Zeichentrickfilme sind nichts für Erwachsene. Dass das Unsinn ist hat der US-Cartoonist Matt Groening schon vor Jahren mit seiner herrlich schrägen Zeichentrickfamilie, den "Simpsons", aufs Köstlichste bewiesen, lange bevor die Anarcho-Schuljungs aus dem "South Park" die Mattscheibe mit ihrem Fäkalhumor überzogen. Groenings Serie um eine mehr oder weniger typische US-Mittelstandsfamilie, die der politisch korrekten Gesellschaft den Spiegel nicht unbedingt vorhält, sondern ihn ihr eher schwungvoll gegen den Hinterkopf schlägt, hat sich schon lange zu einem Dauerbrenner und Quotengaranten gemausert - sowohl in den Staaten als auch hierzulande. Doch obwohl die "Simpsons" trotz des für eine Fernsehserie nahezu biblischen Alters von bereits stolzen zehn Jahren noch keinerlei Abnutzungserscheinungen zeigen, hat sich Groening nun an die Entwicklung der Nachfolgerserie gemacht. Diese trägt die Zukunft schon im Namen und scheint nahtlos an den Erfolg der "Simpsons" anknüpfen zu können. In den Vereinigten Staaten genießt "Futurama", wie Groenings jüngstes Kind heißt, bereits nach zwei Staffeln Kultstatus. In Deutschland strahlt der Münchener Fernsehsender pro7 seit Anfang September erstmals die deutsche "Futurama"-Fassung aus (montags ab 21.45 Uhr). Und das jeweils im unmittelbaren Anschluss zur Premiere der Folgen der neuen "Simpsons"-Staffel - goldene Zeiten für Freunde fröhlich-fieser Zeichentrickfilme ?
Der Protagonist der "Futurama"-Welt heißt Fry und ist ein Botenjunge. In der Millenniumsnacht, an Silvester 1999, wurde Fry aus Versehen in einem Kryonik-Labor für die Dauer von 1000 Jahren eingefroren. Und während um ihn herum Imperien vergehen und neu entstehen, vergehen für den in vielem an eine jugendliche Ausgabe des Verlierertypen Homer Simpson erinnernden Fry die 1000 Jahre wie im Fluge, bis er pünktlich am 31.12.2999 aufgetaut wird. Damit beginnt sein Leben in der Zukunft, in dem er auf verschlungenen Wegen eine Anstellung bei der intergalaktischen Spedition seines Ururururur(..)urur-Neffen, des greisen Professor Farnsworth findet - natürlich, ein Verlierer bleibt eben immer ein Verlierer, als Botenjunge. Ihm zur Seite stehen dabei Bender, ein kleptomanischer Android, dessen Energiezellen die stete Zufur von Alkohol (in Form von Bier) und Nikotin benötigen, und die einäugige Leela, die als einzige Außerirdische ihrer Art als Kind von ihren Eltern auf der Erde abgesetzt wurde, und sich neben einem lila Haarschopf vor allem durch ihre Vorliebe für enge Tops auszeichnet. Dazu kommen noch einige Randfiguren, wie etwa das gefräßige Haustier Nibbler, der Mannschaftsarzt, der eindeutige amphibische Vorfahren und keinerlei humanmedizinische Kenntnisse hat, der jamaikanische Buchhalter der Firma und "Mom", die trotz ihres (vermeintlich) großmütterlichen Äußeren äußerst sinistere Leiterin der Mom Corperation, des mächtigsten Wirtschaftsunternehmens der "Futurama"-Welt. Aber natürlich kommt Groening, der in den "Simpsons" die Welt der Gegenwart so erfolgreich aufs Korn nimmt, dass er auf ausdrückliche Bitte der Stars regelmäßig diversen Berühmtheiten, von Sting über Aerosmith und Mel Gibson bis hin zu Al Gore und Stephen Hawking, (bzw. ihren gezeichneten Ebenbildern) zu Gastauftritten in der Serie verhilft, von der heutigen Popkultur nicht los. Und so taucht die Bildschirmprominenz der neunziger Jahre (des 20. Jahrhunderts) auch in "Futurama" regelmäßig auf - wenngleich sich Groening dazu natürlich eines gemeinen Tricks bedienen musste. Denn Pamela Anderson, Leonard Nimoy (Mr. Spock), Richard Nixon und sogar Matt Groening selbst konnten nicht vollständig in die Zukunft hinübergerettet werden. Stattdessen wurden nur ihre Köpfe am Leben erhalten, was aber etwa die Beastie Boys nicht davon abhält, in alter Frische durch die Konzerthallen der Zukunft zu touren. Und auch in zeichnerischer Hinsicht bleibt sich Groening bei "Futurama" treu. Fry und seine chaotischen Freunde würden in den Straßen der "Simpson"-Stadt Springfield kaum jemandem auffallen - lediglich ihre Hautfarbe ist nicht so gelb wie die von Homer und Co. Ebenfalls von den "Simpsons" (und natürlich auch unzähligen Sitcoms) übernommen hat Matt Groening schließlich den in jeder Folge im Detail variierten Vorspann. Während es bei den "Simpsons" die letzte Einstellung - im Wohnzimmer der "Simpsons" vor dem Fernsehgerät - vor dem Beginn des eigentlichen Filmes ist, die sich von Folge zu Folge ändert, sind die Unterschiede bei "Futurama" subtiler. Sie beschränken sich auf einen Untertitel, der den "Futurama"-Titelschriftzug ergänzt, sowie auf einen nur kurz zu sehenden Film auf einer überdimensionalen Leinwand, die sich aus der "Futurama"-Skyline empor hebt.
Schon diese kurze Bestandsaufnahme sollte deutlich machen, dass Groening zwar mit Sicherheit etwas älter und sehr viel reicher geworden ist, dass er aber nach wie vor mit einer herrlich skurillen Phantasie gesegnet ist. In den hervorragenden dreißigminütigen Episoden stellt er überdies unter Beweis, dass auch sein scharfer Witz und sein ätzender Humor mit den Jahren nicht gelitten haben. Denn was Fry im Jahre 3000 erwartet, erinnert den Zuschauer nur zu oft (und zu gut) an das Jahr 2000 - der Wahnsinn hat sich lediglich potenziert. Und mit der Figur des psychopathischen, egomanischen Roboters Bender hat Groening schließlich sogar einen proletarischen Anti-Helden geschaffen, der Bart Simpson und Konsorten mühelos in den Schatten stellt. Abgerundet wird das Ganze schließlich noch durch gelegentliche (zumeist bitterböse) Parodien auf diverse Science-Fiction-Filme. So begeben sich beispielsweise Leela, Bender und Fry wie dereinst Bruce Willis und Konsorten in "Armageddon" todesmutig ins All, um einen Meteoriten in die Luft zu sprengen, bevor dieser mit der Erde kollidiert - mit dem feinen Unterschied, dass der Himmelskörper in "Futurama" aus dem Wohlstandsmüll des frühen einundzwanzigsten Jahrhunderts besteht, den die damaligen Erdenbewohner einfach per Raketenschuss ins All entsorgt zu haben glaubten. Mit anderen Worten: "Futurama" ist der perfekte "Simpsons"-Nachfolger, der seinem Vorgänger in nichts nachsteht und ihn zumeist sogar noch übertrifft. Die Serie bietet, genau wie etwa die einer ähnlich zynischen Weltsicht verhaftete Late-Night-Show Harald Schmidts, der derselben Generation wie Groening angehört, einem breiten Zuschauerspektrum unterschiedliche Identifikationsmöglichkeiten. So findet sich neben blankem Slapstick auch stets eine gesellschaftskritische Komponente in Groenings Humor, Zitate aus der Popkultur mischen sich mit Anspielungen auf politische Ereignisse - und das alles ist mit einer verblüffenden Leichtigkeit und Souveränität inszeniert.
Und so hätte "Futurama" allemal das Zeug dazu gehabt, hierzulande die Fernsehpremiere des Jahres zu werden. Doch leider scheint es der Flopp des Jahres zu werden. Schuld daran ist eine Synchronisation, die den Namen nicht verdient hat. Zwar ist es bekanntlich ein Ding der Unmöglichkeit, den gesamten Sprachwitz des Originals ins Deutsche herüberzuretten. Doch pro7 gelingt das Kunststück, die intelligent-pfiffigen Dialoge des Originals zu absurdem Quatsch zu verunstalten, der über weite Strecken nur unfreiwillig komisch wirkt. Ärgerlicherweise wird der Zuschauer, der nur die deutsche Fassung kennt, die Schuld für die dadurch unlogisch, witz- und zusammenhanglos erscheinenden Dialoge natürlich bei "Futurama" und nicht bei den Übersetzern suchen. Diesen ist alleine bei der Pilotfolge das Kunststück geglückt, grobe Fehler en masse zu produzieren. So sagt - wobei alle nachfolgenden Zitate nach bestem Wissen und Gewissen wiedergegeben werden, jedoch keinen Anspruch auf vollständige Originaltreue erheben (können) - beispielsweise Leela in der deutschen Fassung "Du musst auf fünf Minuten stellen, um mich hier rauszuholen.", während es im US-amerikanischen Original heißt: "You've got 'till I'll count to five to let me out of here." Und während Fry seiner Freude über seinen neuen Job auf Englisch mit den Worten "This is awesome." Ausdruck verleiht, erklingt in der deutschen Übersetzung widersinnigerweise der Kommentar "Das ist ja schrecklich." Den Gipfel der Beschränktheit erreichten die pro7-Übersetzer jedoch in der Szene der Pilotfolge, in der Bender Fry bittet, sich gegebenenfalls als sein "Debugger" auszugeben. Das nahm man in München wörtllich und übersetzte es glatt als "Entwanzer". Das alles wäre vielleicht noch nachzusehen gewesen, wenn es sich um isolierte Einzelfälle handelte. Doch leider zieht sich, jedenfalls in der Pilotfolge, dieses Dilettantentum wie ein rote Faden (oder Galgenstrick) durch die gesamten dreißig "Futurama"-Minuten. Und als wäre das nicht schlimm genug, hat man auch bei der Besetzung der Sprechrollen nicht die beste Wahl getroffen. Das wird besonders bei Bender deutlich, der im Vergleich zur wundervollen Originalstimme in der deutschen Synchronisation klingt wie alkoholfreies Bier im Vergleich zu einem Jack Daniels. Damit aber nicht genug. Zur Übersetzung gelegentlich als Schriftzüge ins Bild kommender englischer Begriffe hat man nicht, was empfehlenswert gewesen wäre, auf Untertitel zurückgegriffen. Statt dessen darf eine Stimme aus dem "Off" die Übersetzung liefern. Das ist natürlich im Prinzip auch ein gangbarer Weg, klingt bei "Futurama" aber so, als hätte eine Schulklasse erste Gehversuche in Sachen Nachvertonung unternommen. Es bleibt daher nur ein bitteres Fazit: "Futurama" hätte die witzigste Serie werden können, die es je im deutschen Fernsehen zu sehen gab. Sie wird nun aber leider wohl eines der peinlichsten Beispiele misslungener Adaptionen werden.