern ließen, konnte man gleich mehrmals beobachten - etwa dann, wenn Sam Jordan, der PowerPC- und Grafik-Experte von Haage & Partner, gebannt auf den Computermonitor starrte und seinen "Wipeout"-Renner mit konzentrierten Joypad-Steuerungsmanövern über die virtuelle Rennbahn flitzen ließ.
Nachdem ich dann aber nun wirklich an jedem relevanten Messestand schon mehrfach gewesen war, jede mir in den Sinn kommende Frage gestellt und alle interessanten Produkte neugierig beäugt hatte, durfte ich noch als Retter in der Not tätig werden. Denn dem APC&TCP gingen mit voranschreitender Messezeit zusehends die Standmitarbeiter aus, so dass eine angemessene Mitarbeiterpräsenz am eigenen und am benachbarten, quasi treuhänderisch betreuten ehemaligen ICP-Stand nicht gewährleistet werden konnte. Kurzerhand wurde ich als Aushilfe engagiert und mit dem Verkauf der Dezember-"Amiga Plus"-Ausgabe betraut, deren Restauflage scheinbar im Standbereich gelagert wurde. Darüber hinaus waren beim plötzlichen Verschwinden des "Plus"-Teams auch noch einige Dutzend "Developer"-CD-ROMs von Mai 1998 (Version 1.2) übrig geblieben, welche ebenfalls darauf warteten, zu herabgesetzten "Everything must go !"-Preisen unters mitleidige Volk geworfen zu werden. Und so saß ich dann also während der letzten zwei Stunden der Kölner Messe am ehemaligen ICP-Stand und half dem APC&TCP, den Nachlaß der "Amiga Plus" unters Volk zu bringen. Glücklicherweise wurde das bei weitem nicht so langweilig, wie es sich vielleicht anhören mag - und das nicht nur wegen des unverstellten Blicks auf den gegenüberliegenden Messestand des bereits erwähnten Erotik-Anbieters. Angesichts der inzwischen doch nur noch spärlich bevölkerten Messehalle 11.2 machten sich nämlich zahlreiche Aussteller auf Wanderschaft und wagten einen letzten Rundgang über die HOME electronics world. Und obwohl es mir nicht gelang, dem vorbeischnürenden Thomas Raukamp eine (bzw. noch eine...) "Plus" zu verkaufen, ergab sich doch die Gelegenheit zu einigen interessanten Gesprächen, z. B. mit Bob und Diana Scharp, den Organisatoren der St. Louis-Gateway-Amiga-Messe, die extra für die HEW '99 den weiten Weg über den großen Teich angetreten hatten, zusammen mit einem Camcorder, mit welchem sie auch einen grinsenden und freudig in die Kamera winkenden "Gadget"-Herausgeber und kurzzeitigen "Plus"-Nachlaßverwalter filmten. Oder mit einem enthusiastischen Grafik-Experten (Patric Hofmann ?), mit dem ich mich ausführlich über den Gang der Dinge und den Untergang des Amiga unterhielt, und der von faszinierenden Bastellösungen berichtete, welche die semiprofessionelle Grafikbearbeitung am Amiga zu etwas ganz besonderem machten und wohl auch noch nach wie vor machen. Und zum Abschluss der "Plus"-Beerdigung und der HEW '99, als man sich am Nachbarstand des "Amiga-Club im BTX & Internet" bereits über ein wildes Konglomerat diverser Hardware-Altteile, die von einem anderen Aussteller zum Behufe des Ausschlachtens spendiert worden waren und Hans-Christof Tuchens Augen zum Leuchten gebracht hätten, hermachte, konnte ich Petra Struck, der Webmistress des überaus erfolgreichen Nachrichtenservices amiga-news.de, noch die Hand schütteln und mich kurz mit der sehr sympatischen Amiga-Quereinsteigerin über die Messe unterhalten. Zwar hatte ihr das ganze Spektakel gefallen, doch natürlich zeigte auch sie sich über den schier unaufhaltsamen Implodierungsprozess des Amiga-Marktes überaus besorgt.
Doch die auf besseres Flohmarkt-Niveau geschrumpfte Größe der Veranstaltung, die nach jahrelangem Ausbluten deutlich zurückgegangene Besucherzahl und das Fehlen praktisch jeglichen bestaunenswerten fertigen Produktes hatten auch, so überraschend das auch klingen mag, etwas Gutes. Selten gab es nämlich für einen nicht zum (gar nicht mal so engen) Zirkel der Illuminierten der Amiga-Gemeinschaft gehörenden Messebesucher so viele interessante Gerüchte aufzuschnappen, Anekdoten zu erfahren und durchaus bezeichnende Geschehnisse direkt mitzuerleben, wie in diesem Jahr. Keine Menschentrauben verdichteten sich diesmal sofort zu einem undurchdringlichen Wall, wenn zwei Amiga-Größen miteinander fachsimpelten, keine Großvorführung hielt die Programmierer und Firmeninhaber vom Gespräch mit dem interessierten Messebesucher ab. Wie es mit inoffiziellen Aussagen, aufgeschnappten Wortfetzen und ähnlich bewährten Informationsquellen der Boulevardpresse nunmal so ist, hält sich der Grad der Zuverlässigkeit solcherart gewonnener Erkenntnisse sicherlich in engen Grenzen. Angesichts der schon seit Jahren nur noch das Niveau einer besseren Seifenoper erreichenden Irrungen und Wirrungen des Amiga-Marktes war es aber allemal interessant, aus berufenem Munde zu hören, dass die Erstauflage des AmigaOS 3.5 nur bei ungefähr 3000 gelegen haben soll, welche dann, wohl auch dank der Vorbestellungen, jedoch sofort ausverkauft gewesen ist. Ein Händler, der extra nach Braunschweig gefahren war, um dort als erster Distributor im Lande an Verkaufsexemplare des AmigaOS 3.5 zu gelangen, musste mit leeren Händen (und leerem Kofferraum) von dannen ziehen. Doch dank der danach natürlich sofort wieder in Gang gesetzten CD-Presse waren bis zur Messe noch weit mehr Exemplare verkauft worden und das Betriebssystemupdate auch in Köln praktisch an jedem Amiga-Verkaufsstand erhältlich, wo es den Händlern zwar nicht aus den Händen gerissen wurde, aber dennoch regen Absatz fand. Bleibt die Frage, wieso Petro Tyschtschenko dennoch auch noch während der Messe darüber jammern zu müssen glaubte, dass erst 5600 Stück verkauft worden sein sollen, sich das neue OS jedoch erst ab einer verkauften Stückzahl von 25000 amortisiere. Ein Vertreter von Haage & Partner liess dem Bekunden Dritter zufolge verlauten, dass die Zahl der bereits verkauften Exemplare jedenfalls zu niedrig angesetzt sei, gewöhnlich gut informierten Kreisen zufolge liegt sie sogar erheblich höher. Unmut löste der mehrfache "Retter des Amiga" und Chefdevotionalienverkäufer aber auch bei den Händlern aus. Grund dafür war die bei OS 3.5 verfolgte Preispolitik. Die Händlerpreise seien so hoch, stöhnte einer der noch im Markt verbliebenen Weiterverkäufer, dass die Gewinnspanne gerade mal so eben zur Deckung der Unkosten (Personal, Werbung, Stand- und Lagerkosten, etc.) reiche. Tyschtschenko wäre, so der Händler, besser beraten gewesen, wenn er bei diesem Händlerpreis den empfohlenen Verkaufspreis bei ca. 119 DM festgemacht hätte. So sei AmigaOS 3.5 für die Händler nicht die angekündigte kommerzielle Unterstützung, sondern lediglich ein Geldtauschgeschäft. Vielleicht wird sich das aber mit AmigaOS 3.6 ändern, an welchem wohl bereits gebastelt wird. Dass jemand anderes mit seiner Vorgehensweise hingegen sehr erfolgreich ist, zeigte schließlich ein Erlebnis an einem kleineren Messestand. Dort wurden an einem Vorführrechner MP3-Audiodateien abgespielt. Ob er denn die zugehörigen CDs besitze, wurde der diesen Rechner betreuende Standmitarbeiter vom besorgten Standinhaber gefragt. Natürlich, so die Antwort. Ob er sie denn auch dabei habe ? Nein, das nicht. Dann möge er, so die mit einem Anflug von Panik in der Stimme vorgetragene Bitte des Standinhabers, doch so schnell wie möglich mit dem Abspielen der MP3s aufhören - "Gravenreuth ist hier." Angst (vor der Zukunft) und Schrecken (angesichts der desolaten Situation) waren ohnehin die Leitmotive der ersten (und vielleicht auch letzten) HEW. Interessant war sie - dem Sonntag sei's in erster Linie gedankt - dennoch allemal.