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Test: Amiga Forever 2.0

Genre : Emulator-CD-ROM Herausgeber : Cloanto
Preis : ca. 100.00 DM Titel : Amiga Forever 2.0

Ankündigungen sind so eine Sache. Versprechungen sind leicht in die Welt gesetzt und erweisen sich allzu oft als nur schwer in die Wirklichkeit umzusetzen. Ankündigungen im Software-Bereich besitzen sogar in der Regel noch weniger Realitätsbezug als eine Wahlkampfaussage eines CDU-Generalsekretärs. Beste Beispiele sind die Ankündigungen der jeweiligen Amiga-Besitzer im Laufe der letzten Jahre - aber auch von so manch anderem Hard- und Softwareprodukt, das schon lange erhältlich sein sollte, wurden bislang erst Yeti-ähnliche Sichtungen berichtet. Dass es auch anders geht, hat Ende 1997 die italienische Firma Cloanto in beeindruckender Manier bewiesen. Nur zwei Monate, nachdem der "Personal Paint"-Hersteller die Veröffentlichung einer Amiga-Emulator-CD-ROM mitsamt lizenzierter ROM- und Kickstart-Image-Dateien angekündigt hatte, war "Amiga Forever" tatsächlich erhältlich, rechtzeitig zur "Computer '97" in der Dom- und Messestadt Köln. Zwar hatte auch Cloanto der knapp bemessenen Zeit Tribut zollen müssen. Doch mit einem kleveren Trick gelang es, sowohl den versprochenen Termin einzuhalten, als auch noch im selben Atemzug dem Anwender zusätzlichen Nutzen zu bringen. Anstatt eine fertige Verkaufsversion zum vollen Preis zu präsentieren, die angesichts der kurzen Zeitspanne, die zur Verfügung stand, wohl zwangsläufig stark fehlerbehaftet gewesen wäre, hatte man lediglich eine "Preview-Edition" fabriziert, die quasi eine Momentaufnahme des damaligen Standes der Entwicklung des Endproduktes darstellte (vgl. Rezension in "AmigaGadget"#33). Und da man diese nicht zum Preis des fertigen Produktes, sondern gerade mal für um die 60 DM, zusammen mit der Option auf ein entsprechend preisreduziertes Upgrade, auf den Markt warf, war diese Lösung auch für den Kunden interessant. Denn so bekam dieser nicht nur die Möglichkeit, für deutlich weniger Geld schon einen weitreichenden Blick auf das spätere Endprodukt zu werden. Er erhielt dafür auch eine CD-ROM mitsamt den offiziell lizenzierten Amiga-ROM-Image-Dateien, sowie der kompletten "Personal Paint"-Version 7.1, die als Einzelprodukt für sich genommen nicht billiger gewesen wäre. Alles in allem stellte somit schon die Vorabversion einen der Höhepunkte des ansonsten weitgehend eher bescheidenen letztjährigen Amiga-Veröffentlichungs"reigens" dar. Man durfte gespannt sein, ob die nicht zu leugnenden Fehler und Mängel des Previews in der nun unter der Bezeichnung "Amiga Forever 2.0" erschienenen "ersten Endfassung" behoben sein würden - und was sich sonst noch geändert hat.

Die erste Überraschung erlebt man schon bei Inbesitznahme des Produktes. Das liegt nicht am Cover, welches dem der Vorabversion entspricht (seltsamerweise findet sich nirgendwo ein Hinweis auf die Versionsnummer 2, so dass bei etwaigen Nachfolgeversionen die Verwirrung schon programmiert ist). Vielmehr erhält man statt wie zuvor einer einfachen CD-Hülle nun die Verpackung einer Doppel-CD-ROM vom Umfang eines Aminet-Sets. Doch wer sich schon auf zwei (oder gar mehr) Silberscheiben gefreut hat, sieht sich bald im Irrtum - die einzige CD-ROM selbst ist mit 423 MByte Daten gut, aber nicht bis an den Rand gefüllt. Und die zweite "Kammer" enthält eine Diskette. Auf dieser befindet sich der Inhalt des "Amiga/AF_Disk/"-Verzeichnisses der CD-ROM, also neben den zur Erstellung eigener Disketten- und ROM-Abbilder notwendigen "Transdisk"- und "Transrom"-Programmen auch das "MSH"-Filesystem und die amigaseitige Software der Cloanto-Selbstentwicklung "AExplorer", mit dessen Hilfe man von PC-Seite aus über eine serielle oder eine TCP/IP-Verbindung auf die Laufwerke eines Amiga zugreifen kann (etwa so wie "Parnet" zwischen zwei Amigas). Zumindest beim Testexemplar fand hierfür übrigens nicht etwa eine NoName-, sondern eine hochwertige Sony-Diskette Verwendung, was einmal mehr beweist, dass man bei Cloanto erfreulicherweise auch auf das (nur vermeintlich unwesentliche) Detail achtet. Überhaupt ist diese Diskette eine klevere Idee, ermöglicht sie es doch dem "Amiga Forever"-Käufer, der einen PC mit seinem Amiga verbinden will, unmittelbar loszulegen, ohne erst eigene Startdisketten mit der notwendigen Software zu erstellen. Aber natürlich ist das nicht das eigentliche Einsatzgebiet der Silberscheibe. Diese soll ja vielmehr den Amiga zurück auf die PC-Bildschirme dieser Welt bringen. Wie also schlägt sich "Amiga Forever" 2.0 auf einem PC-System ?

Grundvoraussetzung ist zunächst einmal der Besitz eines Pentium-PCs mit mindestens 16 MByte RAM, Hi- oder True-Color-Modus-Grafikkarte und Windows 95/98/NT. Besitzer "minderwertiger" PC-Systeme können die CD-ROM zwar auch nutzen, müssen dabei aber viel von Hand konfigurieren, eine sehr langsame Laufzeit in Kauf nehmen und sollten grundsätzlich ihr System im Griff haben. Aber auch für andere Rechnerwelten ist die CD-ROM nicht von vornherein uninteressant. Im Gegensatz zur Vorabversion enthält sie nämlich nicht nur Versionen der Amiga-Emulatoren "UAE" und "Fellow" für Windows, sondern auch "UAE"-Portierungen für PowerMacintosh-Rechner, Unix-Systeme und sogar für den Amiga selbst (obwohl es zunächst so aussieht, als handele es sich um den auf normalen Amigas lauffähigen Port von Samuel Devulder, entpuppt sich das Programm als die PowerPC-Amiga-Version von Holger Jakob). All diese mehr oder weniger exotischen Varianten erfordern aber einige Eigeninitiative seitens des Nutzers. PPC-Amiga-User und PowerMac-Besitzer können wenigstens auf schon entpackte Programmversionen zurückgreifen und müssen nur die Konfiguration manuell durchführen, der Unix-User hingegen wird wohl nicht umhin kommen, den "UAE" zunächst zu entpacken und dann selbst zu compilieren. Aber er wird das als potentieller "Power User" im Zweifel ohnehin gewohnt sein. Die Versionen für diese drei bis dato nicht bedachten Systeme stellen folglich nur ein zusätzliches "Leckerli" dar, der Schwerpunkt der Zusammenstellung liegt auf den Implementierungen für die Windows 95/98/NT-Systeme, auf die sich auch die Rezension der Emulatorumgebung im folgenden beschränken wird. Interessanterweise ist diese Akzentsetzung in der Kurzbeschreibung auf dem CD-Cover bereits vorweggenommen - wenngleich nur für die französischsprachigen Käufer. Denn während im englischen Überblick noch wenigstens von einer "Experimental PowerMac version" die Rede ist, schweigt sich das französische Pendant (welches es eben offensichtlich gerade nicht in letzter Konsequenz ist) darüber aus. Dafür wird der Frankophile glauben gemacht, das Programm benötige entweder "Windows 95 ou NT 4", während im englischen Text "Windows 95/98/NT" angeführt werden.

Wie schon das Preview verfügt auch Version 2 über eine AUTORUN.INF-Datei, die dafür sorgt, dass schon beim Einlegen der CD-ROM in ein Windows 95/98/NT-System die "MenuBox", das der Benutzerführung dienende Menü, gestartet wird. Im Gegensatz zur Vorabausgabe funktionierte dies diesmal auch tatsächlich auf dem Testrechner - allerdings lief der inzwischen nicht mehr unter Windows 95, sondern unter Windows 98, so dass der Befund nicht zwingend bedeutet, dass dieses Problem nun überall behoben ist. Nicht geändert hat sich jedenfalls (zum Glück) der kurze "Amiga Forever"-Startup-Sound im herrlich nostalgischen Stil einer "translator.library"-Ausgabe. Und auch an der grundlegenden Konzeption des Menüs wurde nichts wesentliches verändert. Nach wie vor bieten ein paar sehr übersichtlich gestaltete und schon fast amiga-intuitiv bedienbare Schalter die Möglichkeit, diverse Emulator-Konfigurationen ("Fellow", sowie "WinUAE", die Windows 95-Variante des "UAE") direkt von CD-ROM zu starten, eine Komplettinstallation auf Festplatte durchzuführen oder die Dokumentation zu lesen. Bei der Emulation ist beachtenswert, dass der "UAE" inzwischen in Version 0.7.0b2 vorliegt und insgesamt etwas flotter wirkt als die Vorgängercompilate. Neu ist dabei insbesondere auch ein Programm namens "UAECtrl", das auf den Workbench-Installationen der "Amiga Forever"-CD-ROM voreingestellt vorhanden ist und die Kontrolle der Emulation (etwa die Möglichkeit eines Hard Reset oder des Beendens des "UAE") komfortabel von der Amiga-Seite aus ermöglicht. Das bis dahin erforderliche Herumgewürge mit obskuren Tastenkombinationen entfällt somit weitgehend. Das (bislang auf Kickstart 1.x beschränkte) Konkurrenzprodukt "Fellow" von Petter Schau liegt ebenfalls in einer im Vergleich zur Preview-CD-ROM aktuelleren Version vor (0.3.2a), an der überdies inzwischen insgesamt vier engagierte Programmierer mitarbeiten. Dennoch dürfte der sehr stabil und mit weitgehender Kompatibilität laufende "UAE" nach wie vor in der Regel die erste Wahl bleiben, zumal man mit ihm sämtliche vorhandene ROM-Versionen nutzen kann. Hier hat sich im übrigen nichts geändert - auch "Amiga Forever" 2.0 enthält dieselben Workbench- und Kickstart-Versionen, die schon im Preview zu finden waren. (Und sie sind auch genauso individuell verschlüsselt, so dass eine unkontrollierte (illegale) Weitergabe nur mit der Gefahr der Zurückverfolgbarkeit stattfinden könnte.) Der Inhalt der ebenfalls wieder vorhandenen Hard-Disk-Pseudo-Amigalaufwerke entspricht dem schon von Version 1 bekannten. Neben eher nachrangig bedeutsamer Software ("AmiToRTF" und "DirDiff") wurde so natürlich auch das hervorragende Cloanto-Malprogramm "Personal Paint" in der aktuellen Version 7.1 auf die "virtuelle" WORK-Partition gelegt. Insgesamt machen die Emulationen einen sauberen Eindruck und sind auch sehr benutzerfreundlich in die CD-ROM eingebunden worden. Der Amiga ist nach Einlegen des Datenträgers in ein leistungsfähiges PC-System (oder nach einer "Amiga Forever"-Installation auf die Festplatte eines solchen Rechners) nun wirklich nur noch einen Mausklick entfernt.

Einige Veränderungen hat es schließlich auch noch bei der Dokumentation gegeben. Diese liegt zwar nach wie vor im plattformunabhängigen HTML-Format und ebenfalls fast durchgängig nur in englischer Sprache vor. Sie wurde jedoch nicht nur auf den aktuellen Stand gebracht, sondern auch um fehlende Elemente ergänzt. An erster Stelle ist hier natürlich das Interview mit dem 1994 verstorbenen Jay Miner, dem "Vater des Amiga", zu nennen. Hier kann man nun auch zum einen die einzelnen Blätter der Patentanmeldung des Amiga (mitsamt Funktionsskizzen des Systems und ähnlichem) als gewaltige GIF-Scans einsehen und sich zum anderen das bislang lediglich in Textform vorhandene Interview im O-Ton anhören, bei dem jedenfalls der recht hohe Tonfall von Miners Stimme überraschend sein dürfte. Man hat hier zudem die Wahl, ob man die drei Gesprächsteile als WAV-Dateien über die Amiga-Audioausgabe abspielen möchte, oder ob man lieber auf die drei Audio-Tracks zurückgreifen will, die sich, wie angekündigt, tatsächlich auf der CD befinden. Für wahre Amiga-Fans ist dieser Part jedenfalls ein echter Leckerbissen, etwas distanzierteren Zeitgenossen mag das ganze durchaus ein wenig wie kultähnliche Heldenverehrung vorkommen. Weniger appetitlich ist aber gerade auch für den Amiga-Anwender, dass der eigentlich brilliante "Amiga Interactive Guide" (AIG), eine Art Enzyklopädie, die so ziemlich alles enthält, was man schon immer über den Amiga wissen wollte, aber nie zu fragen wagte, nach wie vor in einer unsauberen automatisch generierten HTML-Konvertierung vorliegt. Indem wichtige Links nur durch ordinäre Leerzeichen markiert sind, stehen z.B. "Voyager NG"-Nutzer außen vor, da dieser Browser solche Anhäufungen von Leerzeichen, wie in HTML eigentlich üblich, schlicht und einfach ignoriert. Sowohl "AWeb" (3.2) als auch die gängigen PC-Browser haben damit jedoch keine Schwierigkeiten, so dass das "Problem" letztlich alles andere als ein Weltuntergang ist.

Was in einer ein Fazit ziehenden Betrachtung bleibt, ist ein liebevoll und sehr professionell zusammengestelltes Produkt. Allein das ist eine für Amiga-Verhältnisse nachgerade herausragende Leistung. "Amiga Forever" zeichnet jedoch noch mehr aus. Nicht nur, dass die Emulations-Silberscheibe zu einer Zeit geplant wurde, als die Tyschtschenko-Truppe offiziell noch auf die PowerPC-Schiene und die Weiterentwicklung des AmigaOS setzte und vom "Mystery Monster Chip", AmigaOS 5.0(Dev./Prod.) und der Wahrung der Abwärtskompatibilität nur noch über Emulationslösungen noch nicht die Rede war. Die CD-ROM der italienischen Softwarespezialisten ist darüber hinaus nicht nur für PC-Nutzer interessant, die schon immer mal ein Amiga-System haben wollten oder früher mal eins besaßen und nun eine Reise in ihre Vergangenheit wagen möchten. Es lohnt sich aufgrund der Original-Dateien auch für Unix- und PowerMacintosh-Anwender. Und selbst für Amiga-User mag die CD-ROM unter Umständen ihr Geld wert sein, erhält man doch neben "Personal Paint" (welches für sich genommen etwa drei Fünftel des Preises rechtfertigen dürfte) einige "kultige" Informationen, wobei natürlich insbesondere auf das bereits vorgestellte Miner-Interview und den ebenfalls schon erwähnten "AIG" verwiesen sei. Allerdings wird für den normalen Amiga-Anwender der Verkaufspreis von "Amiga Forever 2.0" im Gegensatz zur Preview-Version bereits hart an der Schmerzgrenze liegen. PC-Anwender und Amiga-User, die als Zweitrechner einen halbwegs aktuell ausgestatteten Wintel-Rechner besitzen, bekommen jedoch auch zum Preis von 100 DM noch mehr als einen nur fairen Gegenwert. In jedem Fall darf man auf die Verbesserungen gespannt sein, mit der die CD-ROM in künftigen, bereits angekündigten Versionen noch aufwarten wird (vgl. das Interview mit M. C. Battilana in der "Forum"-Rubrik in diesem "Gadget"). Das Produkt aus dem Hause Cloanto kann aber bereits jetzt rundum überzeugen und ist alles in allem wohl die zarteste Versuchung, seit der PC die Zukunft des Amiga assimiliert hat.

(c) 1998 by Andreas Neumann

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