Februar, CeBIT-Zeit.
Moment. Februar ? Einem der ungeschriebenen Gesetze der EDV-Branche folgend fand die Hannoveraner Computermesse immer im März statt. Doch bekanntlich gibt es ja keine Regel ohne Ausnahme - und in diesem Jahr war dann auch für die CeBIT die Zeit gekommen. Und zwar einen Monat früher als gewöhnlich. Denn da im Frühsommer die Weltausstellung Expo 2000 ihre Pforten öffnen und Millionen Besucher aus allen Himmelsrichtungen, von allen Kontinenten und jeder Kreditkartencouleur anlocken soll, benötigte man diesen zeitlichen Abstand, um noch Gruben für Gastlandpavillons zu graben, Anfahrtswege für Automassen zu asphaltieren und Hütten für heimisches Hilfspersonal hochzuziehen. Also musste die CeBIT des im Binärcode reichlich unspektakulären Jahres %11111010000 in den Februar weichen. Doch vom 24.2. bis zum 1.3. hatte sie dann ihre Pforten noch weiter als sonst geöffnet. Sowohl die Aussteller- als auch die erwarteten (und die später tatsächlich erreichten) Besucherzahlen strebten (einmal mehr) neuen Rekordmarken entgegen. Und die Eintrittspreise erreichten ebenfalls ein Spitzenniveau - 60 DM durfte man für eine ordinäre Eintrittskarte auf den Tisch legen (wo sie sich dann auch prompt ein flinker CeBIT-Mitarbeiter griff). Aber natürlich tat das der Faszination dieses "Megaevents" keinen Abbruch. Und so machte ich mich extra für einen CeBIT-Abstecher von Bonn aus auf den Weg, den Zwischenstopp in Cölbe nur dazu nutzend, um nach Mitternacht noch schnell ein paar Visitenkarten zu drucken. Schließlich sollte mir die Schmach vom letzten Jahr, in dem ich nur mit primitiven schwarz-weißen Visitenkarten ohne e-Mail- und WWW-Adresse aufwarten konnte und mich somit als Neandertaler des Internetzeitalters verspotten lassen musste, nicht mehr widerfahren. Da an den Tagen, an denen der CeBIT-Eintritt für Schüler, Studenten und ähnliche Sozialfälle zu ermäßigten Preisen möglich war - also am Messesonntag und am letzten Tag der Messe, dem CeBIT-Mittwoch -, mit einem noch über das übliche Übermaß hinaus gehenden Besucherandrang gerechnet werden musste, hatten der Kommilitone, mit dem zusammen ich mir die Messe ansehen wollte, und ich uns für eine samstägliche CeBIT-Expedition entschieden. Wie sich herausstellten sollte, war das ein Fehler.
Das Unheil nahm bereits an der Hinfahrt seinen Lauf. Zwar lief der Verkehr bis in Sichtweite des Messegeländes problemlos und flüssig - ausgerechnet auf dem "Messehighway" war dann aber Schluss mit Fortbewegung. Die Stunde im Stau konnten wir uns dann jedoch dank der großartigen CeBIT-Organisation mit einem abwechslungsreichen Rahmenprogramm vergnügen. Da waren zum einen die zahlreichen Zulieferbusse, die über gesonderte Fahrtwege flink gen Messegelände und zurück rasten (zumindest erschien einem das aus der Standperspektive heraus so). Neben all den "Meier Reisen", den "Schmidt Touristiks" und wie sie auch (nicht) hießen, verkehrte dabei auch ein ganz besonderer Bus an uns vorbei (Kenner der deutschen Sprache werden diese grammatikalische Form zwar nicht unbedingt zu schätzen wissen, aber doch hoffentlich ihre Originalität anerkennen). Leider war es auch trotz intensiver Recherche nicht möglich, welche besondere Kundschaft hier kutschierte wurde - hatte AOL seinen Kunden einen eigenen Bus spendiert ? Microsoft ? Lycos ? Die Antwort, mein Leserfreund, kennt wohl nur der Fahrer des "DAU Bus". Doch neben diesem spannenden Logistikgeschehen bekamen wir auch einen beeindruckenden Beweis für die Hartnäckigkeit, mit der sich die "reale" Welt gegen das "Web" stemmt, zu Gesicht. Denn es bedarf keiner Internet-Seiten, um Banner-Werbung ausgesetzt zu sein - ein paar entsprechende Werbe-Banner hinter sich her ziehende (echte) Flugzeuge verwandelten das Umland Hannovers in die wohl realste Website der Welt. Zu dumm nur, dass man nicht einfach weitersurfen konnte, sondern inmitten einer Parade aus Blech, Reifengummi und Abgas gefangen war. Und auch ein Webwasher war weit und breit nicht auszumachen. Doch selbst nachdem dieses Tal durchschritten war, der Stau sich aufgelöst hatte, war der heilige Gral, die CeBIT noch fern. Denn zunächst galt es, einen Parkplatz zu finden - und die Messeparkplätze waren dicht. Dabei bewies das Verkehrsleitsystem beinahe schon schwarzen Humor. Immer wenn man eine Einfahrt in einen der um das Messegelände herum gelegenen Parkplätze erreicht hatte, verkündete die elektronische Anzeigetafel, dass dieser Parkplatz zwar voll, die beiden nächsten aber frei seien. Diese Auskunft war aber obsolet, kaum dass man diesen (angeblich freien) nächsten Parkplatz erreicht hatte. Jetzt waren nur mehr die beiden nächsten Parkplätze als frei ausgeschildert. Als in deutscher Volksliteratur halbwegs kundiger Zeitgenosse erwartete man jede Minute, einen Igel zu sehen, der freudestrahlend "Ick bün ol da." verkündet. Doch dann war es, nach unzähligen Kreisfahrten, vorbei an Expo-Baustellen und endlosen Autokolonnen, endlich geschafft, der CeBIT-Besuch 2000 konnte beginnen.
Aufgrund der durch die geschilderten Unannehmlichkeiten verursachten Verspätung war es jetzt bereits nach 13 Uhr, es blieben also nur noch fünf Stunden, bis die Messe ihre Tore schon wieder (für den Samstag) schließen würde. Zum Glück war die Liste der Stände, denen ich unbedingt einen Besuch abstatten wollte, ziemlich kurz geraten - das Verschwinden des Amiga in der Bedeutungslosigkeit hat auch seine guten Seiten. Wie es das Schicksal so wollte, betraten wir die Messe durch einen direkt an Halle 1 gelegenen Eingang, so dass einer "ordentlichen" Messebesichtigung von vorne nach hinten nichts mehr im Wege stand. Schon in der (wirklich) ersten Halle zeichnete sich der Trend ab, der jedenfalls den EDV-relevanten Teil der CeBIT 2000 beherrschte. Noch stärker als im ohnehin schon Linux-trunkenen Vorjahr feierte die Branche in diesem Jahr das kostenlose Betriebssystem. Jede Firma, die etwas auf sich hielt, präsentierte eine Linux-Version ihrer Software (oder kündigte sie zumindest an), bzw. einen Linux-Treiber für ihre Hardware (oder kündigte ihn zumindest an), allerorten waren Pinguine, die zum offiziellen Linux-Maskottchen herangewachsenen Lieblingstiere des Linux-Schöpfers Linus Torvalds, zu sehen. Eine der prominentesten Firmen, die ihre gesamte Unternehmenspolitik auf das Open-Source-Betriebssystem zugeschnitten hat, ist wohl Corel. Deren Stand in Messehalle 2 galt dann auch mein erster ausführlicher Erkundungsgang, der sich aber, wie könnte es anders sein, gleich unerwarteten Schwierigkeiten ausgesetzt sah, da die Standmitarbeiterin aus dem Corel-Heimatland USA stammte und ich demzufolge mein schauerliches Schulenglisch bemühen musste. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass Corels bedeutendste Eigenleistung bei der Erstellung der hauseigenen Linux-Distribution "Corel Linux" wohl die Namensgebung und die Gestaltung des (KDE-)Desktops war. Weitaus bedeutender wird da schon die nachfolgende Veröffentlichung der bekanntesten Softwaretitel aus dem Hause Corel für Linux sein - wobei allen voran natürlich das "Corel Office" mit der mächtigen Textverarbeitung "Wordworth" zu nennen wäre. Auf die Frage, ob es denn Planungen für eine 68k-Version von "Corel Linux" gebe, wusste die gute Frau jedoch keine Antwort und ihr angeblich fachkundigerer Kollege war leider im Moment beschäftigt, so dass ich an dieser Stelle meinen Aufenthalt an diesem Stand beendete.
Mein Weg führte mich nun zu dem gewaltigen (aber dennoch überfüllten) Stand des Redmonder Softwaregiganten Microsoft. Hier war Linux selbstverständlich genausowenig ein Thema wie irgendwelche Kartellverfahren. Statt dessen wurden die verschiedenen Windows-Versionen und die anderen Softwareaktivitäten Microsofts gefeiert. Im Zusammenhang mit der "Embedded"-Windows-Version Windows CE gab es dabei auch eine interessante Entwicklung zu besichtigen - das "eBook". Dabei handelt es sich um ein Handheld-Gerät, in dessen Speicher der Inhalt eines Buches (oder auch mehrerer Bücher) übertragen werden kann. Hat man dieses Buch gelesen, kann man es durch neue Buch-Daten ersetzen. Dieses Konzept eines "papierlosen Buches", das schon lange durch die Hirne der Zukunftsforscher spukt, scheint im Jahre 2000 Realität zu werden. Dabei war Microsofts Konkurrenz mal wieder schneller als der Dinosaurier aus Redmond - die Firma "Rocket" bietet bereits seit einigen Wochen eine solche Technologie an. Wann es bei Microsoft so weit sein wird, wusste der Standmitarbeiter jedoch nicht zu sagen. Das sei alles noch nicht fertig, werde aber ganz bestimmt sehr bald kommen. Die zentrale Frage bei der Einführung eines solchen elektronischen Buches dürfte das Interesse der großen Buchverlage an einer Zusammenarbeit betreffen - denn Erfolg kann das "eBook" nur haben, wenn außer dem "Faust" und anderen urheberrechtsfreien Klassikern auch aktuelle Bücher zur Verfügung stehen. Folglich wollte ich wissen, wie denn hier das Interesse der "Literaturindustrie" sei. Genaues könne er mir da leider nicht sagen, so die wenig befriedigende Antwort, aber es würden ganz bestimmt sehr bald entsprechende Vereinbarungen getroffen werden. (Konkurrent Rocket hatte auch hier die Nase vorne - in einer spektakulären Aktion konnte man dem eigenen Produkt zu einer beeindruckenden Werbekampagne verhelfen, indem Horrorautor Stephen King eine Kurzgeschichte mit dem Titel "Riding The Bullet" exklusiv in elektronischer Form publizierte und das allerdings kostenlos angebotene Werk in kürzester Zeit hundertausendfach "aus dem Internet" heruntergeladen wurde.) Aber auch auf die Frage, wie man denn verhindern wolle, dass einmal (etwa über das Internet) bezogene Inhalte nicht beliebig vervielfältigt und anderen "eBook"-Nutzern zur Verfügung gestellt werden, wusste der Microsoft-Mitarbeiter nur zu sagen, dass das zwar alles noch nicht fertig sei, aber ganz bestimmt sehr bald kommen werde. (An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass es Hackern nach nur wenigen Tagen gelungen war, ähnliche technische Sicherungen zu überwinden, mit denen die King-Novelle "Riding The Bullet" geschützt werden sollte.) Überhaupt ist die rechtliche Seite des ganzen eBook-Projektes sehr interessant. Als aufschlussreiches Detail am Rande verkündete Microsofts Werbeprospekt, dass durch die zum Schutz des geistigen Eigentums entwickelte "Bookplate Technologie" "auf der Titelseite eines Buches oder Magazins [..] der Name des Käufers elektronisch verschlüsselt und [so] die unzulässige Weitergabe verhindert [wird]". Nachdem man in den letzten Jahren versucht hat, den Erschöpfungsgrundsatz für den Bereich der Computerprogramme auszuhebeln (vgl. dazu den Artikel "Die Allmacht des Urhebers" im "Forum" dieser Ausgabe), scheint man dies nun auch bei (elektronischen) Büchern zu versuchen. Schöne neue Microsoft-Welt.
Eine ganz eigene Welt glaubt auch eine andere große EDV-Firma geschaffen zu haben. Die deutschen Bürosoftware-Experten der SAP haben, spät aber dafür konsequent, das Internet für sich entdeckt und mit mySAP.com etwa entwickelt, was sie einen "virtuellen Marktplatz" nennen. Da die juristische Suchmaschine Metalaw, die mein Kommilitone kreiert hat und betreut, in diesen Marktplatz integriert wurde, wollten wir uns das mal näher ansehen und begaben uns zum SAP-Stand. Es folgte ein recht obskures Gespräch, in dem wir vor allem folgendes lernten: Was genau ein "virtueller Marktplatz" sein soll, kann man selbst bei SAP nicht erklären. Der Hauptunterschied zu einem "klassischen" "Portal" liegt aber wohl darin, dass er sich nicht in erster Linie an den Endkunden richtet. Statt dessen soll er eine andere Zielgruppe anlocken - die im "b2b"-Bereich tätigen Unternehmen. Dieses peinliche (aber inzwischen wohl verbreitete und von dem SAP-Mitarbeiter offensichtlich gerne verwendete) Kürzel steht für "business to business", den (elektronischen) Handel von Firmen mit anderen Firmen, und im Gegensatz zum "klassischen" "b2c", dem "business to customer"-Geschäft. MySAP.com soll also im Prinzip nichts anderes sein als ein virtueller Warenumschlagplatz - wenn Unternehmen A nach einem bestimmten Produkt Ausschau hält, das es für seine Fertigungsabläufe benötigt, kann es sich hier die entsprechenden Angebote der Firmen B, C und D ansehen. Des Weiteren kann es die Ware dann natürlich auch sofort bestellen, wobei die gesamte Rechnungsführung und logistische Planung ebenfalls von der mySAP.com unterliegenden SAP-Wollmilchsau R/3 übernommen wird. Das ganze ist so naheliegend wie banal, dass der Wirbel, den SAP darum macht, reichlich obskur erscheint. Als Ergänzung bietet mySAP.com den Besuchern des Marktplatzes noch diverse Informationsdienste an, wie z. B. Nachrichtenticker diverser Zeitschriftenredaktionen oder eben den Zugriff auf Metlaw. Wenig beeindruckt überließen wir SAP dem "b2b"-, "b2c"- und "r2d2"-Geschehen.
Den ersten Stand, der auf meiner Liste zum Besuch vorgemerkt war, fand ich dann in Halle 3. Und es war ein Stand, dem ich mich mit gemischten Gefühlen näherte. Anders als noch 1999 war es nicht unbedingt sicher, ob man als Amiga-Anwender bei dem ursprünglich als OS-Partner für den Amiga der nächsten Generation vorgesehenen, später jedoch abgesägten Betriebssystemspezialisten QNX gerne gesehen würde. Denn der hatte sich, anders als Amiga, auch diesmal wieder einen Messestand in Hannover geleistet, auf dem voller Stolz die eigene Produktpalette präsentiert wurde, freilich mit einem Schwerpunkt auf deren vorführtauglicheren Bestandteilen, wie insbesondere der Kombination aus dem QNX-Betriebssystem und der grafischen Benutzeroberfläche Photon microGUI. Und erstaunlicherweise erklärte der mit dem Reizwort "Amiga" konfrontierte Standmitarbeiter, dass man diesem Rechner (und seiner Anhängerschaft) durchaus nicht grolle. Es sei nur eben traurig, dass dort ständig Mangement und Firmenstrategie ausgetauscht würden, eine Zusammenarbeit auf professionellem Niveau sei da kaum möglich. Auf die Frage, wie es denn mit den Plänen für ein "eigenes" Rechnersystem auf der Basis des QNX-Betriebssystems steht, stellte der sehr freundliche QNX-Angestellte schließlich Neuigkeiten im Laufe des Jahres in Aussicht. Man verfolge diese Pläne weiter, könne zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch nicht über den Stand der Verhandlungen mit dem (oder den ?) Hardware-Hersteller(n) sagen. Zum Abschied hieß es dann zwar weder Servus, noch gab es - wie im Jahr zuvor - eine praktische QNX-Tragetasche, aber das berühmte "unglaubliche 1.44 MB Demo", das auf einer bootfähigen Diskette (für Intel-PCs) das QNX-Betriebssystem (mit GUI), einen TCP/IP-Stack, einen PPP-Dialer, einen WWW-Browser und -Server sowie zahlreiche weitere kleinere Beispielprogramme enthält, nahm ich dann doch wieder gerne mit. Aber QNX war nicht die einzige Attraktion in Halle 3. Zuvor hatte ich noch (sehr kurz) bei Applix, den Herstellern der Linux-Office-Suite "Applixware" (aktuell in Version 5.0), und vor allem beim Stand der SuSE GmbH vorbeigeschaut. Allerdings handelte es sich nicht im eigentlichen Sinne um DEN Stand der SuSE GmbH, sondern vielmehr um EINEN Stand der SuSE GmbH. Denn der Hersteller der hierzulande wohl populärsten Linux-Distribution für x86-PCs war gleich in mehreren Hallen vertreten. Die kundenwirksamste Präsenz hatte man jedoch hier in Halle 3 errichtet, befand sich dort doch auch der im schlimmsten Werbedeutsch "KDE-Demopoint" genannte Stützpunkt der KDE-Entwicklermannschaft. Bei KDE handelt es sich um ein Projekt, das sich zum Ziel gesetzt hat, Linux dem Mainstream zu öffnen, in dem u. a. eine einfach zu bedienende grafische Benutzeroberfläche entwickelt, ein an Windows angelehntes Look & Feel zur Verfügung gestellt und eine Anzahl diverser unverzichtbarer Tools (wie z. B. ein Dateimanager) programmiert wurde. Für Mitte 2000 ist nun nicht nur die komplett überarbeitete KDE-Version 2, sondern auch das lange erwartete "K-Office" angekündigt. Dabei wird es sich um eine Open-Source-Office-Suite mit allem Drum und Dran, insbesondere also auch einer Textverarbeitung handeln. Über den gegenwärtigen Stand der Entwicklung berichtete dann eine Demonstration an eben diesem "Demopoint", die ich mir eigentlich ansehen wollte, dann nach etwa einer Viertelstunde aber verließ, nachdem der äußerlich ein wenig an den "fxPAINT"-Programmierer Felix Schwarz erinnernde KDE-Statthalter keine Anstalten machte, außer einer Wiedergabe bekannter und unspektakulärer Fakten auch Einblicke in zukünftige Entwicklungen zu gewähren. So blieben im Wesentlichen zwei Erkenntnisse über KDE: Zum einen hat man nun ein echsenähnliches Maskottchen namens "Konqi", welches (so der Schwarz-Doppelgänger) bei Frauen gut ankommt. Und zum anderen wird der neue Dateimanager und WWW-Browser von KDE 2 "Konqueror" heißen, da nach den Navigatoren und den Forschern (Explorer) die Zeit der Eroberer gekommen sei. Das zumindest ist ja eine ganz hübsche Idee.
Die sich anschließende Halle 4 war dann jedoch recht enttäuschend - sowohl die Messepräsenz des Otto-Schmidt-Verlages, bei dem die juristische Fachzeitschrift "Computer und Recht" erscheint, als auch der Messestand des großen C. H. Beck-Verlages erwiesen sich als sowohl flächenmäßig als auch inhaltlich unbedeutend. (Vor allem gab es auch in diesem Jahr leider keine Gratisexemplare von Publikationen der beiden Verlage zu ergattern.) Und auch Messehalle 5 war wenig geeignet, Begeisterung hervorzurufen. Der Stand des Heise-Verlages ("c't", "ix") sah genauso aus wie in den Vorjahren - und auch ansonsten hatte sich hier nicht viel verändert. Außer einer CeBIT-Messeausgabe der "ix", die tatsächlich eher einem Messekatalog denn einer Sonderausgabe des "Magazins für professionelle Informationstechnik" ähnelte, bot die Heise-Crew auch im Jahr 2000 die Möglichkeit einer Zertifizierung des eigenen PGP-Schlüssels an. Nützlich und lobenswert, aber schon bekannt und wenig spektakulär. Das galt auch für andere Stände renommierter EDV-Fachverlage (wie z. B. Markt & Technik oder Addison-Wesley): außer Neuheiten-Katalogen (fast) nichts gewesen. Sogar der Besuch des Sun-/Star Office-Standes war wenig erhellend. Für Heiterkeit sorgte lediglich ein Gespräch, das zwei andere Messebesucher mit einem der Star Office-Präsentatoren führten. Bei den beiden handelte es sich offensichtlich um Geschäftsleute, die sich darüber, dass "Star Office" inzwischen kostenlos erhältlich ist, nur bedingt begeistert zeigten, da sie zu einer Zeit, als das noch nicht so war, wohl nicht unbedeutende Mengen Geld für den Erwerb einer entsprechenden Anzahl von "Star Office"-Lizenzen aufgebracht hatten. So richtig nach hinten ging dann aber erst der Versuch des offensichtlich um eine sinnvolle Erwiderung verlegenen Standmitarbeiters los. Sie sollten sich nicht so aufregen, schließlich bestünden ja nach wie vor bedeutende Unterschiede zwischen den Nutzern der frei vertreibbaren Version und den (zahlenden) Geschäftskunden. Letzteren stünde nämlich vor allem der Sun-Support zur Verfügung, und "dessen einzigartige Qualität kennt man ja". Schallendes Gelächter bei den beiden Messebesuchern. Aber außer diesem kleinen realsatirischen Intermezzo, der Information, dass an der neuen (natürlich supertollen) Version 5.2 mit Hochdruck gearbeitet werde und einer kostenlosen CD-ROM mit der derzeit aktuellen "Star Office"-Version 5.1 war auch dieser Stand wenig ertrag- und erkenntnisbringend. Interessanter wurde es da schon wieder in Halle 6. Hier befand sich ein großer "USA"-Bereich, in dem viele kleinere Firmen aus den Staaten versammelt waren. In dem Teil dieses Bereiches, der aufgrund der gewaltigen Menschenmassen, die um den knappen Lebensraum in den Gängen konkurrierten, kaum begehbar war, waren die Messestände zahlreicher im Linux-Markt aktiver Unternehmen zu finden. Offenkundig trieben einige Messeplaner sadistische Neigungen um. Anders ist es jedenfalls nicht zu erklären, warum man hier bei der Planung der Standverteilung nicht für eine etwas sinnvollere Streuung gesorgt hatte. Das Desaster dann auch noch als "Linux-Pavillon" zu bezeichnen, zeugt jedenfalls von Chuzpe. Da ich meine knappe Zeit für Sinnvolleres nutzen wollte, als mich durch ein Gedrängele zu kämpfen, welches mühelos mit einem Winter- oder Sommerschlussverkauf konkurrieren könnte, beschränkte ich mich auf den (ob des Massenansturms erfolglosen) Versuch, bei den Herstellern der international äußerst erfolgreichen Linux-Distribution "Turbo Linux" über etwaige Pläne bezüglich einer Version für 68k-Linux nachzufragen, und ein kurzes Gespräch mit zwei Mitarbeitern am RedHat-Stand, die beide nicht wussten, wie es um die hauseigene 68k-Linux-Distribution steht, und ob und gegebenenfalls von wem diese zurzeit gepflegt wird. Es ist schon bezeichnend, wie schnell man in der Welt des ehemaligen "Außenseiter"-Betriebssystems Linux die Existenz von Außenseiter-Computersystemen verdrängt.
Da in der Vergangenheit die "Wissenschaftshalle" einerseits immer einer der Höhepunkte war, ich ihr andererseits immer nur viel zu wenig Zeit widmen konnte, sollte ihr in diesem Jahr deutlich mehr Aufmerksamkeit zuteil werden. Allein sechs Stände harrten, meiner vorläufigen Interessenliste zufolge, eines Besuches. Doch, wie so oft, kam es unverhofft - und der (zeitintensive) Höhepunkt der Besichtigung dieser Halle gleich zu Beginn. Dazu eine kleine Hintergrundinformation - seit über zwei Jahren versuchen der Kommilitone, mit dem zusammen ich die CeBIT besuchte, und ich, vom Marburger Hochschulrechenzentrum eine Auskunft über die von ihm über uns gespeicherten personenbezogenen Daten zu erhalten. Nachdem Ende 1999 endlich die ersten Informationen preisgegeben wurden, entschloss man sich wohl, solch lästiger Kontrolle der eigenen Tätigkeit einen Riegel vorzuschieben. Jedenfalls wurde auf der rechenzentrumeigenen Neuigkeitenseite verkündet, dass darüber nachgedacht werde, den Internet-Zugang für Studierende in der bisherigen Form abzuschaffen - eine zweifelsohne einfallsreiche und elegante Endlösung, vor dem Hintergrund der angeblich kommenden Informationsgesellschaft und der bereits bestehenden Bedeutung der Online-Kommunikation zu Studienzwecken jedoch auch durchaus spektakulär. Sollte Roland Koch den Schröder-Slogan "Schulen ans Internet" wirklich mit "Hochschulen raus aus dem Internet" kontern wollen ? Immerhin war vor der Landtagswahl die (geschickt kaschierte) Forderung nach einem Rausschmiss (mit Ausländern als dem "Objekt" des Rausschmisses) ja sehr erfolgreich gewesen. Da die deutschen Hochschulen das Deutsche ForschungsNetz (DFN) nutzen, lag es nahe, einfach mal die Netzbetreiber, den DFN-Verein, zu befragen. Und so machten wir an diesem Stand, über den wir beim Betreten der Halle quasi gestolpert waren, erstmal Halt. Erstaunlicherweise war dann nach nur einmaliger Weiterverweisung auch eine kompetente Ansprechpartnerin gefunden, die sich allerdings über den Gedanken, dass sich eine deutsche Hochschule aus dem Internet verabschieden könnte, zutiefst verwundert zeigte. Dass es solche Überlegungen gebe, sei ihr auch nicht bekannt. Sie selbst habe die Erfahrung gemacht, dass der Bereich des Datenschutzes in der Hochschulverwaltung oftmals ein weites, aber unerschlossenes Feld sei. Nach diesem sehr interessanten Gespräch wandten wir uns dann dem praktisch in unmittelbarer Nachbarschaft gelegenen Stand des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (bmb+f) zu. Auf einer beeindruckenden Standfläche wurde hier u. a. auch die Initiative "Schulen ans Netz" (oder - inoffiziell - "Wie arrangiere ich publikumswirksam eine Werbekampagne, von der sowohl die Deutsche Telekom AG als auch deren größter Anteilshaber, der Bund, profitiert ?") vorgestellt. Eigentlich hätte man annehmen können, dass auch hier Interesse an Fragen des Datenschutzes bei der Internet-Nutzung im Rahmen von Einrichtungen der Bildung und Ausbildung bestünde. Doch bevor man auch nur nachfragen konnte, musste man zunächst ein wenig Geduld an den Tag legen, da das vielköpfige Standpersonal sehr beschäftigt war. Zu dritt beriet man einen Besucher, der eigentlich nur eine Broschüre haben wollte - offenkundig griff das Ministerium also nicht auf externes Standpersonal zurück, sondern hatte hoch motivierte und effizient arbeitende Mitarbeiter aus den Tiefen des eigenen Personalbestandes nach Hannover abgeordnet. Wenig beglückend entwickelte sich dann auch das Gespräch. Dass man vom Datenschutz keinerlei Ahnung hatte (und sich auch noch nicht einmal die Mühe machte, wenigstens ein auch nur abstraktes Interesse zu heucheln), durfte beinahe erwartet werden. Dass man aber auch zum Thema "Schulen ans Netz" nichts zu sagen hatte, untertraf dann aber doch sogar minimalste Erwartungen. Und selbst das vorhandene Broschürenmaterial unterstrich den Eindruck, dass angesichts dieses Bulmahn-Ministeriums Inder den hierzulande ausgebildeten Kindern auf jeden Fall vorzuziehen sein dürften.
Dabei waren auch in diesem Jahr die Hochschulen wieder stark vertreten und (meistens erfolgreich) bemüht, die EDV-Kompetenz und Zukunftsfähigkeit der ehemals dem Humboldtschen Bildungsideal ausgelieferten Forschungsstätten unter Beweis zu stellen. Die hessischen Universitäten hatten sich dabei in der bereits im letzten Jahr vorgestellten Initiative "hessen media" verbunden, die interessanterweise diesmal das Konzept einer "Virtuellen Universität Hessen" propagierte, mit der auch die Philipps-Universität Marburg verbunden sein sollte. Man darf gespannt sein, wie das bei gekappter Internet-Anbindung realisiert werden soll. Unser besonderes Augenmerk galt aber natürlich der Messepräsenz unserer Universität, konnten die CeBIT-Beiträge aus Marburg in den letzten Jahren doch regelmäßig für Heiterkeit (und gelegentlich auch Erstaunen) sorgen. Aber heuer war man gleich mit mehreren Projekten angereist. Wir entschieden uns dabei, unsere Aufmerksamkeit vor allem dem Messebeitrag des Physiologischen Institutes zu widmen - nicht zuletzt, weil dieser mit einer schön bunten und gegenständlichen Bildschirmausgabe lockte. Mit "SkinSenses", so der Name des Programmes, will man eine neue Reihe interaktiver Lernprogramme für die medizinische und biologische Ausbildung unter dem Oberbegriff "cLABs" (was etwas gekünstelt für "virtuelle Computer LABorS für die Lehre" stehen soll) begründen. "SkinSenses" soll dabei ein "vollständig ausgestattete(s) virtuelle(s) Labor" zur Durchführung von Experimenten über die Funktionszusammenhänge bei der Reizung von Hautnerven simulieren. Statt an einem echten Frosch seine frankensteinschen Ambitionen ausleben zu dürfen, soll sich der Biologie- und vor allem der Medizin-Student nach der Vorstellung der Projektleiter nur mehr an einem virtuellen Stück Froschhaut produzieren. Ergänzt wird diese Stromstoßsimulation durch diverse Datenanalyse-Funktionen, Online-Tutorien und ähnliche Extras. Wirklich interessant wird das Ganze für den außenstehenden Computerinteressierten jedoch durch die Umsetzung, zu der uns der vorführende Jungwissenschaftler, vermutlich der Programmierer selbst, bereitwillig, freundlich und gewitzt Rede und Antwort stand. All diese Programmfunktionen sind nämlich über eine Art "Hauptmenü" anwählbar, das stark an Strategiesimulationen wie "SeaSide", "Oil Imperium" und ähnliches erinnert - und das gilt auch für das "Look & Feel", welches doch weit stärker an die Bemühungen der frühen neunziger Jahre erinnert als an das angebrochene 21. Jahrhundert. Da passt es ins Bild, das der ganze Zauber, der übrigens für eine hochpreisige kommerzielle Vermarktung vorgesehen ist, weder in C++, noch in C oder auch nur in Delphi geschrieben wurde. Nein, laut Auskunft des Programmierers kam ein wahrer Klassiker, das berühmt-berüchtigte GFA-Basic zum Einsatz. Zeitgemäßer (wenngleich andererseits auch nicht so sympathisch) wirkten die anderen Messeexponate aus den Laboren der Philipps-Universität, die wir uns allerdings nur oberflächlich ansahen. Die "Temporal Data Mine" schien dort anzuknüpfen, wo das Projekt des Jahres 1999 endete. Und auch die "Artificial Life Forms" (ALF) wirkten eher wie das zweifelsohne anspruchsvolle, letztlich aber doch etwas blutleere Projekt ambitionierter KI-Wissenschaftler. Da hilft es auch wenig, dass ein ALF-"DataBot", eine künstliche, zur Selbstorganisation fähige Lebensform, laut Beschreibung "Augen, eine Nase und Beine, mit denen es sich im Universum bewegen kann", hat, und von der zugehörigen Werbebroschüre PacMan-artige Wesen grinsen.
Weiter ging es nun zu einem Aussteller, den man nicht unbedingt in dieser Messehalle erwartet hätte. Doch der aus der Pios AG hervorgegangene Hildesheimer SetTop-Box-Hersteller Met@box zeigte neben seiner "Hauptniederlassung" in Halle 10 auch hier - als Unteraussteller - Präsenz. Aber leider war der Ertrag einer Befragung der anwesenden Met@box-Mitarbeiter äußerst gering. Der von seinem Kollegen noch als Experte für die Turbokarten-Entwicklung angepriesene "Technische Produkt Manager" Ralf Riedel wusste über den Stand der amiJOE-Entwicklung und etwaige weitergehende Zukunftspläne nur zu berichten, dass man den zuständigen Entwickler bereits wieder zurück nach Hildesheim geschickt habe, damit dieser ohne Unterbrechung weiterarbeiten könne. Auch über die Umstände, die zum Ausscheiden von Dr. Peter Kittel aus dem Unternehmen vor nun auch schon bereits weit über einem Jahr geführt hatten, war nichts zu erfahren - er selbst sei erst seit ein paar Monaten dabei, wisse überhaupt nichts über diese frühe Zeit. Doch ganz umsonst war der Met@box-Abstecher dann nun auch wieder nicht. Freundlich bot Riedel Gummibärchen an, die in kleinen Met@box-Tütchen verpackt als Werbeträger die Gaumen und Magenschleimhäute der Kunden eroberen sollten. Aber offensichtlich muss man auch in Hildesheim sparen - und so offerierte er mitnichten eine (oder gar mehrere) der Mini-Tütchen (mit jeweils vielleicht einem halben Dutzend der kleinen Gelatinemonster), sondern hielt uns munter kauend lediglich seine eigene, bereits angebrochene Gummibärchen-Tüte hin. Bis zum Global Player der Entertainment Society ist also doch noch ein weiter Weg zurückzulegen. Erfreulicherweise verleugnet man bei Met@box jedoch seine Vergangenheit nicht und verkündet in der aufwendig gestalteten DINA4-Werbebroschüre "Die Welt zu ihren Füßen" stolz (aber sprachlich durchaus verbesserungsfähig):
"An der Spitze der Met@box-Mannschaft steht ein international besetztes Team mit sechs profilierten Köpfen. Das Management besitzt umfangreiche Erfahrung in Entwicklung und Vertrieb von Hardware und Software, das sie sich zu einem guten Teil im Amiga-Umwelt erwarb. Der Hersteller des Heimcomputers Amiga, Commodore, setzte bis in die 90er Jahre Maßstäbe bei der Entwicklung leistungsfähiger Kleinrechner, ausgefeilter Videogames und benutzerfreundlicher Software."
Doch damit sollen die Expeditionen in die Niederungen privatwirtschaftlicher Aktivität vorerst beendet sein - zurück zum weihevollen Wirken staatlicher Kräfte. Und da, der klägliche Auftritt des bmb+f bewies es aufs Erbärmlichste, das Internet hierzulande von Vater Staat offensichtlich weniger als ein Medium der Bildung, des Wissenstranfers und der Forschung angesehen wird, richtete sich meine Hoffnung auf ein anderes Bundesministerium, das sich zuvörderst mit einer anderen, weit profaneren Seite des "Netzes der Netze", nämlich dem so genannten "e-Commerce" beschäftigt. Und tatsächlich war das Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie (BMWi) mit großem Gefolge angereist und präsentierte einen gewaltigen Messestand. Der wurde allerdings vor allem für ein obskures Schauspiel benutzt, dessen Zeuge zu werden ich das zweifelhafte Vergnügen hatte. Auf einer Art Laufsteg präsentierte ein bemüht begeisterter Moderator diverse Gestalten in bizarren Kostümen. Doch was man durchaus für einen Hannoveraner Ableger der "Christopher Street Day"-Parade oder ähnlich schriller Massenselbstdarstellungen hätte halten können, war in Wirklichkeit der absurde Versuch, Begriffe des e-Commerce-Zeitalters visuell darzustellen. Ihren Kopf (und den Rest ihres Körpers) mussten dafür Studenten einer Berliner Kunsthochschule hinhalten, die in selbstgebastelten Kostümen vor einer erstaunlichen großen Zuschauerzahl auf- und abparadieren mussten. Und so bekam der erstaunte Messebesucher zu sehen, wie sich ein Modemacher einen "Virus", eine "e-Mail" oder "Verschlüsselung" vorstellt. Wäre diese Veranstaltung nicht vom BMWi offiziell als kreatives Meisterwerk abgefeiert worden, man hätte es für eine gelungene Satire halten können. Dennoch gebührt den Beteiligten natürlich Respekt für das (angeblich) unentgeltliche Engagement und die Bereitschaft, sich öffentlich die Narrenkappe aufzusetzen. Erheblich interessanter waren aber jedenfalls die unzähligen Broschüren und Dokumentationen (sowie natürlich die schmucke BMWi-Jutetasche), die an einer anderen Ecke des Standes zur Mitnahme bereit lagen. Obwohl diese inhaltlich ein breites Spektrum abdeckten (so gab es u. a. eine Übersicht über die "Energie Daten 1999"), lag der Schwerpunkt doch eindeutig auf dem Bereich der (immer noch) neuen Medien. So gab es für Existenzgründer, kleine und mittlere Unternehmen eine ausführliche Übersicht über "Kompetenzzentren für den Elektronischen Geschäftsverkehr" und der eher an den rechtlichen und politischen Rahmenbedingungen interessierte Messebesucher konnte gleich aus einer Vielzahl verschiedener Materialien auswählen. Zu nennen wären dabei insbesondere eine nicht mehr ganz so frische Übersicht über die Initiative der (alten) Bundesregierung "Digitaler Rundfunk" vom September 1998, der Zwischenbericht der Prognos AG zum Benchmarking-Projekt "Informationsgesellschaft in Deutschland - Daten und Fakten im internationalen Vergleich" (August 1999) und die Studie "Multimedia: Potentiale nutzen - Beschäftigung schaffen" (September 1999), die im Auftrag des Ministeriums von Booz, Allen & Hamilton erstellt wurde. Die aktuellste und umfangreichste "Dokumentation" war aber die Untersuchung der Secorvo Security Consulting GmBH zum Thema "Jugendschutz und Filtertechnologien im Internet", die im Spätsommer 1999 abgeschlossen und Anfang 2000 öffentlich bekannt gemacht wurde. Das über 150 Seiten starke Dokument beschäftigt sich mit der seit langem kontrovers diskutierten Frage, ob und wie jugendgefährdende Inhalte im Internet kontrolliert werden können. Anders als so manches Vorgängerwerk zeichnet sich die Studie durch eine eingehende und weithin durchaus kompetente Befassung mit den technologischen Gegebenheiten aus, auch wenn sich die Gewichte in der öffentlichen Debatte durch den Vorstoß der Musikindustrie, mit dem "Right Protection System" (RPS) ein umfassendes Filtersystem für den Internetverkehr mit dem Ausland auf rein privatwirtschaftlicher Ebene einzuführen, mittlerweile drastisch verlagert, die Fragestellungen erheblich verändert haben. Und natürlich unterlief auch Secorvo der aufgrund des kollektiven Tunnelblickes in Medien, Politik und Wirtschaft heutzutage beinahe schon alltägliche Fehler, das Internet mit seinem Teilbereich WWW (der, das sei als technischer Hintergrund für die insoweit nicht vorgebildeten Leser erwähnt, auf HTTP basiert, dem HyperText Transfer Protokoll, das den Datenaustausch (in der Regel) über Port 80 realisiert) gleichzusetzen:
"Bei regulären Internet-Providern ist dies immer dann der Fall, wenn die Kunden entweder nichtöffentliche IP-Adressen nach RFC 1597 erhalten (10.x.x.x, 172.16.x.x oder 192.168.x.x, so zum Beispiel bei Germany.Net oder Metronet) oder wenn der Provider direkte Verbindungen zu Servern über den normalerweise für Internet verwendeten Port 80 sperrt (einige regionale Netsurf-Anbieter) und so die Nutzung seines Proxy-Servers erzwingt."
Inzwischen war es bereits gegen 17 Uhr, der Messeschluss rückte unbarmherzig näher, Amiga-relevante Neuigkeiten waren nicht in Sicht und, viel schlimmer, mir war es immer noch nicht gelungen, auch nur eine Visitenkarten an den Mann (oder hilfsweise auch die Frau) zu bringen. Vielleicht würde sich ja in Messehalle 17 (man beachte die Übereinstimmung mit der Uhrzeit und freue sich über ein gutes Omen) die Gelegenheit dazu ergeben. Hier stand zunächst ein Abstecher zur RWE auf dem Programm. Nachdem die Sau schon in den letzten Jahren immer wieder durchs CeBIT-Dorf getrieben worden war, hatte diesmal der Essener Stromkonzern mit großen Ankündigungen und verlockenden Versprechungen die Medienführerschaft in Sachen "Powerline (Communication)" (PLC) übernommen. Hinter diesem Namen verbirgt sich bei RWE die Entwicklung einer Technologie, die vorhandene Stromleitungen zur Datenübertragung nutzbar machen soll. Über spezielle Modems soll es so möglich werden, Computer aber auch ganz normale Telefonapparate quasi an die Steckdose anzuschließen, und die Stromleitung dann wie eine herkömmliche Telefonleitung zu nutzen - angeblich in ISDN-Qualität. Dazu wird der Transformator des örtlichen Stromnetzes mit einem Router versehen, der die Kommunikationsdaten ins öffentliche Telefonnetz oder ins Internet weiterleitet. Die hinter dieser Idee steckende Technik ist schon seit vielen Jahrzehnten bekannt und auch dem Verbraucher u. a. vom "Babyfon" her geläufig. Deswegen verwundert es nicht, dass als weitere Anwendungsfelder der PLC-Technologie die hausinterne Kommunikation (z. B. vom ersten in den zweiten Stock) und die Gerätesteuerung über das Stromnetz genannt werden. Der Charme des ganzen Vorhabens liegt auf der Hand. Das Monopol der Deutschen Telekom auf der so genannten "letzten Meile" wäre sofort überwunden, der Wettbewerb hätte auch den "local loop" erfasst. Da die PLC-Modems lediglich eine Steckdose benötigen, wäre man auch nicht mehr auf die Verlegung separater Telefonleitungen angewiesen. Und, den Surfer wird es besonders freuen, man erhält eine feste Internet-Adresse, kann sich die gesonderte Einwahl ersparen und ist daher ständig online. Andererseits liegen auch die Probleme auf der Hand - und da in den letzten Jahren schon zahlreiche Firmen, die einst mit Verve "Stromkabel zu Fernsprechleitungen" schmieden wollten, frustriert aus entsprechenden Projekten ausgeschieden sind, liegt es nahe, dass diese Schwierigkeiten alles andere als Marginalien sind. Das fängt in technischer Hinsicht damit an, dass die Kommunikationsdaten in höheren Frequenzen als der Strom selbst über die Stromleitungen geschickt werden (müssen). Damit sind jedoch heikele Probleme der elektromagnetischen Verträglichkeit verknüpft, über die RWE und die Regulierungsbehörde für Post und Telekommunikation (RegTP) nun schon seit einiger Zeit diskutieren. Darüber hinaus scheint es aber auch durchaus fraglich, ob man sich der rechtlichen Konsequenzen voll bewusst ist, die den Anbieter einer solchen Technologie treffen würden. Da das Telekommunikationsgesetz für marktbeherrschende Netzbetreiber eine sehr strenge Entgeltregulierung vorschreibt, läuft man Gefahr, sich hier in einen Markt zu begeben, in dem man nicht, wie wohl geplant, den technologischen Vorsprung durch entsprechende Endkundenpreise ohne weiteres in wirtschaftliche Vorteile umsetzen kann. Leider waren am RWE-Stand, der Aussage einer Standmitarbeiterin zufolge, nur zwei hinreichend kompetente Anspruchpartner anwesend, mit denen man über all diese Punkte hätte diskutieren können. Da der eine der beiden in ein tiefschürfendes Gespräch mit einem anderen Messebesucher vertieft war und der andere unter Missachtung fundamentaler Regeln der Höflichkeit zehnminütiges geduldiges Warten ignorierte, blieben alle Fragen leider unbeantwortet (was im übrigen auch für eine e-Mail gilt, die ich ca. drei Wochen nach der Messe mit zwei technischen Detailfragen an die PLC-Kontaktadresse geschickt hatte).
Nach dieser doch eher ernüchternden Erfahrung ging es nun weiter zum Stand der RegTP, die sich ebenfalls in Halle 17 präsentierte. Allerdings hatte die Bonner Behörde nur einen äußerst bescheidenen, kleinen Stand, der doch in gewissem Widerspruch zu den enormen Gewinnen stand, die man 1999 durch die Versteigerung von Mobilfunkfrequenzen im 1,8 GHz-Bereich erzielen konnte. Aber Bescheidenheit ist ja bekanntlich eine Zier und tatsächlich sollte die optische Zurückhaltung nicht der einzige positive Eindruck bleiben, den ich vom RegTP-Stand mitnehmen konnte. Denn zum einen gab es hier endlich etwas für den Schwaben in mir. Wohl wegen des inhaltlichen Schwerpunktes zum Thema "digitale Signatur" lag hier nämlich das Februarheft der Fachzeitschrift "Datenschutz und Datensicherheit" (DUD) aus, das ansonsten stolze 39 DM kostet. Und zum anderen hatte ich die Gelegenheit, ein interessantes Gespräch mit einem RegTP-Mitarbeiter zu führen. Zwar konnte er auf meine Frage zur Auslegung des § 39 TKG durch die Regulierungsbehörde keine Auskunft geben, versuchte erfreulicherweise aber auch nicht, mich mit billigen Floskeln abzuspeisen. Als ich ihn dann jedoch fragte, ob die RegTP eventuell plane, nicht nur die Numerierung im Bereich des Telefonnetzes, sondern in Zukunft eventuell auch Internet-Adressen und -Namen zu regulieren, zeigte er sich gut informiert. Nein, das sei nicht geplant. Er hielte das auch für einen Fehler, einen nicht regulierten Bereich der Regulierung zu unterwerfen, solange dies nicht absolut erforderlich sei. Außerdem habe er erst neulich in einem Aufsatz gelesen, dass das Telekommunikationsgesetz IP-Adressen und -Namen überhaupt nicht erfasse. Dies überraschte mich nun wiederum wenig, da ich den (bislang) einzigen juristischen Aufsatz zu diesem Thema als Co-Autor mitverfasst hatte. (Und natürlich konnte ich es mir nicht verkneifen, den guten RegTP-Beamten darauf hinzuweisen.) Plötzlich wurde es totenstill in der CeBIT-Halle 17. Niemand bewegte sich, nur vereinzelt wirbelte der Wind herumliegendes Stroh in die Luft. Wir sahen uns direkt in die Augen, die Hände angespannt in Gürtelhöhe haltend. Im Hintergrund pfiff jemand leise das "Lied vom Tod". Und dann zogen wir. Endlich war es geschafft - ich hatte meine erste Visitenkarte aus der Hand gegeben (es sollte an diesem Tag die einzige bleiben). Wie sich bei der Gelegenheit herausstellte, hatte ich mich ausgerechnet mit dem Leiter des (technischen) Referates Nummernverwaltung unterhalten. Volltreffer.
Dem direkt an die RegTP-Präsenz angrenzenden Stand des Spinger-Verlages, in dem u. a. die exzellente "Strafrecht AT"-CD-ROM von Prof. Freund erschienen ist (vgl. Rezension in "AmigaGadget"#43), konnte ich aufgrund der immer knapper werdenden Zeit nur mehr einen kurzen Blick widmen, dann ging es weiter in eine neue Halle, zur Deutschen Telekom AG (DTAG). Der Ex-Monopolist hatte weder Kosten noch Mühe gescheut und einen gewaltigen Messestand errichtet, demgegenüber der Stand seines Regulierers (der RegTP) nachgerade mikroskopisch klein wirkte. Aus Zeitgründen war es leider nicht möglich, das Reich des magentaroten Riesen genauer zu erkunden. Vielmehr musste es mit einer Frage sein Bewenden haben - und die drehte sich natürlich um die Internet-Flatrate, die Möglichkeit, gegen eine einmalige Pauschalgebühr ohne zeitabhängige Kosten das Internet zu nutzen, die die DTAG im Vorfeld der CeBIT mit gewaltigem Propagandatschinderassabumm für Mitte des Jahres in Aussicht gestellt hatte. Und obwohl sich die diesbezüglichen Informationen im Internet weitgehend auf das im EDV-Bereich so beliebte "Alles wird schnell, supertoll und spaßbringend." beschränkten, war der Telekom-Mitarbeiter durchaus mitteilungsbereit. Ja, die Flatrate werde kommen - noch vor Ende Mai. Und, ja, die Annahme, dass sie über eine Beschränkung des Transfervolumens verfügen werde, treffe zu. Aller Voraussicht nach werde dieses bei 1 GByte liegen, d. h. man wird dann für die Flatrate-Gebühr, die unter 100 DM betragen soll, zwar so lange "surfen" wie man will, darf dabei jedoch pro Monat insgesamt "nur" 1 GByte an Daten über die Telekomleitung transferieren. Dies zur Kenntnis nehmend und (erfolglos) versuchend, die Datenmenge in eine Zeiteinheit bei Zugrundelegung einer (rein fiktiven) durchschnittlichen Transferrate von 2000 Bytes / Sekunde umzurechnen, hetzte ich nun zusammen mit meinem Kommilitonen in die letzte Halle, der wir einen Besuch abstatten wollten. In Messehalle 23 befanden sich vor allem die Unternehmen und Organisationen aus den Bereichen Sicherheit und Verschlüsselung. Leider blieb uns, da sich die Zeiger der Uhr unbarmherzig weiterbewegten, nur die Zeit, ein paar Faltblätter des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) mitzunehmen. Doch natürlich lassen sich komplexe Themen wie "Sicherheit im Internet", "GSM-Mobilfunknetze", "Bloßstellende Abstrahlung" oder "Überkoppeln auf Leitungen" nicht in wenigen Absätzen erschöpfend behandeln - und so dürfte der Wert der "BSI-Kurzinformationen zu aktuellen Themen der IT-Sicherheit" vor allem in der Gewährung eines ersten Überblicks und der Verweisung auf weiterführende Quellen liegen. Uns jedenfalls führte unser Weg nun in Richtung des Parkplatzes (was weitaus schneller vonstatten ging als noch auf dem Hinweg) - viele Messehallen hatten wir aus Zeitgründen keines Blickes würdigen können, so dass auch dieser Messebericht sehr fragmentarisch bleibt. Allerdings erhaschte ich beim Verlassen der Messe einen Blick auf ein offizielles CeBIT-Schild, auf dem für eine Diskussionsrunde (oder eine ähnliche Veranstaltung) zu einem der derzeit "heißesten" Themen der Mobilfunkbranche geladen wurde. Das "Universal Mobile Telephony System" (UMTS) soll nach der Vorstellung der Unternehmenslenker und Telekommunikationspolitiker schon bald GSM (und entsprechende US-amerikanische Konkurrenzlösungen) als aktueller Standard für Mobiltelefondienste ablösen und dabei Breitbandübertragungen ermöglichen. Damit soll Besitzern eines UMTS-Handys u. a. die weite Welt des WWW offen stehen und die Vision der "information at your fingertip" Realität werden. Leider hatten diejenigen, die das erwähnte Schild gestalteten, offensichtlich keinen Zugriff auf ein solches Informationssystem. Andernfalls hätten sie durch eine kurze Recherche sicherlich schnell festgestellt, dass es sich bei "UTMS" nicht unbedingt um die korrekte Abkürzung handelt. Zeit für ein Fazit.
Trotz vereinzelter interessanter Produkte und Gespräche war die CeBIT 2000 den Besuch (und das Eintrittsgeld) nicht wert. Das lag zu einem Großteil sicher an dem Zeitdruck, unter dem ich durch die Hallen hetzen musste. Es lag aber auch an dem gewaltigen Besucherandrang, der durch eine zum Teil sehr unglückliche Standeinteilung zum Teil in seiner Wirkung sogar noch verstärkt wurde. So fanden sich regelmäßig stark frequentierte Stände in unmittelbarer Nachbarschaft, während andernorts ganz Gänge mit Ständen der Handelsvertretungen diverser Ostblockstaaten und anderen Fremdkörpern in der Welt des dynamischen, shareholdervaluekompatiblen und handygeschmückten Internetuniversums sich beinahe völlig verwaist vor dem Messebesucher erstreckten. Vor allem aber fehlte es, und das kann man sicherlich vielen Leuten und Firmen, zuletzt jedoch den CeBIT-Machern vorwerfen, an Ausstellern, die irgendetwas mit Bezug zum Amiga im Repertoire hatten - und seien es nur ein paar rührselige Anekdoten aus einer lange zurückliegenden Vergangenheit gewesen. Aber das CeBIT-Jahr 2000 als Totalausfall abzutun, würde der Realität andererseits auch nicht gerecht. Denn es gab auch eine erhebliche Verbesserung zu den Messen der Vorjahre, wenngleich diese, das sei gerne eingestanden, nur sehr indirekt mit der CeBIT verknüpft ist. Bis 1999 hatte der SPIEGEL die Hannoveraner Computerbeschau zum Anlass genommen, ein Sonderheft mit einem Schwerpunkt im EDV-Bereich zu veröffentlichen. Aus dem Blickwinkel der informationstechnologischen Themenstellung befand sich dessen Qualität zuletzt jedoch im freien Fall, durchbrach letztlich gar die Erdkruste und konnte nur mehr als unterirdisch beschrieben werden. Das hat man inzwischen wohl auch in Hamburg erkannt und in diesem Jahr auf die Veröffentlichung eines solchen Sonderheftes verzichtet - wenngleich die geänderte Publikationsstrategie ("SPIEGEL Reporter") der Augstein-Truppe durchaus zu diesem Schritt beigetragen haben dürfte. Stattdessen enthielt die reguläre SPIEGEL-Ausgabe 8/2000 einen "Sonderteil Cebit - Voll auf Draht", der trotz des hirn-, respektive schaltkreisverbrannten Untertitels eine gelungene Mischung aus Hintergrundberichten, Essays und anderen Beiträgen um den elektronischen Rechenknecht, die Mobilkommunikation und natürlich auch das Internet enthielt. Das darf gerne auch im nächsten Jahr so praktiziert werden. Ansonsten bleibt die Hoffnung auf eine mit der Rückkehr des gewohnten Veranstaltungstermins verknüpfte Rückkehr der gewohnten Faszination des Phänomens namens CeBIT. Man sieht sich im CeBIT-Monat März.