Der Vorwurf gehört zum Standardargumentationsrepertoire aller Fortschrittskritiker. Computer führen angeblich zur sozialen Vereinsamung, der Nutzer hängt Tag und Nacht nur noch vor dem Bildschirm, ernährt sich ausschließlich von Pizza, Cola und kaltem Kaffee und erkennt mit Müh und Not sein eigenes Spiegelbild. Sein einziger Kontakt zu seinen Mitmenschen besteht in gelegentlichen Telefonaten mit diversen Computer-Hotlines.
Gut möglich, zumindest in der beschriebenen Tendenz. Doch ist das nur die halbe Wahrheit. Denn der Computer hat auch neue Formen sozialer Kontake, neue Möglichkeiten der Kommunikation eröffnet, für die es in der nicht-binären Welt kein Pendant gab und gibt. Am deutlichsten ist das natürlich im Bereich der Vernetzung verschiedener Rechner geworden, mit dem "Internet" als schon seit Jahren öffentlich als Heilsbringer gefeierten Paradebeispiel. Doch die ständige oder auch nur temporäre physische Vernetzung einzelner Computersysteme (oder gar -netze) ist nur eine der neuartigen Kommunikationsformen, die mit der Verbreitung der elektronischen Rechenknechte in den Heimstätten der Menschen aufkamen. Da dank der Speicherung auch großer Datenmengen auf preisgünstigen Medien, Disketten, die finanzielle Hemmschwelle, die bei Printpublikationen besteht, fast gänzlich entfällt, entstanden in den Achtzigern die ersten Diskettenmagazine, zumeist redaktionell bearbeitete Zusammenstellungen von Texten, die nicht irgendwelche bezahlten Berufsredakteure verfaßt hatten, sondern die von engagierten Hobbyisten in ihrer Freizeit geschrieben wurden. Das fertige Produkt konnte damit zum Selbstkostenpreis, dem Modell der Freeware (auch "Public Domain" genannt) folgend, unkompliziert und schnell verbreitet werden. Inhaltlich beschäftigten sich die Diskettenmagazine von Anfang an selbstverständlich primär mit dem, was alle Autoren und Leser zwangsläufig miteinander verband - dem Computer. Doch schon bald wurde auch über andere Themen geschrieben, eine eigenständige Publikationskultur entstand, die erstmals jedem potentiellen Leser die Möglichkeit eröffnete, durch eigene Beiträge mit seinen Ansichten und Vorstellungen auf dem Marktplatz der Meinungen mitzubieten. Und auch die publizistische Tätigkeit erforderte nicht mehr den Besitz einer Druckerpresse. Jeder, der genug Engagement mitbrachte, konnte von nun an selbst Herausgeber eines eigenen Magazins werden. Das hatte (und hat) zwar auch zur Folge, dass so manche Totgeburt das Licht der Magazinwelt erblickte. Andererseits wurde jedoch auch eine Vielfalt ermöglicht, die dem interessierten Leser mehr Informationsquellen zur Verfügung stellte, als unter den auch für Presseorgane geltenden Gesetzen des Marktes jemals entstanden wären. Dabei beschränkte sich der Gewinn für den Leser nicht lediglich auf eine wenig erfreuliche Vielfalt in der Einfalt. Indem Diskettenmagazine fast ohne Ausnahme weitgehend nicht-kommerziell blieben und somit auch nicht auf irgendwelche Werbeeinnahmen angewiesen waren, konnten ihre Autoren und Herausgeber agieren, ohne auch nur in den Verdacht kommen zu können, aus kommerziellen Interessen übermäßige Rücksicht in die eine oder andere Richtung zu üben.
Mit dem Siegeszug der Datennetze, insbesondere des Internets und seines bunten Teilbereiches, des World Wide Web (WWW), sahen sich Diskettenmagazine dann ihrer Existenzberechtigung jedoch weitgehend beraubt. Nun war kein eigener physischer Datenträger mehr erforderlich, um Informationen zu verbreiten, Kosten und Aufwand für die Publikation eigener Texte sanken noch weiter bei gleichzeitiger Erhöhung der Geschwindigkeit, in der die Informationen von ihren Urhebern in die Gehirne der Rezipienten gejagt werden konnten. Demzufolge läßt sich der Anfang vom Niedergang der Diskettenmagazine ungefähr auf den Beginn der neunziger Jahre datieren. Diese Entwicklung verlief naturgemäß langsamer auf solchen Systemen, deren Nutzer über einen anteilsmäßig geringeren Zugang zu Datennetzen verfügen, und die überdies auch nur auf wenige (oder gar keine) kommerziellen Printpublikationen zurückgreifen können - nicht ohne Grund erfreuen sich daher etwa auf dem C 64 zahlreiche Magazine großer Beliebtheit und Verbreitung. Doch Diskettenmagazine verbuchen über den nicht zu leugnenden Nostalgiewert hinaus auch noch einen anderen Vorteil auf der Haben-Seite - Beständigkeit. Anders als die unsteten Informationen, denen man sich im Datennetz ausgesetzt sieht, wohnt einem Diskettenmagazin ein gewisses Element der Dauerhaftigkeit inne. Was nicht bedeuten soll, dass das in jedem Falle positiv ist.
Doch wie dem auch sei - wie bei jedem Hobby ist die eigentliche Triebkraft, die hinter einem Diskettenmagazin steckt, der Spaß, den die Beteiligten aus der Beschäftigung mit ihm ziehen, hilfsweise ein etwaiger Informationswert, der dem fertigen Produkt zukommt. Das "AmigaGadget", das demnächst seinen zehnjährigen Geburtstag feiert und damit die Queen Mum unter den Amiga-Diskettenmagazinen sein dürfte, hat neben der Produktion nicht enden wollender Mengen ähnlich verquasten pseudo-intellektuellen Unfugs wie den vorstehenden Absätzen vor allem eins zum Ziel gehabt: die Weltherrschaft. Oder auch nicht. Als es 1990 das Licht der Welt erblickte, die Lübecker Amiga-Freaks Helge Arnoldt und Nils Kassube fungierten als Geburtshelfer, erfreute sich das Vorbild aller Diskettenmagazine, das legendäre "Amiga Juice" noch bester Gesundheit. Und nicht nur das, es hätte beinahe auch den hoffnungsvollen Nachwuchs in einem Akt kannibalischer Grausamkeit verschlungen, da Nils, der nach der inzwischen schamhaft zurückgezogenen und in den Giftschrank gesperrten Erstausgabe des "Gadget" die Herausgabe des "Amiga Gadget" in alleiniger Verantwortungslosigkeit übernommen hatte, nach der Veröffentlichung des "Gadget"#4 ursprünglich für die "Juice" schreiben und das "Projekt Gadget" beenden wollte. Daraus wurde aber nichts, da die "Juice" mal wieder die Nase vorn hatte - und noch vor dem "Gadget" eingestellt wurde. So blieb also nichts anderes übrig, als das Spiel weiterzuspielen. Und es wurde ein wahrlich grausames Spiel, trat mit Ausgabe 5 doch nun auch ein gewisser "Andreas Neumann" auf den Plan. Und zwar mit einem Vergleichstest zum Thema "Pascal-Compiler auf dem Amiga". Noch so eine Chronik der evolutionären Sackgassen.
Doch schon in Ausgabe 3 hatte Nils eine noch weitaus ergiebigere Quelle für Texte aufgetan - die Welt der DFÜ. Zunächst mussten noch das BTX(!)-Magazin "Mozart-Turm", die "Very Amazing Mailbox Press" (VAMP) und das Online-Magazin "Chalisti" als mehr oder minder freiwillige Ressourcenspender herhalten. Nachdem später der Zugriff auf das Usenet und das Internet eröffnet wurde, gab es aber bald keinerlei Hemmungen mehr - "information at your fingertip" bedeutete auch die Möglichkeit, ein Magazin im Nu füllen zu können, ohne sich mit dem lästigen Schreiben eigener Artikel herumquälen zu müssen. Nach wie vor ist mir nicht verständlich, warum wir nicht noch stärker diesem Ansatz gefolgt sind... Der nächste Schritt auf dem langen Weg zur Perfektion kam dann mit "Gadget"-Ausgabe 6. Das Magazin wurde erstmals auch über eine Mailbox vertrieben. Altgediente Computerrecken werden selig lächeln, diejenigen, die nach 1995 dazu gestoßen sind, jedoch verständnislos mit den Augen blinzeln. Was damals noch eine aufregend neue oder zumindest aufregende Technologie war, gehört heute bereits zur Frühgeschichte der Datenfernübertragung.
"Sorry, falls die E-Mail etwas dauert, mit der Post geht's z. Zt. halt schneller..."
So richtig aufwärts schien es mit der "Gadget"-Ausgabe 9 zu gehen. Mit Michael Loßin meldete sich ein neuer Mitarbeiter Tastatur bei Fuß. Es musste nur noch der Klotz am Bein des Magazins entfernt werden - und genau das geschah mit der folgenden Ausgabe 10. Nein, ich habe damals nicht aufgehört, für das "Gadget" zu schreiben. Gemeint ist vielmehr das Anzeigeprogramm "ZeigE II", gegen das sich der von Nils höchstselbst geschriebene, zunächst noch namenlose Nachfolger wie ein Meisterwerk der Programmierkunst ausnahm. Wer hat da gelacht ?
"Was Ihr gerade ins Laufwerk geschoben habt, ist keine Bilschirmstörung, sondern die neueste Ausgabe Eures Lieblingsdiskettenmagazins `Amiga Gadget'."
Es kam, wie es kommen musste, der Teufel wurde mit dem Beelzebub ausgetrieben. Über die Jahre sollte "GaMa" selbst zum Entwicklungshindernis Nummer 1 werden. Der Plan, das "Gadget" komplett in HTML zu erstellen, wurde bereits früh, noch bevor irgendein anderes Amiga-Magazin in der Hypertext-Sprache des WWW erschien, entwickelt. Da jedoch kein zu Kickstart 1.3 kompatibles HTML-Anzeigeprogramm existierte - und das Dogma der 1.3-Kompatibilität für das "Gadget" beinahe noch unumstößlicher ist als das der unbefleckten Empfängnis für die katholische Kirche und die weibliche Britney-Spears-Anhängerschaft -, wurde dieser Plan vorerst auf Eis gelegt. Und da liegt er heute noch. Das hat zwar in gewisser Weise für Kontinuität gesorgt, da schon seit mehreren Jahren das "furchtbare Anzeigeprogramm" souverän die Liste der beliebtesten "Gadget"-Schwachpunkte anführt. Unbefriedigend ist die Situation aber doch, weil "GaMa" mit seiner Ausrichtung auf ein festes Bildschirmformat, eine feste Zeichenzahl pro Zeile, vier Farben, einen voreingestellten Zeichensatz und all den anderen Todsünden der 1.3-fixierten Programmierung spätestens seit Kickstart 2.04 ein konzeptioneller Anachronismus, am ehesten noch MS-DOS vergleichbar (freilich ohne dessen kommerziellen Erfolg), ist, der auf den Schrottplatz der Programmiergeschichte, jedenfalls aber aufs Altenteil für Anzeigeprogramme gehört. Doch wenn nicht ein kleines Wunder geschieht, spricht viel dafür, dass Nils mit seiner in einem Leserbrief im "Amiga Gadget"#13 geäußerten Prognose Recht behalten könnte:
"Mensch sollte nie nie sagen, aber für die nächsten fünfzig Ausgaben wird wohl kein anderes Anzeigeprogramm verwendet."
"Gadget"#63 erscheint nach derzeitigem Stand der Dinge übrigens wahrscheinlich irgendwann im Jahre 2003.
Dabei hätte es die Ausgabe 13 beinahe gar nicht erst gegeben. Michael Loßin begrüßte die Leser im Editorial der 11. "Gadget"-Ausgabe mit einem depressiven "Gute Nacht !" und riet an- und abschließend vom Kauf einer für das Sammeln von "Gadget"-Ausgaben gedachten Diskettenbox ab. Das sei vermutlich keine gute Investition. Und tatsächlich war Nils kurz davor, das Magazin einzustellen, da ihm der Aufwand der Erstellung inzwischen zu groß erschien. Es musste jemand her, der dumm genug war, die Aufgabe zu übernehmen. Ehrensache, dass ich mich umgehend freiwillig meldete. Im "Gadget" selbst beließ es Nils vorerst mit vagen Andeutungen. Der Kauf einer Diskettenbox, so das von ihm verfasste Editorial der Ausgabe 12, sei nun vielleicht doch eine sinnvolle Investition. Näheres dann im "Gadget"#13. (Und da sage noch einer, mit einem Diskettenmagazin sei es nicht möglich, einen "Cliffhanger" zu bauen !) Die Ausgabe mit der Unglückszahl wurde dann aber auch wirklich die letzte von Nils herausgegebene - der Lotse hatte das Schiff verlassen.
"Welchen Sinn haben FD-Diskmagazine noch in der schönen neuen Welt der Datennetze? Die Nutzerzahlen der Netze sind inzwischen derart gestiegen, dass das Gro der aktiven Computer-Interessierten längst auf das vielfältige Angebot der Datennetze zugreift."
Und, als wäre es ein böses Omen oder der Schmetterlingsflügelschlag in der Chaos-Theorie der Amiga-Welt gewesen, ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt ging auch noch Commodore International Ltd. pleite. Was aller Leid ist des Magazinmachers Freud - ich hatte für die erste von mir herausgegebene Ausgabe jedenfalls einen hübschen Aufmacher. Und der einsetzende Bocksgesang um die Zukunft des Rechners lenkte auch gleich von zahlreichen Fehlern ab, die ich als Herausgeber prompt beging. Ein solcher "innovativer Ansatz" war es sicherlich, bei Beiträgen aus dem Usenet oder dem Internet den kompletten Mail-/Posting-Header mitzuveröffentlichen. Zwischenzeitlich war die Rubrik "Jokes & Stories" schlichtweg überflüssig. Die Peinlichkeiten an anderer Stelle des Magazins sorgten auch so für die Reizung des Zwerchfells. (Bösen Zungen zufolge ist das heute nicht anders. Aber wer hört schon auf böse Zungen ?)
Die weitere Entwicklung soll nur in Stichworten skizziert werden. Mit Ausgabe 15 wurde der bislang für Überschriften verwendete "Frankfurter"-Zeichensatz durch "Losse" ersetzt. Ausgabe 16 wurde die (von der Erstausgabe abgesehen) bislang einzige Doppel-Ausgabe - sie enthielt aus Anlass der unmittelbar bevor stehenden Bundestagswahl die Wahlprogramme der großen Bundestagsparteien. "Amiga Gadget"#18 war die erste Ausgabe, in der Hard- und Softwareneuankündigungen nicht mehr als jeweils eigene Texte veröffentlicht, sondern in einem einzelnen Dokument zusammengefasst wurden. (Was zu einer drastischen Reduzierung der Textzahl bei gleichzeitig nicht minder drastischer Erhöhung der Übersichtlichkeit führte.) 1995 erschien die von Gerd Frank erstellte CD-ROM "Amiga FD inside!". Sie enthielt die "Gadget"-Ausgaben 2 bis 18, wobei die noch mit dem Kickstart-2.0-inkompatiblen "ZeigE" erstellten Ausgaben 2 bis 9 notdürftig in das "GaMa"-Format gebracht worden waren. Das bislang einzige "Gadget"-Gewinnspiel gab es in den Ausgaben 19 und 20. Anlass waren 100 Jahre Kino. Die Beteiligung war entmutigend gering, nur mühsam konnten alle Preise an den Mann und die Frau gebracht werden. Vielleicht wirkte es aber auch verwirrend, dass seit Ausgabe 20 die vormals "Hard- & Software" betitelte Rubrik unter dem neuen Namen "Tests" (an dessen Entwicklung Dutzende hoch qualifizierter Marketingexperten gesessen haben - oder auch nicht) nun auch Rezensionen EDV-spezifischer Literatur und CD-ROM-Testberichte bündelte. Weitere Neuigkeit dieser offenkundig beinahe schon historischen "Gadget"-Ausgabe: sie wurde erstmals auch über das Aminet verbreitet.
Doch nach dieser Phase des Aufbruches folgte die wohl unerfreulichste "Gadget"-Ausgabe überhaupt. ich hatte mich in einen albernen Kleinkrieg mit Bruno Jansen, der das "Forum Amiga" von dessen Gründer Peter Händel übernommen hatte, verstrickt. Gemeinsam langweilten wir dann in Ausgabe 21 die Leserschaft mit einem Leserbrief Brunos, der, mit meinen Kommentaren versehen, die stolze (ungepackte) Größe von 221.700 Bytes erreichte. Verlorene Zeit. Weitaus erfreulicher war, dass ab dieser Ausgabe auch erstmals Auszüge des Magazins im WWW zu lesen waren - wenngleich die eigene Domain amigagadget.de noch bis "Gadget"#36 auf sich warten lassen sollte. Weitere Verbreitung fand das "Gadget" nun auch durch die regelmäßige Veröffentlichung auf den CD-ROMs der "Amiga Plus". Überhaupt lief es eigentlich ganz gut - die "Gadget"-Ausgaben erschienen, gute, alte Zeit, pünktlich, der Eigentextanteil war hoch und gelegentlich wurde das "Gadget" auch mal von den kommerziellen Amiga-Printpublikationen erwähnt. Als dann Stefan Wunner auch noch ein Macintosh-Pendant, das "Mac Gadget", gründete, und ab "Amiga Gadget"-Ausgabe 26 ein gegenseitiger Textaustausch möglich wurde, schien die Zukunft erst recht rosa zu sein (oder auch in einer anderen Farbe zu erstrahlen, falls man sich unverständlicherweise nicht für Schweine und deren Hautfarbe begeistern kann). Doch leider hatte Stefan andere Pläne mit dem "Mac Gadget" - das Diskettenmagazin stellte er schon bald ein, der WWW-Informationsdienst macgadget.de gehört hingegen inzwischen zu den wohl auch kommerziell erfolgreichsten Online-Nachrichtenangeboten für den Mac im deutschsprachigen Raum überhaupt.
Auf der Amiga-Plattform ging es mit kleinen Schritten weiter. Ausgabe 27 brachte wieder zwei Neuerungen. In einer "Debugging"-Rubrik sollten die Fehler der Vorausgabe beim Namen genannt werden, auf die nicht an anderer Stelle hingewiesen wurde. Seit ihrer Gründung hat diese Rubrik nie mehr als zwei Einträge auf einmal enthalten - ein auch bei aller gebotenen Selbstüberschätzung kaum realistisches Ergebnis. Weitaus augenfälliger jedoch die zweite Neuerung, die mit dieser Ausgabe eingeführt wurde. In Ergänzung zu den bisherigen Icons wird seitdem auch das NewIcons-System unterstützt. Käufer der "Meeting Pearls IV"-CD-ROM durften sich dann 1996 an einer mit erheblichem Aufwand aufbereiteten "Gadget"-Sammlung vergehen. Eine Volltextsuche und alphabetische und chronologische Indizes erleichterten dort den Zugang zu den "Gadget"-Ausgaben 14 bis 15 und Auszügen aus den Ausgaben 2 bis 13. Mit "Amiga Gadget"#33 begann dann wieder eine kleine Abfolge quasi-revolutionärer Entscheidungen. Zunächst einmal werden Michael und Nils seitdem nicht mehr als ständige Redaktionsmitglieder geführt - auch hartnäckige Realitätsresistenz hat eben ihre Grenzen. Gleichzeitig wurden neue Nutzungsbedingungen, die vor allem juristisch präziser gefasst und den neuen Distributionswegen angepasst worden waren, zur Diskussion gestellt. Seit Ausgabe 35 herrscht nun aber auch ein ganz anderes Schreckensregime - die Neue Deutsche Rechtschreibung, bzw. die Teile der Reform, die bereits zum Herausgeber, der in Personalunion auch als Lektor fungiertm vorgedrungen sind. Das letzte nennenswerte Ereignis in der kleinen "Gadget"-Chronologie spielte sich im Vorfeld zu "Amiga Gadget"#38 ab - mit Stephan Hübner konnte erstmals wieder ein neues Mitglied für die ständige Redaktion gewonnen werden.
Das "Gadget" ruht eigentlich auf zwei Säulen: Kontinuität und Wandel. Der scheinbare Widerspruch löst sich in sprachlicher Unschärfe auf. Einerseits sind bewährte Elemente des Magazins unverzichtbare Bestandteile des "Gadget". Zu nennen sind da insbesondere die Interviews - die regelmäßig unanständig umfangreichen Befragungen mal mehr, mal weniger Prominenter aus der Amiga-Szene gibt es fast seit Anbeginn aller "Gadget"-Zeiten. Nicht zu vergessen die (wenigen) Interview-Partner, deren Bekanntheitsgrad weit über den Amiga-Bereich hinaus reicht - der Bundestagsabgeordnete Jörg Tauss und Smudo von den "Fantastischen Vier" als wohl prominenteste ihrer Art. Kontinuität bestand aber eben auch im Wandel selbst. Stets etwas Neues auszuprobieren war von jeher eine ungeschriebene Regel des "Gadget" - genauso wie es immer dazu gehörte, grandios gescheiterte Innovationsversuche stillschweigend zu beerdigen. Denn die Liste der Misserfolge ist wohl um einiges länger als Liste der geglückten Neuerungen. Die "Studium"-Reihe wurde nicht wirklich alt, der Versuch, ein Gewinnspiel aufzuziehen, scheiterte kläglich (siehe auch oben). Fälle, in denen jemand auf das Angebot einer kostenlosen Digitalisierung (in den "Gadget"-Ausgaben 28 bis 33 bot Günter Falke diesen Service an) einging, sind nicht überliefert, die Idee, markante Sätze in Interviews gestalterisch gesondert hervorzuheben, traf auf Kritik und wurde daraufhin fallen gelassen. Durchgesetzt hat sich hingegen die "Lifestyle"-Rubrik (eingeführt direkt mit Ausgabe 14). Auch die in unregelmäßiger Folge erscheinenden Gast-Editoriale, bei denen nicht der Magazinherausgeber die Leserschaft mit seinen neuesten Erkenntnissen über Gott und die Welt langweilt, sondern ein treuer Leser ran muss, äh, darf, haben sich wohl bewährt. (Das erste Gast-Editorial war übrigens das von Roland Jesse in der "Gadget"-Ausgabe 20.) Gelegentliche Autoren-Schwerpunkte, etwa zu den Schriftstellern Kafka oder Auburtin, finden je nach Beliebtheit und Bekannheit des jeweiligen Schriftstellers unterschiedlichen Anklang. Und in welche Kategorie die "Millenniums-Texte", deren erster Teil sich in dieser Ausgabe befindet, fallen werden, wird sich noch herausstellen müssen. Vorsichtiger Pessimismus ist aber natürlich auch hier angesagt...
Da der Amiga-Markt im letzten Jahrzehnt natürlich alles andere als die Geschichte eines großen Erfolges war, befand sich das "Gadget" immer auch unter dem Druck einer zusehends schneller schrumpfenden Leserschaft (was sich nicht auf die Körpergröße der Leser bezieht, wie ich hoffe). Aus diesem Grunde stand einerseits des Öfteren die Möglichkeit eines Zusammenschlusses mehrerer Diskettenmagazine im Raume. Der ernsthafteste Versuch in diese Richtung, der von den drei Herausgebern unterstützte Vorstoss, das "Forum Amiga", die "Power-Brei" und eben das "Gadget" zu einem neuen Magazin, Arbeitstitel "Kult", zusammenzuschließen, stieß jedoch bei den Lesern aller drei Magazine auf Widerstand und blieb daher unvollendet. Andererseits setzte das "Gadget" daher auf Kooperation. Während das (inzwischen eingestellte) Jugendmagazin "Spunk" und die Kasseler Stadtillustrierte "Xcentric" lediglich Texte ihrer Printausgaben zur Verfügung stellten, bzw. stellen, widerfuhr dem "Gadget" und seinen Lesern mit Ausgabe 17 ein wahrer Glücksfall. Seitdem erstellt nämlich Hans-Christof Tuchen in mühsamer Eigenarbeit eine "Gadget"-spezifische Fassung des von ihm herausgegebenen Kleinrechner-Magazins "Mumpitz". Zu finden auch wieder in dieser Ausgabe.
Das Beste am "Gadget" aber waren und sind, hier ist Nils ohne Einschränkungen zuzustimmen (siehe dazu das nachfolgende Interview), die Menschen, die man während und durch die Arbeit an dem Magazin kennenlernt. Die Treffen bei den diversen Amiga- und Apple-Messen, in Gütersloh und bei anderen Gelegenheiten waren stets eine interessante und zumeist sehr witzige Erfahrung. Chaotisch zwar und oftmals anstrengend, aber letzten Endes immer lohnend. (Ein besonderer Höhepunkt waren die Kölner Messen in den Jahren 1993 und 1994 - unvergeßlich !) All denen, Achtung, jetzt wird's ein wenig rührselig, die ich im Laufe der Zeit beim "Gadget" bislang kennenlernen durfte, und all denen, die das Erscheinen des Magazins in der Vergangenheit ermöglicht haben (und hoffentlich auch in Zukunft noch ermöglich werden), sei an dieser Stelle noch einmal ganz herzlich gedankt. Man liest sich irgendwo. Vielleicht sogar im "Gadget" ?
Jetzt aber schleunigst zurück zu meiner Pizza und dem kalt gewordenen Kaffee...
"Das Gadget wird es wohl solange geben, wie es den AMIGA gibt, und das dauert lange :-)"
AG: | Wenn Du Deine Zeit als Herausgeber des "Amiga Gadget" in einem Satz zusammenfassen müßtest - wie würde er lauten ? |
NK: | Been there, done that. |
AG: | Wie hatte damals 1990 alles begonnen ? Warum musste ein eigenes Diskettenmagazin her - als Alternative zu den etablierten Streithähnen "Amiga Juice" und "GetIT" ? |
NK: |
Ich war ein großer Fan von "Amiga Juice" und habe jede Ausgabe mit
Begeisterung gelesen. Es ist nicht so gewesen, dass ich mit den
existierenden Diskettenmagazinen für den Amiga nicht zufrieden war. Im
Gegenteil. Der Grund für die Entstehung des "Gadget" ist einfach, dass
ich mich mehr für das ganze Drumherum interessiert habe, als für das
Schreiben von Artikeln.
Das "Gadget" sollte, wie der Name andeutet, eigentlich eine Mischung zwischen Magazin und Programmsammlung werden. In den Ausgaben mit einstelliger Nummer kann man das noch verfolgen, schon bald hat sich dann der Schwerpunkt aber zu einem Magazin hin verlagert. Ich habe deshalb auch kurz mit dem Gedanken an eine Namensänderung ("Amiga Press") gespielt. Leser des "Computer-Flohmarkt" können sich vielleicht daran erinnern. |
AG: | Die Erstausgabe des "Amiga Gadget" ist praktisch verschollen. Stimmt es, dass Du darüber ganz froh bist ? Und besitzt Du selbst noch eine Kopie ? |
NK: |
Äh, ja. Die legendäre Erstausgabe bestand übrigens aus drei Disketten,
die mit Artikeln und FD-Software gefüllt waren. Die Texte wurden damals
mit "MuchMore" angezeigt. Was macht eigentlich Fridtjof Siebert heute?
Die Disketten habe ich an einem warmen Ort zusammen mit meinem Amiga archiviert. |
AG: | Was war für Dich das interessanteste Erlebnis als "Gadget"-Herausgeber ? |
NK: | Ganz allgemein: Ich habe durch das Gadget einige interessante Menschen kennengelernt. |
AG: | Und was die größte Enttäuschung ? |
NK: | Es waren alles Männer =:-> |
AG: | Du hast Dich damals als Herausgeber mit der Einschätzung verabschiedet, dass FD-Diskmagazine in der schönen neuen Welt der Datennetze praktisch keinen Sinn mehr machen. Nun ist das Interesse am "Gadget" zwar nach wie vor nicht überwältigend, aber auf akzeptablen Niveau ungebrochen. Sind das alles hoffnungslose Nostalgiker und Fortschrittsverweigerer ? |
NK: | Das ist richtig. Für jedes der Gebiete, mit denen sich das "Amiga Gadget" beschäftigt, gibt es bessere Special-Interest-Magazine. |
AG: | Oder stiftet ein redaktionell betreutes Forum wie ein Diskettenmagazin gerade in der Welt verwirrender Datenvielfalt Identität und Orientierung ? |
NK: | Selbstverständlich bleiben redaktionell betreute Magazine notwendig. Meine Einschätzung bezog sich damals nur auf die Diskette als Trägermedium. |
AG: | Hast Du noch Kontakt zu den Lübecker Mitstreitern der ersten (und zweiten) Stunde - was machen Helge Arnoldt und Michael Loßin heute ? |
NK: |
Michael Loßin studiert noch immer in Kiel Informatik, Nebenfach
Mathematik. Wir schicken uns gelegentlich, für sehr lockere Definitionen
von "gelegentlich", E-Mail zu.
Helge Arnoldt hatte eigentlich nie etwas mit dem "Gadget" zu tun, abgesehen davon, dass sein Name in den ersten Ausgaben im Impressum stand. Hmm, nein, das stimmt nicht ganz. Er hat damals etwas mit der ersten Ausgabe zu tun gehabt, die zu Recht im Dunkel der Geschichte verschwunden ist :-) Helge arbeitet bei der Deutschen Bank in Lübeck. (Auch wenn ich nicht glaube, dass das jemanden interessiert.) |
AG: | Und wie sieht es mit Deinem Informatik-Studium aus ? Weißt Du schon, was danach kommen wird (oder soll) ? |
NK: |
Das Studium zieht sich hin. Andererseits: ich bin im elften
Semester, und der Durchschnitt liegt bei uns (Fachbereich Informatik
der Uni Hamburg) in etwa bei fünfzehn. Insofern ist das noch im
grünen Bereich. Die zahlreichen Möglichkeiten, die der Arbeitsmarkt
zur Zeit bietet, wirken sich auch nicht gerade positiv auf die Länge
des Studiums aus. Ich erlaube mir aber den Luxus, mich in der
nächsten Zeit allein auf Prüfungen zu konzentrieren. (Was nicht
ausschließt, daß ich es mir anders überlege, wenn ich eine
interessante Tätigkeit finde, die sich mit den Punkten weiter unten
beschäftigt.)
Was nach dem Diplom kommt, ist mir derzeit noch unklar, da mich einfach zu viele Gebiete der Informatik interessieren. Momentan beschäftige ich mich u. a. mit Content Management, DBMS, verteilten Systemen und mehr oder weniger objektorientierter Softwareentwicklung in Python und - natürlich - Java. Ein immer wieder kehrender Aspekt scheint jedenfalls das möglichst effiziente Ablegen und Finden von Informationen auf einer möglichst hohen Abstraktionsebene zu sein. |
AG: | Schon vor einiger Zeit hast Du dem Amiga den Rücken endgültig zugekehrt. Ist die bunte Welt der Apples genauso schön, wie es das "goldene Zeitalter des Amiga" Anfang der Neunziger war ? |
NK: |
Ich mag die aktuellen Apple-Produkte nicht. Aber die Kunden sind ja
mit alter Technik in häßlichen Plastikgehäusen zu überzogenen
Preisen offenbar zufrieden, wie die stetig steigenden Verkaufszahlen
(und Aktienkurse) zeigen.
Nun ja, aber im Gegensatz zu den goldenen Jahren des Amiga gab es selbst in den Verlustjahren vor Amelio und Jobs deutlich mehr und bessere Soft- und Hardware und ein gewisses Gemeinschaftsgefühl, das unter Wintel-Nutzern verständlicherweise unbekannt ist. |
AG: | Was wünscht Du Dir, dem "Gadget" und seinen Lesern für das nächste Millennium (auch wenn dieses natürlich erst am 1.1.2001 beginnt) ? |
NK: |
"Have fun... and remember it's 'research', not 'playing around'."
(Greg Guerin on the mrj-dev Mailing List)
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